14||verdorben

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Ich sehe sie an und frage mich; womit habe ich sie verdient?
Womit habe ich es verdient, eine solch tolle Freundin zu haben?
Womit habe ich es verdient, eine solch schöne Freundin zu haben?
Womit habe ich es verdient, ein solch besonderen Menschen an meiner Seite zu haben?
Womit habe ich es verdient, sie meins nennen zu können?

Ich sehe sie an und verliere mich.
Ich verliere mich in ihren Augen.
Ich verliere mich in ihren lächeln.
Ich verliere mich in ihrem Lachen.
Ich verliere mich in sie. Sie ist alles was ich will und brauche - abgesehen von Luft, Wasser und essen. Sie ist die Frau, die ich an meiner Seite behalten will.
Sie ist die Frau, die ich bedingungslos liebe.
Sie ist die Frau, der ich die ganze Welt zur Füßen lege.
Sie ist die Frau, der ich meinen Nachnamen geben will.
Sie ist die Frau, mit der ich mein gesamtes Leben verbringen will.
Mein Mädchen.

Ich sehe sie an und bemerke, dass ihre Hand, die mir meiner verflochten ist, zittert. Aber wieso zittert sie? Hat sie Angst vor dem Besucher, der unten wartet? Ich bin da und werde sie beschützen. Ich weiß, dass sie nicht schwach ist, aber auch sie hat eine kleine Seite. Eine verängstigte, verletzte Seite. Ihr kleines Kind. Mit einem Kuss an der Schläfe - den ich ihr, als wir unten angekommen sind gegeben habe - versichere ich ihr, dass ich da bin und sie mich nicht so schnell los wird. Sie atmet tief durch und ich auch.

Wir betreten es, das Wohnzimmer, in dem sich der Besuch aufhält. Wir betreten die Hölle und treffen auf den Teufel höchstpersönlich. „Guten Tag.", ein Mann, Mitte 20 kommt auf uns zu und hält seine Hand hin. Aber Y/N ist zu angespannt, um es zu erwidern. Sie wirkt plötzlich wie eingefroren. Als hätte man ihr einen Schalter ungelegt. Ihr ganzer Körper beginnt zu zittern und ihr gegenüber grinst sie an. Eifersucht und Wut steigt in mir aus. Und am liebsten will ich ihm das dumme Lächeln aus dem Gesicht schlagen.

Wer ist der Kerl, dass er mein Blümchen so aus der Fassung bringt? „Ryu.", haucht sie zittrig und macht einen Schritt zurück. Ryu? Der Ryu? „Wie ich sehe, hast du jemanden gefunden.", er sieht mich an und hat dieses selbstverständliche Grinsen auf seinen Lippen. Er wagt es sich, zu grinsen?
Er wagt es sich, hier herzukommen?
Er wagt es sich, vor meinem Mädchen zu stellen?
Er wagt es sich, dass Haus zu betreten?

„Ryu Kobayashi.", da Y/N sein Händedruck nicht erwidert hat, reicht er mir nun seine Hand. Mein Mädchen sieht zu Boden, klimpert mit ihren Augen. Sie hofft, es wäre ein dummer Traum. Sie hofft, der Scheißkerl würde nicht vor uns stehen. „Mikey.", erwidere ich scharf und gehe mit meinem Mädchen an ihn vorbei. Ich drücke ihre Hand und sie sieht mich an. „M-Mikey.", flüstert sie und sieht sich dabei panisch um. Mein Herz rast, wenn ich sie so sehe. Es verletzt mich, wenn sie traurig ist.

Mir ist bewusst geworden, dass das der Kerl ist, der meinem Mädchen weh getan hat.
Dass das der Kerl ist, der meinem Mädchen Leid angetan hat.
Dass das der Kerl ist, dem es egal war, dass mein Mädchen noch jung war.
Dass das der Kerl ist, der Spaß daran hatte, ihr Leben zu zerstören.
Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn ich mit ihm alleine wäre. Aber mit Sicherheit weiß ich, dass er nie wieder das Tageslicht erblicken würde.

