Kapitel 25

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Calling this a family doesn't make it a loving home, it just makes it a hateful lie.


•25•

ℒ𝒾𝒶𝓇

Levi

Ein Abkommen mit meinen Eltern sollte also der erste Schritt in die richtige Richtung sein? Was waren die Bedingungen? Unter welchen Voraussetzungen würde mein Vater sich darauf einlassen, an unserer Seite zu kämpfen? Obwohl Azriel mir Privilegien zugesprochen hatte, war ich bei der Verhandlung nicht dabei. Fine und die Anderen hatten sich etwas abseits gehalten und waren erst aus ihrem Versteck gekommen, als ich mich ihnen näherte.
»Sie sind immer noch da drin?« Die Miene der jungen Frau wirkte besorgt und auch mehr als skeptisch. Ich hatte ihr von meinen Eltern erzählt, in der Zeit, in der ich dachte Azriel verloren zu haben. Und das war noch gar nicht so lange her. Es kam mir etwas surreal vor, das er wirklich wieder da war oder eher, das er nie wirklich weg war. Ich hatte kaum Zeit das alles zu verarbeiten und schon hatte ich die nächste große Pille zu schlucken. Azriel war mit meinem Vater in einem der Häuser verschwunden. Es war nicht das, in dem ich die Schattenjahre meines Lebens verbracht hatte. Ich war mir ehrlich gesagt nicht einmal ganz sicher, wem dieses Haus gehörte. Allerdings waren die Wände so dick, dass jedes Lauschen vergebens war. Sogar meine Mutter durfte sie nicht begleiten. Ihren Versuch mich anzusprechen, hatte ich abgewimmelt. Ich fürchtete tatsächlich, dass sie versuchen könnte mich irgendwo wieder einzusperren. Sie war noch immer nicht über meinen Verrat hinweg, geschweige denn darüber, wer der Mann an meiner Seite war.
Außerdem waren sie schon immer zu unberechenbar.

Doch die nächste Stunde war vergangen und noch hatte Niemand ansatzweise versucht mich irgendwo einzusperren, geschweige denn mit mir zu reden. Ich hatte mein Rudel, zumindest den Teil der übrig war, schützend um mich herum versammelt. Sie wussten scheinbar genau, was ihre Aufgabe war, wenn ihr Alpha nicht in der Nähe war. Und ich musste mich nun damit abfinden, das ich die Luna des Rudels war und damit auch an Wichtigkeit gewonnen hatte. Aufmerksamkeit, auf die ich verzichten könnte, obwohl ich meine Position in jenem Moment sehr Willkommen hieß.
Und schon als die Tür sich öffnete und ich das Gesicht meines Mates erblickte, wusste ich, dass er dieses Gespräch ebenso wenig genossen hatte, wie ich das Warten. Seine Miene war eiskalt und jeglicher Versuch etwas aus jener zu lesen scheiterte. Ich würde so gerne wissen, was er in jenem Moment dachte, was mein Vater gesagt hatte und worauf sie sich geeinigt hatten. Doch der Schwarzhaarige legte den Arm um meine Taille und führte mich vom Haus weg, ohne meine Eltern ei es weiteren Blickes zu würdigen.
Die Anderen folgten uns. Sie waren so stumm wie ihr Anführer selbst und so langsam bildete sich ein unangenehmer Kloß in meinem Hals. Was zum Henker war vorgefallen? Hatte mein Vater ihn so verärgert? Sie hatten doch wohl nicht beschlossen sich erneut zu bekriegen? In solchen Zeiten?
»Sie kämpfen an unserer Seite.« Er schien das stumme Fragezeichen in meinem Gesicht gelesen zu haben. Ich gab zu, meine Neugier und Sorge konnte ich schlecht verbergen, zumindest vor ihm.
»Aber?« Und wieder schwieg er. Wenn das so weiter ginge, würde ich irgendwann wahnsinnig werden, da war ich mir sicher.
»Er wollte, dass ich dich verstoße und zu ihnen zurückbringe.« Mitten in der Bewegung hielt ich inne und entzog mich dabei seiner Berührung.
Er sah mich nicht an, als mein Blick sich in seinen Rücken bohrte und mittlerweile fühlte ich mich, als hätte man mir die Brust zusammengebunden und nun würde eine unsichtbare Hand das Seil enger und enger ziehen.
»Aber... Du bist doch nicht darauf eingegangen, oder?« Und wieder schwieg er. Wie sollte ich das ertragen? Wie sollte ich damit leben, wenn er mich verstoßen würde? Ich wusste, das dies vielleicht die einzige Chance war, wie wir unser Überleben sichern konnten. Wir brauchten die Unterstützung anderer Rudel, aber dafür das aufgeben, was uns am Leben hielt? Niemals. Und das tat Azriel. Er war alles für mich, hielt mich am Leben, selbst in den Momenten, in denen ich mehr als alles andere sterben wollte.

