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Es war alles andere als einfach mit Milo mitzuhalten. Er war extrem flink, was mir kein Problem darstellte. Doch er war auch extrem kräftig geworden, womit ich schon eher zu kämpfen hatte. Unser Kampf schien das Spektakel zu sein, denn eine menge Leute versammelten sich und schauten uns zu. Wir beide waren leicht ausser Puste, doch keiner wollte aufgeben. Wann immer er einen Angriff startete, setzte ich zu einem Gegenangriff oder einer Abwehr an. Einmal dachte er, er hätte bald gewonnen, weil es ihm gelungen war, mich an einen Baum zurück zu drängen. Dadurch begann er einen klitzekleinen Fehler und ich konnte ihm entwischen.

Nun sah es für mich aber wirklich nicht gut aus. Milo hatte mich wieder zurück gedrängt und diesmal wusste ich, dass ich nicht wieder hinweg huschen konnte. Mit einem verspielten Grinsen stoppte er meine Faust in mitten der Bewegung und hielt die Hand über meinem Kopf an den Baum gedrückt fest. Bevor er aber den endgültigen Sieg erzielen konnte, wurden wir unterbrochen.

Einer der Patrouille rannte auf die Lichtung und sah alarmiert zu Daniel. Er reagierte sofort und sah zu Aiden und Elay, welche ihm folgten. Dadurch, dass wir alle diese Geste gesehen hatten, wollten wir wissen, was los war und folgten ihnen. Mein Bauchgefühl wurde immer schlechter, je mehr Schritte wir ihnen folgten.

Und tatsächlich kam nichts Gutes zum Vorschein. Einige unserer Leute hatten einen Mann gefesselt. Dieser Mann war kein geringerer, als der, der mich verfolgt hatte und zu den Hyger gehörte. Als er meine Eltern entdeckte, grinste er provokant. „Na so was. Ihr lebt ja noch.", spuckte er ihnen mit aller Abscheu entgegen und erntete dafür einen Kinnhaken vom am nächsten stehenden. „Ich wusste es. Deshalb hab ich euere reizende Tochter foltern lassen.", grinste unberührt weiter. Doch als er mich entdeckte, wurden seine Augen kurz gross.

„Du bist ja auch hier. Wie schön.", säuselte er. „Was wollen Sie hier?", fragte Daniel bedrohlich und stellte sich unauffällig zwischen ihn und mich. „Oh, na sieh Mal einer an. Der Alpha persönlich.", lenkte er von der Frage ab, was ihm nicht gelang. „Was wollen Sie?", wiederholte Daniel knurrend die Frage. „Keine Sorge, die Hybride interessieren mich nicht - für den Moment. Viel mehr bin ich überaus erfreut zu sehen, dass gleich drei Leute diese Wut in sich tragen." Knurrend funkelte ich ihn böse an, doch Milo hielt mich zurück. Seine Hand in meiner brachte mir den Boden unter den Füssen zurück. Er hatte bedenken, dass er alleine hier war und jetzt, als er mich darauf aufmerksam gemacht hatte, wusste ich, dass er Recht hatte.

Und das behielt er auch. Keine Minute später trat Linus' Mate aus den Schatten hervor. „Was er will, sollte euch nicht interessieren. Denn wenn ich mit euch fertig bin, gibt es dieses Rudel nicht mehr. Viel eher solltet ihr wissen wollen, was ich will.", führte sie sich auf, wie der Boss. Ihr Blick suchte die Menge ab, während Daniel genervt fragte, was sie denn wolle. „Sie.", sagte sie, als ihr Blick bei mir hängen blieb. „Niemals.", knurrten gleich einige gleichzeitig.

„Dann solltet ihr wissen, dass sie meinen Mate umgebracht hat und dafür will ich, dass sie bestraft wird.", forderte sie. „Du bekommst gar nichts.", mischte Milo sich ein. In seiner Stimme konnte man die Verabscheuung deutlich hören und ich konnte sie spüren. „Milo. Dich hätte ich hier nicht erwartet.", säuselte sie. „Ich dachte, du hättest dich vor lauter Seelenschmerzen umgebracht. Aber wie ich sehe, geht es dir besser als gut.", bemerkte sie unsere ineinander verschlungenen Hände. Plötzlich fing sie an, boshaft zu grinsen. 

„Dann nehme ich einfach dich mit. Dann sind wir quitt.", forderte sie erneut. „Und du denkst wirklich, dass ich mit einer Schlange, wie dir, mitgehen werde? Da bist du aber ziemlich über das Ziel hinaus geschossen, Stacey.", spuckte er ihr wütend entgegen. „Tz tz, Schätzchen. Glaubst du wirklich, du hättest eine Wahl? Sie hat Linus getötet und jetzt nehme ich halt den, den ich als erstes gehabt hätte.", schlug ihre Stimmung schlagartig von zuckersüss zu dämonenbesessen um und verklickerte ihm so, dass sie ihn nicht einmal als Ersatz akzeptieren würde. „Es reicht, ich hab genug davon.", knurrte Daniel und wollte sie gefangen nehmen, als plötzlich bewaffnete Gegner zwischen den Bäumen hervor traten und auf uns zielten.

