Kapitel 6

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Scandalous

Azriel

 
Ich hörte sein kleines Herz bis hierhin schlagen. Es war unglaublich zu was es fähig war, wenn er sich aufregte. Er hatte fast schon etwas von einem aufgebrachten Chihuahua. Nun gut, es war wohl nicht die feine Art sich über ihn Lustig zu machen, während ihm grade offen gelegt wurde, das er mir gehörte.
Die letzten Tage musste ich viel darüber nachdenken, was zwischen uns geschehen war. Nicht an diese nackte Sache, nein, ich dachte an den Moment in dem er mir zum ersten Mal in die Augen gesehen hatte. Ich hatte diesen eisernen Willen unter seiner Angst erkannt. Mit genau jenem Willen sah er mich auch jetzt an. Er wollte mir weiterhin trotzen und ich wusste, das ihn zu brechen, ein längerer Prozess werden würde, doch ich hatte mich entschieden. Irgendwas an dem Jungen verhinderte, das ich ihn so einfach gehen lassen oder gar töten konnte. Wobei die erstere Option so oder so nicht in Frage kam. Was würde das für ein Licht auf mich werfen? Ein Omega kommt durch mein Revier spaziert, hält mir eben den nackten Hintern hin und schon vergesse ich, was er getan hatte? Oh nein, so war ich nicht. Ich wusste das ich nur eine einzige Option hatte, wenn ich ihn nicht töten könnte. Er musste mein werden, offiziell und so das jeder es mitbekam. Damit verhinderte ich nicht nur, das man ihn vergewaltigte, denn der Gedanke missfiel mir seltsamerweise ebenso. Ich verhinderte auch, das Gerüchte aufkommen würden. So dachte jeder, ich hätte meinen Mate gefunden und das Schicksal würde mich dazu zwingen ihn zu beschützen. Das es eigentlich nur meine Neugier war, musste ja Niemand wissen. Zumindest redete ich mir das ganz erfolgreich ein. Neugier, mehr steckte nicht dahinter. Ich wollte ihn einfach brechen und sehen wie stark er wirklich war. Ich wollte das er nachgibt und mich anbettelt ihn zu nehmen, bis er Sterne sah. Ich wollte, dass er sich mir Bedingungslos hingab. Doch Levi hatte ganz andere Pläne.
»Das soll wohl ein Witz sein.«
Er war aufgebracht und ich konnte es irgendwo sogar verstehen. Für so einen Verrat würde ich meinen Vater töten, wenn er nicht schon Tod wäre. Der Junge war verletzt und wenn er anderes behauptete, log er. Ich konnte es beinahe spüren, sein kleines zerbrechliches Herz bekam Risse und schien das Vertrauen in seinen Vater, das existiert hatte, vollständig verloren zu haben. Er musste sich unglaublich verraten und in die Ecke gedrängt fühlen. Ich war intelligent genug um zu wissen, das wenn ich die Schale knacken wollte, ich besser einen Schritt zurück mache. Er würde nur noch mehr Mauern hochziehen, wenn ich seine Schwäche jetzt ausnutzen würde. Mein Moment würde kommen und er würde sich mir nicht mehr verwehren können, irgendwann und irgendwie würde der Tag kommen, an dem er sich mir hingeben würde, aus freien Stücken.

»Nein, Levi. Ich scherze nicht.« Das Blut seines Vaters tropfte in jenem Moment von dessen Nasenspitze zu Boden. Diese Narben würde er ein Leben lang tragen. Sie würden ihn immer an seine Taten erinnern und daran, was er verloren hatte.
»Ich kann nicht sein Mate sein. Das ist unmöglich, ein Fehler.« Die Verzweiflung in dem Omega nahm überhand und er wich ein wenig vor mir und der Hitze in seinem Rücken zurück. Dabei glitt er ungefähr einen Meter weiter zur Seite und damit beinahe in ein paar meiner Alphas. Diese schienen für ihn aber nur das kleinste Problem zu sein.
Wahrscheinlich würde ich selbst alles kurz und klein schlagen, wenn ich in seiner Situation wäre. Doch er war nun mal ein Omega und ich ein Alpha. Omegas hatten ihre ganz eigene Art mit Druck, Angst und Stress umzugehen.
So etwas wie Angst empfand ich ja nicht einmal. Für den Moment konnte ich ihn nur bedauern. Seine Welt geriet aus den Fugen und er hatte alles verloren, bei dem Versuch alles zu gewinnen. Nun hatte er weder seine Familie, noch seine Freiheit. Doch wie mein Vater so schön sagte, wir waren alle unser eigen Glückes Schmied.
»Niemals, ich werde mich dir niemals hingeben, geschweige denn dich lieben! Ich werde nicht nachgeben und ich werde auch nicht die Luna dieses Rudels. Sobald ich die Chance habe, werde ich verschwinden.« So entschlossen wie in jenem Moment hatte sein Vater ihn wohl noch nie gesehen. Ich allerdings begann leise zu Lachen, was die Fassade des kleinen Omegas ins Straucheln brachte.
»Du wirst dich mir hingeben, irgendwann. Ich bin sehr geduldig musst du wissen. Außerdem kann ich spüren wie du dich danach verzerrst. Ich spüre wie du versuchst dich gegen mich zu wehren. Wenn da nichts wäre, Levi... Müsstest du diesen Kampf nicht mit dir führen.« Mir war klar, das der Junge davon nichts hören wollte. Der trotzige Ausdruck auf seinem Gesicht machte das allzu deutlich.
»Du wirst mir gehören und du wirst nicht genug von dem bekommen, was ich mit dir anstellen werde.« Seine Wangen färbten sich rot, während seine Augen kurz über einen Teil der anderen Alphas glitten. Ich spürte wie unangenehm ihm das war, doch das war mir egal. Es war die Wahrheit und nichts anderes würde ich akzeptieren. Dieses Mal war er mit seinem Latein am Ende. Er erwiderte nichts mehr und hatte es wohl satt sich immer wieder zu wiederholen. Plötzlich stieß er zwei ältere Alphas zur Seite und stürmte zwischen jenen hindurch ins Dickicht, nur um im Wald zu verschwinden. Wahrscheinlich erwartete man in so einer Situation, das ich ihm folgen würde, doch ich wusste, das er nicht weit kommen würde.

