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Hinter uns hörte ich, ein schwerfälliges Atmen und ein Stock, der bei jedem Schritt erklang. Ein Blick zur Ursache, liess mich versteifen, was Milo nicht entging und blickte ebenfalls zurück.
Mein Opa kam auf uns zugelaufen.

„Dein Temperament hast du wohl von mir geerbt. Schwer wieder zu beruhigen, nur wenige haben das bei mir geschafft.", blickte er mich an. „Und er ist einer dieser wenigen Leute.", trotzte ich stur seinem Blick und verteidigte Milo. Nach minutenlangem Starren seufzte er und gab nach. „Ja, wie ich sehe, hast du recht.", gab er klein bei und sah sich Milo genauer an.

Dieser fühlte sich unter solch strengem Blick sichtlich unwohl und als mein Opa unsere schon wieder ineinander liegenden Hände fiel, wollte er mich loslassen, doch ich schloss meine fester um seine und liess es nicht zu. Der Druck an seiner Hand gab ihm ein kleines bisschen Kraft und ich spürte, wie er sich leicht entspannte.

„Du scheinst ihr wichtig zu sein.", murmelte mein Opa vor sich hin. „Ach was soll's. Kommt, der Kaffee ist noch voll.", schob er seine Vorurteile beiseite und lief wieder zurück zum Haus. Fragend sah ich zu Milo, welcher nochmals kurz meine Hand drückte, bevor er sie los liess und nickte.
Also folgten wir ihm wieder und setzten uns auf unsere vorherigen Plätze.

„Ich wuchs in einem Rudel auf, in welchem nur Wölfe lebten und die überzogen davon waren, dass nur sie die besten waren. Alle anderen Gestaltwandler wären unter ihrer Würde. Damals war es schwer für mich, da ich nicht deren Meinung war und unbedingt jemanden kennen lernen wollte, der eine andere Gestalt war. Doch die mieden alle unser Rudel. Dann kam ich hierher, weil meine Mate hier lebte, in der Hoffnung, es wäre anders. Doch auch hier war der Alpha ein Kotzbrocken. Mit der Zeit hatte ich mich daran gewöhnt, nur von Wölfen umgeben zu sein und vergass mein einstiger Traum."

„Soll das eine Entschuldigung sein?", fragte ich ihn nach einem Moment des ruhen lassen. „Nein, keines Falls.", grinste mein Opa. „Ich will nur, dass ihr wisst, dass das hier neu für mich ist." „Ich verstehe, Sir.", sagte Milo der Höflichkeit zuliebe, entspannte sich aber kein bisschen.
„Was hatte mein Papa dir erzählt, als er wieder aus dem Wald kam?", lenkte ich die Aufmerksamkeit auf mich und somit weg von Milo, bei welchem ein kleines, dankbares Lächeln übers Gesicht huschte.

„Er und seine Mate, Clarissa, hatten vor ihr eigenes Leben, weit ab von diesem Dorf, zu gestalten. Sie wollten einen Neuanfang. Damals war sie im siebten Monat schwanger mit dir und sie beide waren so glücklich. Er meinte, dass er seine Freunde vermissen würde, sie jedoch irgendwie in Kontakt bleiben würden. Ich hatte mich lange gefragt, welche Freunde er meinte. Erst nach etlichen Jahren schlussfolgerte ich, dass es wohl etwas mit dem Wald zu tun hatte, aber ich hatte mich nie getraut hinein zu gehen und werde es auch nicht tun. Jetzt bin ich sowieso viel zu alt dafür.", erzählte er davon und war kaum noch zu stoppen. Es schien so, als wollte er sich alles von der Seele reden, was er so viele Jahre für sich behalten hatte. Hoffte ich jedenfalls.

„Hast du jemals jemandem davon erzählt?", fragte ich in der Hoffnung, dass er nein sagen würde. „Nein. Die hätten mir sowieso nicht geglaubt.", antwortete er und mir fiel ein grosser Stein vom Herzen. Ich wusste nicht wieso, aber dieser Wald war extrem wichtig für mich geworden. Auch wenn ich noch nie da gewesen war, fühlte es sich an, als würde ich nach Hause kommen.

Danach konnte man seinen Redefluss nicht mehr stoppen und er erzählte von meinem Vater, wie er als Kind so war und welchen Stuss er mit seinem besten Freund getan hatten.
Er erzählte so lange, bis es zu spät wurde, um noch zum Wald aufzubrechen. „Ihr könnt gerne hier schlafen, aber ich besitze leider kein weiteres Bett, als mein eigenes.", bot er uns an. „Das ist lieb, danke.", nahm ich das Angebot an. „Wir brauchen kein Bett, das Sofa genügt uns."

