Kapitel 4

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                     Ain't backing down

 
                           A z r i e l •

In einem Moment wie jenem hätte ich wohl mit mehr Angst in seinen Augen gerechnet, damit das er mir auswich oder irgendwie anderweitig versuchte sich mir zu entziehen. Doch nichts davon war der Fall. Er wollte Stärke beweisen, das hatte er schnell klar gemacht und so blickte er mich auch jetzt geradewegs an. Ich konnte dennoch den Geruch der Angst vernehmen, der deutlich aus seiner Richtung zu mir empor kroch. Die erhoffte Genugtuung darüber blieb allerdings aus. Dieses rebellische Schimmern in seinen Augen, presste dieses Gefühl des Triumphes ganz weit weg. Ich wusste nicht was er dachte, ich konnte es allerdings erahnen. Er fragte sich wahrscheinlich genauso was das hier werden sollte, wie ich es tat. Ich wusste selbst nicht, was mich zu diesem Gespräch bewegte und gleichzeitig davon abhielt ihn auf der Stelle zu töten. Vielleicht war es dieses Kribbeln, das ich vom ersten Augenblick an zwischen uns spürte oder glaubte zu spüren? Dieses Gefühl machte mich neugierig und brachte mich dazu mir vorzustellen, wie es sein musste, wenn er mein wäre. Ich wollte, dass er sich mir unterwarf, so sehr das es in meinen Fingerspitzen leicht zu ziehen begann.

»Einige meiner Alphas zweifeln an deiner Aufrichtigkeit und ich gehöre dazu. Ein Omega, der alleine in die große, weite Welt zieht? Das klingt wie der Anfang eines schlechten Märchens.« Irgendwas an meinen Worten hatte ihn getroffen. Ob es daran lag, dass ich ihm offensichtlich Schwäche zu sprach, aufgrund dessen was er war, aber nicht vorgab zu sein. Oder eben, weil ich, wie sein Rudel wahrscheinlich auch, ihn nicht ernst nehmen konnte. Wie sollte ich auch? Ein Junge wie er, dazu noch ein Omega alleine dort draußen? Davon abgesehen, dass er mein Land betreten und sich damit eigentlich umgebracht hatte, hatte er auch außerhalb meines Reviers keine Chance. Jeder Jäger würde sich diese Trophäe nicht entgehen lassen wollen. Für den Moment dachte ich darüber nach, welche Farbe sein Fell wohl haben mochte. Ein wildes Haselnussbraun? Oder doch eher ein silbriges Braun? Oder war er doch grau? Vielleicht war er aber auch weitaus außergewöhnlicher.

Wieder driftete ich ab. Seine Fellfarbe war mir doch eigentlich scheiß egal, genau wie der Junge selbst. Ich wollte die Wahrheit und nur die Wahrheit.
»Es ist die Wahrheit! Ich bin von meinem Rudel weg, um Frei zu sein. Weit gekommen bin ich nicht, das habe ich selbst bemerkt. Vielleicht war es dumm, ja vielleicht war es sogar mehr als dumm, aber ich habe es wenigstens versucht. Ich quatsche nicht einfach dumm herum, sondern ziehe die Dinge auch durch.« Wieder war ich erstaunt darüber wie warm und fest seine Stimme war. Sie war etwas tiefer als ich erwartet hatte aber dennoch passte sie zu ihm. Allem in einem fehlte es ihm an Brutalität. Das erste woran man wohl denken musste, wenn man ihn sah, war wohl wie man ihn am besten in Watte packen konnte. Er sah aus als würde er beim kleinsten Windstoß zerbrechen. Nicht weil er schmal war, das war er nicht. Ich war mir sogar sicher, dass sich unter der Zwiebelschicht Muskeln befanden, wenn auch weitaus nicht so ausgeprägt wie die meinen. Nein, ich hatte sie sogar gesehen, zumindest einen kurzen, seitlichen Blick erhaschen können. Er hatte einen schönen Körper.

»Nehmen wir an ich glaube diese kleine Geschichte... Wohin wolltest du gehen? So ganz alleine?« Meine Stimme war leiser als zuvor, aber noch immer fest.
»Das spielt keine Rolle. Jetzt komme ich so oder so nicht mehr dort an.« Ich schätzte eher, das er keinen wirklichen Plan hatte. Wahrscheinlich hatte er einfach seine Taschen gepackt und war auf gut Glück los gezogen. Dumm und eben nicht durchdacht.
»Du bist wohl doch nicht so dumm, wie du aussiehst.« Er schnaubte leise auf meine Worte hin. Seine Arme verschränkte er vor der Brust und jetzt war es soweit, er wich mir aus.
»Du weißt einen Scheiß über mich. Lass mich gehen oder töte mich endlich, aber verschwende nicht unsere Zeit.«
Seine leeren Augen trafen wieder auf die meinen. Sie schienen plötzlich so unüberwindbar tief und bodenlos.

His  •BoyxBoy•Where stories live. Discover now