Kapitel 46

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Zwei Wochen später

Zusammen mit Eric komme ich aus der Krankenstation. Karen hat meine Verbände gewechselt, sich meine Nähte angesehen und mich schließlich neu verbunden. Dann gab sie mir noch einmal neue Schmerzmittel. Alles scheint gut zu verheilen.

Wir kommen in einem Flur kurz vor den Quartieren an. Eric bleibt stehen. Ich wundere mich und sehe ihn fragend an. 

Er sieht hinter sich und taxiert einen Punkt.

" Was ist? ", will ich wissen. Er legt die Stirn in Falten. Er scheint es selber nicht genau zu wissen.

" Irgendjemand beobachtet uns. ", sagt er schließlich. Ich folge seinem Blick, aber da ist niemand. Das sage ich ihm auch. Er reagiert gar nicht, sondern läuft den Weg, den wir gekommen sind wieder zurück. 

Ich folge ihm, wenn auch widerwillig. Er biegt rechts ab und steht in einem leeren Gang. Er läuft ihn bis zum Ende. Aber mehr als ein Lüftungsgitter, gibt es hier nicht. Keine Türen, keine Schränke. Einfach nichts.

Er dreht sich ein paar Mal im Kreis. Dann muss er sich eingestehen, dass er sich vertan hat.

Wir laufen zurück und begegnen Maddie. Sie ist auf dem Weg zu Tessa. Ich will mit ihr gehen und verabschiede mich von Eric. 

Carter macht uns die Tür auf, als wir bei Tessa ankommen. Einer von uns ist immer bei ihr. Und Carter und Feretti übernehmen diese Aufgabe auch gerne. Letzterer sitzt neben Tessa auf der Couch.

" Na, wie gehts deinem Arm? ", frage ich und er schnaubt.

" Nutzlos, das Teil. Ich kann nichtmal Krafttraining machen, weil es Jahre brauch, um zu heilen. ", beschwert er sich.

" Du sollst es ja auch heilen lassen und nicht damit trainieren. ", ermahne ich ihn. 

" Die Initianten kommen in weniger als vier Monaten. Bis dahin müssen meine Arme doppelt so groß sein. ", meint er, wobei er auf seinen Oberarm deutet.

" Das sieht dann aber mega bescheuert aus, zu deinen dünnen Beinchen und Oberkörper. ", sagt Carter feixend. Feretti wirft ein Kissen nach ihm.

Tessa lacht laut. Ich weiß, das die Jungs diese Sachen nur wegen ihr sagen. Damit sie sie zum lachen bringen. Und es funktioniert.

" Wenigstens werd ich nicht einmal dick, wie du. Der immer nur in seinem Sessel sitzt und auf den Bildschirm starrt. ", gibt Feretti zurück. Tessa lacht wieder und Carter wirft das Kissen zurück.

" Ich starr nich! ", verteidigt er sich.

Tessa sieht auf die Uhr. 

" Ich muss zur Schicht, Leute. ", sagt sie und wir nicken. Wir begleiten sie alle zum Haupteingang, nachdem sie sich angezogen hat. Dann gehe ich mit Maddie zurück, während Feretti und Carter in die Grube gehen. 

Wir kommen im Flur bei den Quartieren an, als ich das Gefühl habe, jemand starrt mich an. Ich drehe mich um und scanne den Raum mit meinem Blick. Aber ich kann nichts erkennen.

" Was is? ", will Maddie wissen. Ich zucke mit den Schultern. 

Offenbar hat Eric mich mit seinem Verfolgungswahn schon angesteckt.

---

Ich werde von einem lauten Klingeln aus dem Schlaf gerissen. Einen Moment lang denke ich, es ist die Sirene für die Initianten, aber das kann gar nicht sein. Dann denke ich für eine Schreckenssekunde, der Ton in meinem Ohren ist wieder da. 

Doch das kann es auch nicht sein, denn Eric wacht auf und scheint es auch zu hören. Er sieht zum Bettende und dann sehe ich, woher das Geräusch kommt. Es ist sein Telefon.

Er steht auf und ich erhasche einen Blick auf die Uhr an der Wand. Es ist halb fünf. Wer auch immer das ist, er hat hoffentlich einen guten Grund.

Und den scheint er zu haben. Noch im Telefonieren beginnt Eric sich anzuziehen. Ich stehe auf und gehe ihm nach. Ich frage ihn tonlos was los ist, aber er schüttelt nur den Kopf und redet weiter in sein Telefon, während er sich umständlich eine Hose anzieht.

Dann legt er auf.

" Was ist? ", frage ich endlich laut.

" Ich soll zu Max ins Büro. ", meint er knapp. Und dafür hatte er drei Minuten telefoniert. Klar. 

" Und? ", hake ich also nach. Eric rollt mit den Augen. 

" Nichts und. ", gibt er zurück. Er verheimlicht mir was.

" Du hast ewig lange telefoniert. Also verkauf mich nicht für dumm! ", ich bin mit einmal hell wach. Irgendwas muss passiert sein.

" Du kannst gerade eh nicht viel ausrichten. ", sagt er, während er sich nun ein Shirt anzieht. Was meint er damit? Was ist passiert? 

" Oh Gott, es ist was mit Tessa. ", schließe ich. Ich halte geschockt die Hand vor den Mund.

Eric sieht mich beunruhigt an und schüttelt dann vehement den Kopf.

" Nein, Tessa gehts gut. ", gibt er zurück. Ich glaube ihm nicht.

" Was ist los, verdammt nochmal? ", will ich wissen. Ich halte ihn am Arm fest.

" Ein paar Fraktionslose sind am Haupteingang und versuchen reinzukommen. Tessa ist nichts passiert. Mit ihr ist alles in Ordnung. Max will mich und die anderen Anführer sehen, damit wir uns was ausdenken können. ", erklärt er mir jetzt.

Ich bin erleichtert. Das hätte er mir gleich sagen können.

" Ich komm mit. ", sage ich. Da hält er mich lachend fest und manövriert mich schließlich zurück zum Bett.

" Genau deshalb, habe ich nichts gesagt. Du bleibst hier. Du hast eine Milzruptur, falls ich dich erinnern darf. Du gehst nirgendwohin, wo es potentiell gefährlich werden kann. ", entgegnet er.

" Was ist mit: Ferox haben keine Angst vor Auseinandersetzungen? ", will ich wissen.

" Und Ferox sind nicht doof und rennen verletzt los und behindern damit noch andere Leute. ", entgegnet er. Ich weiß nicht, was ich darauf sagen soll.

Er geht zur Tür, schlägt sie zu und dann höre ich doch tatsächlich, wie er abschließt. Ich laufe los, so schnell meine stechende Seite es zulässt und rüttel an der Tür. Auch wenn das natürlich gar nichts nützt.

Ich rufe ihn, aber er antwortet nicht. Am Liebsten will ich mich hier raustreten. Ich laufe zum Fenster, öffne es und sehe hinaus. 

Jetzt höre ich laute Stimmen und Schritte. Ich sehe hinunter zum Haupteingang. Eine ganze Traube an Fraktionslosen hat sich dort gebildet. Ich schätze, es sind Dreißig bis Vierzig Leute. 

Die Wenigen die es bis zur Tür geschafft haben, klopfen dagegen. Sie wollen reingelassen werden.

Ich bin froh das Max alle abgezogen hat, die draußen waren. 

Ich drehe mich um und beginne meine Habseeligkeiten zu durchsuchen. Ich habe Glück und finde meinen Dietrich. Die verschlossene Tür ist also kein Problem mehr. Daran hatte Eric wohl nicht gedacht.

Ich werfe mir schnell eine übergroße Wolljacke von Eric über und gehe zur Tür. Ich gehe in die Knie und fummel ein bisschen am Schloss herum. Nach ein paar Minuten höre ich endlich das Klicken des Kolbens. 

Freudig lasse ich die Tür aufschwenken. 

Ich sehe nach oben und sehe direkt in den Lauf einer Waffe. Erst denke ich, es ist tatsächlich Eric, der nur darauf gewartet hat, dass ich mich ihm widersetze. Doch es ist nicht Eric. 

Der Mann ist in den Farben verschiedener Fraktionen gekleidet. Er trägt eine dreckige dunkelrote Hose und einen dunkelblauen Kapuzenpulli. Die Kapuze hat er so tief in sein Gesicht gezogen, dass ich ihn nicht erkennen kann. Außerdem trägt er einen Schal, den er bis unter die Nase gezogen hat.

Er hebt seine freie Hand und zieht den Schal nach unten:

" Hallo Löckchen. "

Einmal Fraktionslos, Immer Fraktionslos - Die BestimmungWhere stories live. Discover now