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Zwei Wochen waren vergangen und dieses Dorf, welches der alte Mann erwähnt hatte, war weit und breit nicht zu sehen. „Tiana, jetzt schalt doch mal einen Gang runter!", schrie Milo zu mir, da ich ihn sonst nicht hören konnte. Ich rannte mit voller Geschwindigkeit durch den Wald und suchte verzweifelt einem Waldrand.
Milo hatte keine Schwierigkeiten, mit mir mitzuhalten, sah aber den Sinn und Zweck nicht, die gesamte Energie zu verpulvern.

Doch ich ignorierte seinen Vorschlag und rannte einfach weiter. Milo sah, was ich vorhatte und sprang noch schneller von Baum zu Baum. Irgendwann, als er genug Vorsprung hatte, liess er sich in meinem Weg auf den Boden fallen und stand als Mensch vor mir. Als ich realisierte, dass ich Vollgas in ihn rein rennen würde, wenn ich nicht sofort abbremste, wurde ich langsamer. Dies jedoch reichte nicht und so kam es, dass ich mit allen vieren gegen den Boden drückte und versuchte zu bremsen.

Ich schlitterte weiter auf ihn zu und er bewegte sich keinen Millimeter von der Stelle. Auch nicht, als ich nur eine Handbreite endlich vor ihm zum Stillstand kam. Mein Herz, welches mir fast in die Hose gerutscht war und aufgehört hatte zu schlagen, schien den Schock überwunden zu haben und begann ganz heftig zu schlagen. Mit grossen Augen sah ich ihn geschockt an. „Ganz Ruhig.", redete er mit ruhiger Stimme auf mich ein und kraulte mich hinter dem Ohr.

Allmählich beruhigte sich mein Herzschlag tatsächlich und meine Wut, die kurz zuvor in mir aufgestiegen war, weil er mich von meinem Ziel fern halten wollte, begann sich zu verflüchtigen. „Ich will genau wie du diesen Wald erreichen.", begann er weiter zu sprechen. „Aber dass wir unsere gesamte Energie verprassen, hilft uns beiden nichts."

Da musste ich Milo recht geben, auch wenn es mir nicht gefiel. Geschlagen verwandelte ich mich ein einen Menschen und setzte mich an einen Baum gelehnt auf den Boden. „Tut mir leid, ich weiss nicht, was in mich gefahren ist.", entschuldigte ich mich bei ihm. „Schon gut. Mir gehts auch so, aber dadurch finden wir den Wald nicht schneller.", lächelte er mich sanft an und streckte mir seine Hand hin.

Fragend schaute ich ihn an, doch er grinste nur. „Komm, mein Bauchgefühl sagt, dass wir nicht mehr weit sind."
Mit neuer Motivation griff ich nach seiner Hand und liess mich von ihm hoch ziehen. „Was sagt dein Bauchgefühl sonst noch?", grinste ich ihn auffordernd an. „Eine Menge.", meinte er bloss und sein Magen begann zu knurren. „Doch im Augenblick sagt er mir, dass ich was essen sollte.",

Meine Anspannung von vorher wich vollends von mir und ich musste lachen, als er überrascht von seinem Bauch hochblickte. Wir liefen noch zwei Kilometer, bevor meine Sinne begannen mich zu täuschen.
„Mann, ich hab schon solchen Hunger, dass ich plötzlich Braten rieche.", unterbrach ich die Stille und hatte Mühe, dass ich nicht gleich zu sabbern begann.

„Du riechst ihn also auch?", fragte Milo mich. Überrascht blickten wir uns an und keine zehn Meter weiter begann der Wald sich zu lichten und das erste Haus kam zum Vorschein. Freudig blickten wir uns entgegen und fielen uns in die Arme. „Endlich raus aus dem Wald.", entwich es mir und er pflichtete mir nickend bei.

Nebeneinander liefen wir die Strasse entlang, welche sich zwischen den Häusern breit machte. Auf einmal blieb er stehen und deutete auf ein Haus, bei welchem geschrieben stand, dass noch freie Zimmer verfügbar wären. Schnellen Schrittes gingen wir auf die Tür zu und als Milo nach der Klinke greifen wollte, wurde sie aufgerissen.
Ein betrunkener Mann torkelte hinaus, nicht ohne dabei den Türrahmen zu rammen und torkelte weiter, die Strasse entlang.

Milo öffnete die Tür und ein stickiger Geruch kam uns entgegen. „Ich sagte, du sollst nach Hause gehen!", rief eine zierliche, ältere Frau hinter dem Tresen, ohne den Kopf in unsere Richtung zu drehen. Als die Tür nicht erneut aufging und Milo sich räusperte, fuhr sie herum und ein freundliches Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, als sie sah, dass wir nicht der betrunkene Mann waren.