Ich weiß es.
Ich werde ihm das geben, was er ihr gab.
Schmerzen und noch mehr schmerzen.
Fäuste und noch mehr Fäuste.
Tritte und noch mehr Tritte.
Narben und noch mehr Narben.
So lange, bis er um Vergebung oder Erlösung bettelt. Und selbst dann mache ich weiter.

„Ich bin immer noch völlig überrascht, dass du uns besuchen wolltest! Ich habe gedacht, du würdest dich freuen, Y/N.", ihre Mutter betritt den Raum, mit einem Teller, auf dem Kuchen ist. Sie hält sich die Hand vor dem Mund, als müsste sie sich gleich übergeben. Sie tut alles andere, aber sich definitiv nicht freuen. Dieser Mistkerl sorgt dafür, dass die Luft verdorben riecht. Trotzdem lächelt sie verkrampft, für ihre Mutter. „Na ja, es hat sich so ergeben. Schließlich werde ich hier studieren.", vielleicht ist es übertrieben, wenn ich sage, dass ich spüren könnte, dass Y/N's Herzschlag aussetzte. Vielleicht, weil es meins getan hat und ihres sogar mehrfach.

„Ach wie schön!", sagt ihre Mutter. Es ist alles andere als schön. Y/N muss es ihrer Mutter sagen, oder ich. Einer von uns sollte es tun. „Ja, wie schön.", betont Ryu und sieht dabei zu meinem Mädchen. Ich sehe ihn mit hasserfüllten Augen an. Ich hasse ihn.
Er soll verschwinden.
Seine bloße Existenz soll ausradiert werden.
Als hätte es ihm nie gegeben.
Ich bin mir sicher, dass sich niemanden Sorgen um ihn machen wird.
Niemand wird sich darum scheren, was aus Ryu Kobayashi wird.
Niemand.

„Liebes, willst du ein Kuchen?", fragt ihre Mutter. „Nein.. danke.", antwortet sie gepresst. Sie lehnt sich an mich und umklammert mich fest. Ich spüre seinen Blick auf mir. „Heute scheint sie wieder anhänglich zu sein, eine Erkältung ist wohl im Anflug.", Mei lacht herzlich. „Scheint so.", erwidere ich und halte mein Mädchen fest. Ich gebe ihr halt. „Hm.", ihre Mutter steht auf und hält ihre Hand an die Stirn von Y/N. „Fieber scheinst du nicht zu haben. Vielleicht solltest du ins Bett gehen und dich ausruhen, du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen."

Die Miene ihrer Mutter verzieht sich besorgt. „Dabei ging es dir vorhin noch gut.", sie seufzt und sieht sie voller Sorge an. „Tut mir leid, Mom.", entschuldigt sich mein Mädchen. Mein Herz rast und ich will ihr sagen, dass sie sich nicht entschuldigen soll, weil sie keine Schuld trägt. Schuld allein hat dieser Mistkerl. Y/N steht auf, während sie sich mit ihrer Hand ihren Kopf stützt. Ich watschele ihr hinterher, sehe ihren Körper, sobald wir die Treppen hochgehen, schlottern. Ihre Schritte sind schwer und für sie, scheint es sich alles in Zeitlupe abzuspielen.

Ihr wird der Boden unter den Füßen weggerissen. Den Boden, den sie in den letzten zwei Jahren aufgebaut hat. Tränen vergossen hat. Panikattacken überstanden hat. Schlaflose Nächte verbracht hat. Und all das, dass sie überstanden hat, schwindet unter ihren Füßen und sie fällt erneut.

𝐓𝐡𝐞 𝐬𝐡𝐢𝐧𝐞 𝐢𝐧 𝐲𝐨𝐮𝐫 𝐞𝐲𝐞𝐬Where stories live. Discover now