Danach ging alles recht schnell. Wir assen etwas zu Abend und bereiteten das Sofa zu, da es draussen schon dunkel wurde. Nie und nimmer hätte ich gedacht, dass ein Tag, nur vom schwatzen, so schnell vorbei gehen kann!

„Du kannst das Sofa nehmen, dann schlafe ich auf dem Boden.", bestimmte Milo, als wir uns die Zähne putzten.
„Nein, ganz bestimmt nicht. Du nimmst das Sofa und ich schlafe auf dem Boden.", widersprach ich ihm, sobald ich meinen Mund gespült hatte.
„Tiana. Nimm das Sofa.", versuchte er mir einzureden, doch es gelang ihm nicht, da ich mir schon fest vorgenommen hatte, dass dies sein Platz war.

Neben dem Sofa hatten wir notbedürftig eine Luftmatratze aufgestellt, welche verstaubt und schon lange nicht mehr gebraucht im Keller gelegen hatte. Schnell liess ich mich auf sie plumpsen, was nicht meine beste Idee war. So alt wie sie war, hielt sie solche Strapazen nicht mehr aus, riss an einer Naht und verlor ziemlich schnell Luft. „Das hast du meisterhaft gelöst.", grinste Milo mich an und half mir aufzustehen. „Tja, so bin ich eben.", zuckte ich grinsend mit den Schultern.

Schnell schubste ich Milo aufs Sofa und sagte, „Dein Platz.", bevor ich mich in einen Wolf verwandelte und es mir auf dem Boden gemütlich machte. Er seufzte geschlagen und warf mir einen gespielt bösen Blick zu, welchen ich gekonnt mit gefletschten Zähnen zunichte machte. Milo grinste und kraulte mich hinter den Ohren. Kurz leckte ich mit der Zunge einmal über seinen Arm, um ihm gute Nacht zu wünschen, bevor ich meinen Kopf auf meine Vorderpfoten bettete.

Kaum schloss ich die Augen, zog es mich schon ins Traumland. Doch bevor dies gänzlich geschah, bekam ich noch mit, wie Milo vom Sofa runter kam und sich in Menschengestalt an meine Seite kuschelte.

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Mal wieder schrak ich mit rasendem Herzen aus meinem Albtraum hoch. Knurrend stand ich im Wohnzimmer und sah, wie Milo auf mich zugestürmt kam, während mein Opa sich vor Schreck fast in die Hose gemacht hatte.
Milo legte seine Arme um mich und flüsterte beruhigend in mein Ohr, während er sanft mit der Hand durch mein Fell fuhr. Schnell fing ich an, mich zu beruhigen, bis ich mich in einen Menschen verwandelte und mit hängendem Kopf auf dem Boden kniete.

Milo drückte mich an sich und flüsterte noch immer beruhigend auf mich ein. Endlich hatte ich mich davon erholt und legte meine Arme um ihn. Ich wusste nicht, wie ich diesen Traum ohne ihn jemals hinter mir lassen konnte. Seit er bei mir war, erholte ich mich immer schneller von dem Schrecken und gestern blieb der Traum sogar ganz aus. Ich hatte so gehofft, dass er nie wieder vorkommen würde, aber da hatte ich eine zu grosse Portion Hoffnung geschöpft.

„Danke.", murmelte ich an seine Brust und schmiegte mich ein wenig an ihn. „Keine Ursache.", brummte er zurück und drückte mich noch etwas mehr an sich, bevor er sich von mir löste und mich anschaute. „Ich weiss, ich hatte es auch gehofft.", sagte er, als hätte er mein Anliegen in meinen Augen gelesen. „Aber das kommt schon noch. Wir sind auf dem richtigen Weg.", ermutigte er mich und zwinkerte mir zu.

Hinter uns räusperte sich jemand, der die Situation genauestens beobachtet hatte und sich nun von seinem Schrecken erholt hatte. Wir lösten uns voneinander und er half mir auf die Beine, bevor wir zu ihm an den Tisch sassen. „Ich glaub ich muss mich wirklich bei dir entschuldigen, Milo.", sprach mein Opa und sah Milo das erste Mal richtig in die Augen und benutzte sogar seinen Namen. „Es tut mir leid, dass ich dich als Schwächling gesehen habe. Aber das was du gerade getan hast, benötigt eine Menge an Mut und Kraft. Jetzt kann ich meine Enkelin guten Gewissens mit dir weitergehen lassen."

Mir klappte mein Kinn runter, als ich dies sah, denn nie und nimmer hätte ich geglaubt, dass solch ein Sturkopf sich aufrichtig entschuldigen würde.
Milo nickte anerkennend und bedankte sich. Danach assen wir schweigend das Frühstück, bevor wir auch schon zum Wald aufbrachen.

Hybrid - Tochter einer halben WölfinWhere stories live. Discover now