„Hallo ihr zwei Süssen. Wie kann ich euch behilflich sein?", begrüsste sie uns. „Wir hätten gerne zwei Zimmer.", meldete ich mich zu Wort.
Die Frau musterte uns ausgiebig, was mich automatisch ein bisschen näher zu Milo aufschliessen liess, und nickte darauf. Sie schaute kurz in ihrem Computer nach und schaute wieder zu uns. „Ich habe noch ein Zimmer zur verfügung. Wie lange wollt ihr bleiben?", kramte sie einen Schlüssel hervor und legte ihn auf den Tresen.

„Nur ein Zimmer?", entwich es mir überrascht und die Frau musterte uns wieder. „Ja klar. Wir lassen Pärchen nicht getrennt schlafen.", zwinkerte sie mir zu und ich wollte protestieren. Doch Milo kam mir zuvor und griff nach dem Schlüssel. „Wir bleiben eine, vielleicht zwei Nächte."
Die Frau musterte mich noch immer argwöhnisch, doch als Milo einen Arm um mich legte und ich ihn nicht abschüttelte, hellte sich ihre Miene auf und sie lächelte wieder.

„Dann wünsch ich euch einen schönen Aufenthalt. Ach und seid gewarnt, die Wände sind dünn.", zwinkerte sie noch einmal, bevor Milo mich mit sich zog und ich so keine Chance hatte, noch was zu erwidern.

Endlich auf dem Zimmer, liess er mich los und drehte sich zu mir. Nicht darauf gefasst, dass ich ihn wütend anstarrte. „Was?", fragte er unschuldig und zugleich neckend.
„Wieso hast du zugelassen, dass sie uns als Pärchen sieht?", zischte ich ihn an.
Er zuckte lässig mit den Schultern und setzte sich auf die Bettkante.

„Weil sie uns ansonsten wahrscheinlich kein Zimmer gegeben hätte. Und mir macht das nichts aus."
„Was? Wieso nicht?", rutschte es verblüfft aus mir raus.
„Hast du dich in letzter Zeit mal richtig betrachtet?", stellte er mir eine Gegenfrage und ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich hatte mich viel zu selten in einen Menschen verwandelt. Erst seit ich mit dir unterwegs bin, verwandle ich mich regelmässig.", sank ich meinen Blick zu Boden.

„Dann komm.", griff er nach meiner Hand und zog mich vor den Spiegel, der an der Wand neben der Tür hing.
„Und jetzt sag mir, was du siehst.", forderte er mich auf.
„Eine durchschnittlich aussehende junge Frau.", antwortete ich schnell und wollte mich schon abwenden.
„Nein. Sie genau hin.", packte er mich an den Schultern und sah mir mit seinen fast schwarzen Augen, welche magisch glitzerten, entgegen.

Sobald ich mich von seinem Blick abwenden konnte, betrachtete ich mich ganz genau im Spiegel. Mir blickten diese schokoladenbraunen Augen entgegen, welche ich von meinem Vater hatte. Die dichten, langen Wimpern umspielten sie verführerisch. Die feine Stupsnase fügte sich perfekt in mein Gesicht und nahm nicht zu viel Platz weg. Die rosigen Lippen passten gut zu meinen karamellfarbenen Teint.
Doch besonders hübsch fand ich mich deswegen nicht. Ich sah ganz durchschnittlich aus.

„Du siehst es nicht oder?", flüsterte er an mein Ohr. Ich schüttelte bloss den Kopf, da ich noch angestrengt danach suchte. „Es ist nicht die Farbe deiner Augen, sondern das Leuchten, welches du darin hast. Trotz dass du keine leichten Jahre hinter dir hast, leuchten deine Augen voller Lebensfreude und Wärme. Dass deine Wimpern sie verführerisch umspielen ist bloss ein Bonus. Dein Teint passt wie angegossen zu dir und deine süsse Stupsnase ist perfekt. Und deine dunkelbraunen, gewellten Haare umschmeicheln dein Gesicht."

Während er das sagte, versuchte ich es im Spiegel zu sehen, aber irgendwie wollte es mir nicht gelingen. Deshalb drehte ich mich zu ihm um, um ihn skeptisch anzusehen, doch er stand mir näher, als mir bewusst war und lächelte mich an, während er mir tief in die Augen blickte.

Sein laut knurrender Magen riss uns aus diesem Moment und wir beide mussten lachen. „Komm, gehen wir was essen.", hielt er mir die Hand hin und zwinkerte mir zu.
Augenrollend grinste ich und legte meine in seine, während wir uns auf den Weg nach unten begaben.

Hybrid - Tochter einer halben WölfinWhere stories live. Discover now