Es waren nicht viele, doch gegen Schusswaffen waren auch wir Gestaltwandler leider machtlos. „Nimm ihn mit.", befahl sie mit einem eiskalten Grinsen einem ihrer Männern. Er packte ihn am Arm, doch Milo blieb auf Ort und Stelle stehen. Der Mann hatte keine Chance und holte einen zweiten Mann herbei. Nun packten die Männer Milo zu zweit an den Armen und wollten ihn weg ziehen. Doch er wehrte sich. Die zwei hatten immer noch keine Chance gegen ihn. „Schiess.", zischte sie einen ihrer Männer an und er schoss.

„Nein!", schrie ich erschrocken und panisch auf. Milo war am Bauch getroffen und kämpfte, um auf den Beinen zu bleiben. Nun war es den Männern ein Leichtes, ihn mit sich zu nehmen. Ich wollte ihn befreien, erntete aber einen Kugel durch meine Hand. „Verdammt, Stacey! Du mieses, widerwärtiges Biest!", schrie ich sie an, doch sie kehrte mir den Rücken zu und zeigte mir ihren Mittelfinger.

Bevor die Männer sich mit ihr zurück zogen und Daniel den Angriff startete, sah ich, wie jemand auf Stacey zu flitzte. Sie schrie auf und an ihrem Bein war eine tiefe, lange Wunde zu sehen.
Eine Handbewegung von ihr und das Gefecht ging los. Die Männer stürzten sich auf uns und und der, der auf geschossen hatte, benutzte seine leer geschossenen Waffen als Schlagstock. Wer Bitteschön nimmt auch ein Gewehr mit nur zwei Schusspatronen mit?

Ich rannte so schnell es ging auf Milo zu, übersah dafür einen der Gegner, der in mich rannte, um mich zu stoppen. Er schleuderte mich gegen einen Baum und hielt mich dort fest. „Milo!", schrie ich ihm verzweifelt nach und er blickte ebenso verzweifelt zurück zu mir. In diesem Moment flitzte dieser Jemand von vorher wieder auf Stacey zu und diesmal erkannte ich ihn als Tobias. Er stand auf seinen Hinterbeinen und holte mit seiner Bärenpfote zum Schlag aus und traf ihren Arm, trotz dass sie ihm auswich. Womit keiner gerechnet hatte, war, dass sie ein Messer bei sich trug. Sie packte es und rammte es bis zum Griff in seine Brust und zog es hinunter zu seinem Bauch.

„Nein!", schrie ich auf, befreite mich von meinem Gegner, indem ich ihm den Hals umdrehte und rannte auf ihn zu. Tobias hatte sich wieder in einen Menschen verwandelt und hielt sich mit grossen Schmerzen den Bauch. „Tiana.", keuchte er, als ich in seinem Blickfeld erschien. „Scht, scht.", versuchte ich ihn vom Reden abzuhalten. „Du schaffst das schon. Du musst, du kannst noch nicht sterben. Deine Mate wartet doch da draussen.", sprudelte es verzweifelt aus mir.
„Tiana.", wiederholte er und fasste schwach nach meiner Hand. Seine Lippen zitterten vor Anstrengung und sein Atem rasselte. „Es ist okay.", lächelte er mich schwach an.

„Nein.", wimmerte ich mit Tränen in den Augen. „Doch, ich spüre, dass es das Richtige ist. Ich werde sie dort treffen.", lächelte er schwach aber zuversichtlich. Meine Sicht verschwamm durch die Tränen. „Danke, dass du mir eine gute Freundin warst. Danke, für die interessante Zeit.", bedankte er sich mit immer schwächer werdenden Stimme. Sein Blick richtete sich nach oben in den Himmel und eine Träne schimmerte in seinem Augenwinkel. Dann atmete er das letzte Mal aus und das Licht in ihm erlosch. Mit zittriger Hand schloss ich seine Augen.

Auf einmal drängten sich die Geräusche um mich herum wieder zu mir durch und ich wurde wütend. Extrem wütend. Ich stiess einen markerschütternden Schrei aus und verwandelte mich in einen Wolf. Einer der Gegner hatte noch Munition in seiner Waffe und schoss auf mich. Eins, zwei, drei Mal und dann hörte ich, wie sein Magazin leer war. Meine rechte Schulter gleich zwei Mal und mein rechtes, hinteres Bein waren getroffen, aber das scherte mich kein bisschen. Ich riss ihm mit meinem Maul das Gewehr aus den Händen und schnitt ihm die Kehle durch.

Meine Sicht war rot vor Wut und eingeschränkt auf das, was sich mir in den Weg stellte. Ich wusste nicht mehr, was falsch und richtig war, wer Gegner oder Freund war, was gut oder böse war. Die Wut hatte meinen Körper nicht unter Kontrolle. Nein, ich liess mich von ihr leiten und verschwendete keine Gedanken daran, was ich tat. Ich liess mich vom Monster in mir leiten. Von ihm und meinem Herzen. Das letzte was ich sah, war, wie ich Milo direkt in die Augen blickte, bevor alles schwarz wurde.

Hybrid - Tochter einer halben WölfinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt