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Hustend wachte ich auf und versuchte panisch Luft zu kriegen. Mir schmerzte alles und als ich versuchte mich aufzusetzen und mein linkes Knie bewegte, entriss es mir einen Schmerzensschrei.

„Bleib liegen.", befahl mir jemand und drückte mich zurück auf den Boden. Langsam klärte sich mein Blick und ich erkannte Aiden, Sam, Tobias und sogar Pearl, die sich sorgenvoll neben mich gekniet hatten. „Dir geht es besser?", versuchte ich mit kratzender Stimme zu fragen. Bevor sie antworten konnte, meldete Aiden sich zu Wort.

„Du liegst seit zwölf Stunden hier und dein Heilungsprozess schreitet langsam voran. Schnittwunden heilen schneller als innere Verletzungen oder eine Kniescheibe." Langsam legte ich meinen Kopf wieder auf den Boden und die Erinnerungen kamen wieder zurück. Seufzend rieb ich meinen pochenden Kopf und versuchte es wegzudrängen.

„Was haben die mit dir gemacht?", fragte Tobias. „Ich..", begann ich, wurde aber von meinem eigenen Husten unterbrochen. Sobald ich mich beruhigt hatte, begann ich zu erzählen. Und zwar alles. Angefangen bei dem Kerl, der mich hinbrachte, der junge Mann, der mit dem Hammer auf mein Knie einschlug, als ich nicht wusste, von wem er sprach, bis hin zu der Frage über meinen Vater und jeder Ohrfeige.

„Ach du scheisse..", rutschte es erschrocken aus Pearls Mund. „Aber du hast doch gesagt, dass dein Vater tot ist.", meldete sich nun auch Sam zu Wort. Er war nicht ganz anwesend, zu sehr versuchte er den Sinn hinter dieser Sache zu erkennen. „Ja.", zögerte ich mit meiner Antwort.

Ich war mir nicht mehr sicher, was ich glauben sollte. Ja, ich hatte meinen Vater gesehen, wie er schwer verletzt am Boden lag und der Gegner sich auf ihn stürzte. Aber war er wirklich gestorben? Ich wusste schliesslich nicht, was danach geschehen war. Und diese eine Frage des jungen Mannes erschütterte meinen ganzen Glauben, der letzten drei Jahre.

„Du bist dir nicht sicher?", überraschte es Aiden. „Nunja..", suchte ich nach den richtigen Worten. „Ich dachte die ganzen Jahre, dass er gestorben ist. Er und meine Mutter. Doch habe ich den Tod selbst nie gesehen, ich sah nur, wie er schwer verletzt am Boden lag, meine Mutter verletzt wurde und die Gegner sich über ihn hermachen wollten."

Danach war es für eine Weile still und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. „Das heisst, er könnte noch am Leben sein und dieser junge Mann will wissen, wo er ist.", sprach Tobias es für alle laut aus und ich nickte. Ich selbst konnte im Moment keinen klaren Gedanken fassen. All die Jahre hatte ich geglaubt, dass sie tot waren und hatte darunter gelitten.

Wenn ich jetzt an dem Glauben festhielt, dass sie noch am Leben waren und es sich als Lüge herausstellte, dann könnte ich es nicht verkraften. Dann stände ich wieder am Anfang und diesmal käme ich noch schwieriger wieder von meinem Trauma weg. Das einzige, was mir bisher geholfen hatte, war Milo. Kaum hatte ich an ihn gedacht, blieben meine Gedanken an ihm hängen.

Vor meinem inneren Auge spielten sich verschiedene Momente mit ihm ab. Seine Augen, wie sie geheimnisvoll leuchteten, wie er mich angrinste und natürlich unser Kuss.

„Hallo. Erde an Tiana.", fuchtelte Tobias mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum und riss mich aus meinen Gedanken. Fragend sah ich ihn an und bemerkte, dass mich jeder anstarrte. „Es muss ein schöner Gedanke gewesen sein, wenn du zu sabbern beginnst.", grinste Pearl mich an und ich spürte, wie meine Wangen begannen zu glühen.

„Aiden hat dich gefragt, ob du dein Knie schon wieder etwas bewegen kannst.", sprach nun wieder Tobias.
Fragend sah ich zu Aiden. „Dir scheint es schon etwas besser zu gehen. Du hustest nicht mehr, dein Atem geht regelmässig und deine Hautfarbe ist wieder normal, was darauf hinweist, dass deine innere Verletzung geheilt ist."

Als er dies sagte und auffordernd auf mein Knie zeigte, versuchte ich es zu bewegen. Ein kleines bisschen konnte ich es biegen, doch auch nur unter grossen Schmerzen. Ich biss mir auf die Zähne und zog Luft dazwischen durch. „Das braucht noch etwas. Ruh dich aus.", legte er mir Kraft gebend eine Hand auf die Schulter, bevor er aufstand und in den anderen Raum ging, um mir etwas Ruhe zu gönnen.

Tobias folgte ihm sofort und Sam blickte noch kurz sorgenvoll in meine Augen, bevor er mir ebenfalls etwas Ruhe gönnte. Doch ich war nicht müde.
Egal, wie fest ich versuchte, in den Schlaf zu sinken, es wollte einfach nicht klappen.

„Wieso willst du nicht, dass die anderen wissen, wer dein Mate ist?", flüsterte ich in die Stille, als ich es mit dem Schlaf aufgegeben hatte. Lange bekam ich keine Antwort und ich dachte schon, sie wäre eingeschlafen. „Woher weisst du, dass es an mir liegt?", startete sie eine Gegenfrage.

„Weil ich weiss, dass er alles für dich machen würde. Und wenn du eben dies willst, dann hält er es für dich geheim, auch wenn er es am liebsten laut heraus posaunen würde. So sind Gentlemen nun mal.", lächelte ich, als ich meinen Kopf zu ihr drehte. Sie lächelte zurück und legte sich neben mich. „Wie aufmerksam.", gluckste sie.

„Also?", hakte ich nach, als sie nicht darauf antwortete. Sie atmete tief ein und seufzte, bevor sie mir antwortete. „Ich habe Angst, dass die Leute mich an seiner Seite nicht akzeptieren. Und diese Situation will ich ihm ersparen.", flüsterte sie leise, sodass nur ich sie hören konnte. „Du weisst schon, dass dies absoluter Schwachsinn ist?", stellte ich eher klar, als zu fragen.

Überrascht blickte sie zu mir und nun seufzte ich, weil ich ihr erklären musste, dass sie sich umsonst Sorgen machte. „Erstens, wird es niemand wagen, dir auch nur ansatzweise schräge Blicke zuzuwerfen. Zweitens, wirst du hier mittlerweile sehr gut akzeptiert. Die Leute brauchten einfach ihre Zeit, um damit umzugehen. Drittens, ist es doch scheissegal, was andere denken. Und viertens, würde er sich bestimmt riesig freuen, wenn du endlich zu ihm stehst."

„Danke für deine Worte.", lächelte sie und ich sah ein Glitzern in ihren Augen. „Pearl, es tut mir leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten.", fühlte ich mich sofort unwohl. „Nein, alles gut. Du hast das bloss so wunderschön gesagt.", hauchte sie in die Stille und wischte sich ihre nasse Wange trocken.

Dann rutschte sie etwas näher an mich, fasste nach meiner Hand und drückte sie. Als ich den Druck erwiderte, lächelten wir uns an. „Danke, dass du mir eine super Freundin bist.", bedanke sie sich bei mir und liess mein Herz etwas schneller schlagen. „Nein, Pearl, ich danke dir.", lächelte ich sie noch immer an.

Ganz egal, wie schlimm die Situation auch war, in diesem Moment war ich einfach nur glücklich. Und ohne es zu merken, fiel ich wieder in den Schlaf, da mich die Müdigkeit plötzlich doch eingeholt hatte. Diese Nacht war endlich eine, in der ich ausnahmsweise wieder einmal ruhig schlafen konnte.

Hybrid - Tochter einer halben WölfinWhere stories live. Discover now