Levi

Meine Lungen brannten und meine Füße drohten mit jedem weiteren Schritt nachzugeben. Die letzten zwei Tage hatten mich geschlaucht. Die Ruhelosigkeit hatte ihren Tribut gefordert und ich nur noch die Ausdauer, die sogar meine Granny vorweisen könnte. Und sie war über achtzig. In mir keimte die naive Hoffnung auf, es vielleicht doch hier raus und weg von diesem verrückten Alpha zu schaffen. Ich war schon eine Weile am laufen, hielt weder an, noch sah ich mich wirklich um. Doch in dieser Zeit war auch nichts geschehen. Ich sah oder hörte Niemanden der mir folgte. Nicht einmal Azriel, der grade noch Anspruch auf mich erhoben hatte, machte sich die Mühe seinem Mate zu folgen. So intelligent konnte er nicht sein, wenn er sich einredete, das ich irgendwann nachgeben würde. Nur weil mein Schwanz zuckte als er mich berührte, bedeutete das nicht, das ich ihm gleich ins Bett folgen würde. Mein Schwanz zuckte immer wieder mal, wenn ich pinkeln musste oder... Nun gut, lassen wir das. Dafür besaß ich doch zu wenig Argumente. Vielleicht gefiel es mir ja doch irgendwo, ein Grund mehr hier schnell zu verschwinden. Ich wollte nicht, das dieser Alpha mit seiner These recht behalten würde. Ich wollte mich ihm nicht beugen, unter keinen Umständen. Alles was ich wollte war Freiheit. Würde ich mich jetzt diesem Mann beugen, wäre ich genauso eingesperrt, wie bei meinem Vater. Wobei dieser wohl jedes Recht verloren hatte, sich so zu nennen.

Mir ging die Luft aus und auch wenn ich nicht wollte, ich musste einen Moment Pause machen. Unsanft stieß ich mit meiner Schulter an eine große Eiche. Meine Fingerspitzen bohrten sich leicht in das feuchte Holz, während ich so viel halt an jenem suchte, wie es mir in jenem Moment geben konnte. Sie folgten mir nicht. Warum folgten sie mir nicht? Er hatte deutlich gemacht, dass ich ihm gehörte, worüber es noch einiges zu diskutieren gab, ließ mich aber laufen? Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht.
Meine Finger glitten durch mein dichtes, feuchtes Haar und ich war nur einen Hauch davon entfernt es zu raufen und mir die Seele aus dem Leib zu schreien. Die letzten Tage waren zu viel. Diese Ignoranz, diese Schlaflosigkeit und dieser Gott verdammte Alpha. Dieser Gott verdammt gutaussehende Alpha. Doch sein Aussehen würde niemals verbergen was er wirklich war. Ein grausames Monster. Wer sonst würde einen anderen Kidnappen und zwingen die Luna des Rudels zu werden? Geschweige denn ohne Verhandlung alles und jeden töten, der sein Land betritt? Postbote wollte ich hier bestimmt nicht sein.
»Eine Nacht... Gib mir eine Nacht. Widerstrebt es dir noch immer, lasse ich dich gehen.« Mein Herz setzte aus. Sofort wich ich von dem Baum zurück und sah mich um. Ich war allein. Ich hörte weder einen Herzschlag, noch witterte ich einen anderen Wolf in meiner unmittelbaren Nähe. Doch wie konnte Azriel zu mir sprechen, wenn er soweit weg war? Mein Gehör war schon verdammt gut, doch so gut nun auch wieder nicht. Davon abgesehen, hatte mein Atem sich kaum beruhigt und würde mich wahrscheinlich so oder so verraten.

»Wo bist du? Hör auf mit mir zu spielen und zeig dich!«
Das eiskalte, raue Lachen des Alphas ging mir durch Mark und Bein.
»Oh, Levi. Die Spiele haben grade erst begonnen.«
Die Erkenntnis traf mich bis ins Mark. Er war in meinem Kopf, seine Stimme war dort, wo eigentlich nur meine Gedanken Platz haben sollten. Das war unmöglich, vollkommen unmöglich. Oder?

His  •BoyxBoy•Où les histoires vivent. Découvrez maintenant