Kapitel 12

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Ein Klopfen riss mich aus meinem Alptraum. Ich schrak auf. "River, mach dich fertig, es ist so weit." Ertönte James Stimme. "Ja" rief ich und stand auf.

Jetzt war also die Stunde der Wahrheit. Ich zog mich an, schnappte meinen Rucksack und lief zur Türe. Ein letztes Mal blickte ich mich in der Hütte um, ehe ich sie für immer verließ. Am Dorfplatz war die Hölle los. Alle Bewohner standen dort, um sich von uns zu verabschieden. Ich drängte mich durch alle durch und blieb bei den anderen stehen. Hart schluckte ich, als James mit dem Vertreter aus seinem Büro kam. Sie reihten sich vor uns auf und blickten jedem ernst in die Augen.

"Nun, wir haben uns hier zusammengefunden, um unsere Immunen zu verabschieden. Angesichts der gefährlichen Lage, blieb uns nichts anderes übrig, als das. Ich bedauere es sehr und mir fällt es auch sehr schwer, sie alle gehen zu lassen, aber es für ihre und auch für unsere Sicherheit." Er räusperte sich lautstark." Ich richte diese Worte nun an euch: Passt auf euch da draußen auf! Ich habe keine Ahnung, was da draußen auf euch wartet, aber seid immer Fluchtbereit. Bleibt auf der Route und folgt immer eurem Herzen." Er schluckte kurz." Ich bin mir sicher, ihr werdet es schaffen. Es gibt aber noch was anzumerken. Die Jäger werden merken, dass ihr geflüchtet seid. Sie werden auch wissen, wohin. Seid immer auf der Hut, traut keinem außer euch, okay? Geht immer nur in der Gruppe, bleibt immer zusammen und geht niemals alleine. Ich will, dass ihr zusammen bei Carlos ankommt. Nun, verabschiedet euch von euren Liebsten und kommt dann nochmal alle zu mir."

Meine Freunde streuten auseinander. Liefen zu ihren Familien, zu ihren Freunden und Verwandten. Ich lief zu Penelope und Charlie, die zusammen weiter hinten standen. Vor ihnen blieb ich stehen. "Meine kleine River." Penelope schluchzte. Sie hatte mich früher, als ich noch klein war, aufgezogen. Ohne ihre Hilfe hätte James dies niemals geschafft. Ich warf mich in ihre Arme und sie drückte mich fest an sich. "Pass auf dich auf, ja?" Ich nickte weinend. Leicht drückte sie mich von sich und schaute mir eindringlich in die Augen. "Du bist ein taffes Mädchen. Ein ehrliches und treues, welches immer zu ihrem Wort steht. Bleib bitte so wie du bist. Lass dich durch diese Reise nicht verändern." Sanft strich sie mir über meine Haare. Ich nickte wieder. Ich konnte einfach nichts sagen, so sehr saß ein dicker Kloß in meinem Hals.

Penelope kramte etwas aus ihrer Tasche. Es war eine silberne, filigrane Kette. Vorsichtig legte sie sie mir um den Hals. "Danke." Hauchte ich und lächelte leicht. Dann wendete ich mich Charlie zu. Er war immer wie ein Opa für mich. Sanft lächelte er mich an und wuschelte mir dann durch meine Haare. "Sei stark, kleines." Murmelte er. Ich merkte, wie er versuchte, stark zu sein, doch er scheiterte. "Wir werden dich vermissen und immer in unseren Herzen behalten." Penelope nickte zustimmend. "Ich euch auch." Flüsterte ich. "Lebewohl River Lancaster." Ich straffte meine Schultern, winkte ihnen ein letztes Mal und lief dann zu meinem Vater.

Dieser stand einsam am Brunnen und blickte starr in diesen. "Dad" hauchte ich und er drehte sich schwungvoll um. "Mein Mädchen." Seine Stimme klang weinerlich. Tränen standen in seinen müden Augen und ein schmerzhafter Ausdruck lag auf seinem Gesicht. Auch mir schossen Tränen in die Augen. "Komm her." Er breitete seine Arme aus und ich stürmte in die Umarmung. Und dort konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Laut schluchzte ich los und durchnässte das Shirt von James. Auch ich spürte Tränen von ihm auf meinem Top.

Ich drückte mich fest an ihn und vergrub meinen Kopf an seiner Schulter. Er strich mich durch meine Haare und legte seinen Kopf auf meinen. "Mein großes kleines Mädchen." Murmelte er. Ich hörte, wie er schluckte. "Ich werde dich so vermissen, Dad." Ich schniefte. "Ich dich auch." Flüsterte James. Sanft schob er mich ein wenig von sich. "Du bist so stark. Pass auf dich auf und bitte bleib am Leben. Lass dich nicht unterkriegen und zeig den anderen, was es heißt eine Lancaster zu sein." Er lachte leicht und auch ich musste schmunzeln. "Werde ich machen."

"Hier." Mit zittrigen Fingern griff er in seine Hosentasche und holte ein kleines Päckchen raus. "Eine kleine Erinnerung." Ich nahm sie und öffnete sie. Ein Ring lag auf einem schwarzen Tuch und innen drinnen waren unsere Namen eingraviert. Daneben stand Von deinem alten Vater. Ich war gerührt. "Danke, Dad." Weinte ich. Ich fragte nicht, woher er ihn hatte. Mir war klar, dass William ihn gemacht hatte. Er hatte ein Händchen für sowas. Lächelnd blickte er mich an. "Ich hoffe du wirst ein schönes Leben haben." "Ich hoffe du auch." Ein letztes Mal umarmten wir uns. Ein letztes Mal gab er mir einen Kuss auf die Stirn und ich ihm auf die Wange. Und ein letztes Mal strich er mir durch die Haare. Wir lösten uns, als die anderen wieder zu uns kamen.

Auch Faith war dabei, die mir weinend in die Arme fiel. "Lebewohl, River." "Du auch." Sie löste sich von mir, lächelte mich traurig an und verschwand. Ich seufzte und drehte mich wieder zu James. Neben ihm standen mittlerweile wieder der Vertreter und Paul. "So. Es ist Zeit." Sagte James und wir liefen los zur Mauer. Die Bewohner wanken uns nach, bis wir um die Ecke waren. Still schritten wir die Straße entlang und hielten vor dem Tor. Eine nach dem anderen schüttelten James, dem Vertreter und Paul die Hand. Wir reihten uns direkt vor der Mauer auf und warteten, dass das Tor geöffnet wurde.

Knirschend und quietschend fuhr es hoch und machte die Sicht frei auf einen Dschungel, der dunkel vor uns lag. Nebelschwaden waberten durch die Bäume und ließen alles noch gruseliger aussehen. Ich schluckte hart. Wenn wir das überleben, dann fresse ich einen Besen. "Viel Erfolg." Ertönte James Stimme. Sie klang kühl und geschäftsmäßig, was kurz einen schmerzhaften Stich in meiner Brust aufflammen ließ. Doch dann überkam mich Verständnis. So brach er vielleicht nicht plötzlich zusammen, weil seine einzige Tochter, die einzige Person, die er als Familie ansah, für immer ging.

Auch ich setzte eine kühle Maske auf, verdrängte all meine Emotionen. Und dann traten wir durch das Tor und verließen das Lager, welches uns all die letzten Jahre Schutz bot. In dem wir all die Jahre zuhause waren und das wie eine Familie war. Ab hier begann jetzt ein neuer Abschnitt unseres Lebens. Ein neues Kapitel in unseren Büchern. Und ganz vielleicht ein Neustart, wenn wir es bis zu Carlos schafften.

Uhhhh, jetzt fängt das ganze erst richtig an!!

Macht euch auf Spannung gefasst und auch auf bisschen Drama :)

The Last HumansWhere stories live. Discover now