»Was denkst du bitte von mir, Levi? Ich würde dich für nichts auf der Welt hergeben. Alleine das du mir das zutraust, ist eine Beleidigung.« Jetzt sah er mich an und der Ausdruck in seinen Augen war so unergründlich, dass ich mir sicher war, von ihnen verschlungen zu werden. Meine müden Beine verringerten den Abstand zwischen uns und jetzt konnte ich auch seine Wärme wieder spüren. Er roch so unglaublich gut und das selbst in solchen Momenten, in denen es mir egal sein müsste.
»Es... Ich... Es ist nur so, das er noch lebt und nicht... Ich weiß es nicht. Die ganze Situation wirkte auf mich komisch. Also unterstützen sie uns?« Meine Stimme brach zum Ende hin kurz, doch ich fing mich schnell wieder. Komm schon Levi, sei kein Weichei!
Azriel nickte nur leicht und umschloss im nächsten Moment mein Gesicht sanft mit seinen großen, warmen Händen.
Eine Geste die mein Bauch im Normalfall Kribbeln ließ, jetzt allerdings machte sie mir Angst.
»Azriel? Was ist passiert?« Meine Brust hob und senkte sich schwerer und schneller, ohne das ich einen Einfluss darauf hatte.
»Ich vertraue ihm nicht, Levi. Er dachte schon mal, das er mich hinters Licht führen könnte. Ich bin mir fast sicher, dass er es wieder tun wird.« Seine Stirn lehnte sich an die meine. Die Anderen hatten sich mit etwas Abstand auf einen umgefallenen Baum zurückgezogen und erinnerten mit ihrem Anblick eher an Hühner auf der Stange, als an wilde Bestien, für die sie eben gehalten wurden. Für die wir gehalten wurden.
»Und trotzdem hast du verhandelt?« Kaum merklich nickte er gegen meine Stirn.
Und ich erwischte mich wieder dabei, wie ich angestrengt nach einer Lösung suchte
»Ich habe ihm deutlich gemacht, dass ich ihn und sein Rudel töten werde, wenn sie uns hintergehen sollten. Ich mache auch keinen Unterschied nur, weil es deine Eltern sind, Levi. Ich werde und kann ihnen das nicht durchgehen lassen.«
Und ich verstand es. Ich verstand ihn. Es mochte klingen als wäre ich Wahnsinnig, aber er hatte Recht. Sie mussten sterben, wenn sie uns hintergingen. Natürlich wäre das ein herber Rückschlag, das wusste auch Azriel bestimmt. Doch konnte man bekanntlich besser mit einer kleinen und loyalen Gruppe kämpfen, wie mit einem Haufen Verräter.

Zwei weitere Tage waren vergangen, zwei harte Tage, die mich so an meine Grenzen brachten, das mein Alpha mich nun auf seinem trug. Ich hatte meine Eltern danach nicht nochmal gesehen. Wie denn auch? Wir waren weiter gezogen, zogen wieder in Richtung Stadt, langsam und mit einer Menge Umwege. Wir mussten die Stadt durchqueren, das war der kürzeste und vielleicht auch sicherste Weg. Wer rechnete dort schon mit einem Haufen wilder Werwölfe? Leider hatte ich nicht bedacht, dass eine Gruppe seltsam drein blickender, junger "Menschen", auch eine Menge Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde. Fine war am schlimmsten. Sie schreckte sogar vor dem leisen Piepen einer Ampel zurück , das blinden Fußgängern ein treuer wegweiser war. Mal ganz davon abgesehen, wie verblüfft sie auf die bunten Schaufenster reagierten. Alle bis auf Azriel. Er wirkte wie ein Eisberg am Strand, vollkommen unbeeindruckt aber doch ein Hingucker. Ich hörte allerdings wie Nervös sein Herz das Blut durch seine Adern pumpte, vormachen konnte er mir also nichts. Er fühlte sich fehl am Platz. Er schrie mir dies über unsere Verbindung beinahe zu. Tatsächlich war es auch seltsam ihn in solch einer Kulisse anzusehen. Er wirkte zwar wie ein normaler Mensch, doch irgendwie passte er nicht hierher und er gehörte auch nicht in die Stadt, Niemand von uns tat das. Mit einer Ausnahme vielleicht.
»Wow... Seht euch mal dieses Kleid an. Das habe ich ja noch nie gesehen.« Fine, die zuvor vor Angst noch gezittert hatte, blieb vor einem Schaufenster stehen.
»Wer sagt ihr jetzt, dass das ein Nachthemd ist?«
Leises Kichern neben mir und ein Augenrollen meines Gefährten, das ich beinahe spüren konnte. Ich hatte meine Arme um seinen Hals und meine Beine um seine Taille geschlungen, um nicht herunter zu fallen. Seine Hände unter meinen Oberschenkeln verhinderten dies zusätzlich, während ich mich von hinten an ihn schmuste.
»Dort bei der Kreuzung biegen wir links ab, dann gehen wir den Hügel hinauf und wieder in den Wald, dann haben wir es geschafft.« Doch Fines  Begeisterung steckte scheinbar an und ehe wir uns umsahen, waren wir allein. Sie hatten sich alle in der Stadt verteilt und waren fasziniert, von dieser Art des Lebens. Azriel hingegen seufzte bedrückt und sah sich um.
»Wie wollen sie nur einen Krieg überstehen, wenn der erst Beste wegen Unterwäsche den Verstand verliert und alle anderen damit ansteckt?« Aber auch meine Augen streiften einen der Läden und so löste ich mich von seinem Rücken, um ihn sanft mit mir zu ziehen. Ich wollte den ganzen Ärger vergessen, die ganze Angst und den Hass... All das spielte in dem Moment keine Rolle mehr, in dem Azriel und ich das Geschäft betraten.

His  •BoyxBoy•Where stories live. Discover now