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Immer wieder schrak ich schweissgebadet und ausser Atem hoch. Ein Blick auf meinen Wecker verriet mir jedes Mal, dass ich bloss etwa eine halbe Stunde geschlafen hatte. Als mich endlich ein heftiges Klopfen an der Tür davon erlöste, war ich kein Bisschen ausgeruht. Ich wusste schon so, dass ich riesige Augenringe hatte und bestimmt aussah wie eine Vogelscheuche.

Als ich die Tür öffnete, stand Caroline vor mir. Als sie meine Augenringe sah, wurde ihr Blick etwas weicher und mitleidiger. „Caroline. Wie.. was..", versuchte ich eine Frage zu stellen, brach ab, versuchte es anders und brach aber wieder ab, da ich es nicht schaffte, die Frage über meine Lippen zu bringen. „Er ist stabil.", sagte sie schnell, was mich erleichtert aufatmen liess.

„Sein Verletzung wird ihn jedoch noch einige Tage ans Bett gefesselt halten. Seine Rippen wurden durch den Biss gebrochen, was nicht das Schlimmste ist. Der Biss ging so tief, dass seine Lunge völlig aufgerissen wurde. Dank unseres Gens heilt sie wieder zusammen, braucht jedoch seine Zeit, weshalb er sich nicht zu sehr bewegen darf.", erklärte sie mir sachlich, als sie meinem fragenden Blick entgegnete.

Sie musste mir den Schrecken ins Gesicht geschrieben gesehen haben, denn sie legte tröstend ihre Hand auf meine Schulter und drückte sie sanft. „Wenn du willst, kannst du ihn in einer Stunde besuchen gehen, bis dahin muss ich jedoch noch einige Verbände wechseln.", schlug sie mir vor und ich nickte dankbar. „Er ist im Zimmer 5. Ach und diese Salbe solltest du auf deine Wunde streichen.", drückte sie mir etwas in die Hand, lächelte mich kurz an, bevor sie ging und ich ihr nachschaute bis sie um die Ecke verschwand.

Erleichtert, dass er es überlebte, ging ich ins Badezimmer und stellte mich vor den Spiegel. Ich sah wirklich so schrecklich aus, wie ich mich fühlte. Tiefe, dunkle Augenringe stachen heraus und meine Hautfarbe war für meine Verhältnisse bleich. Schnell stellte ich mich unter die Dusche und liess das Wasser meine Haut durchweichen. Nach einer halben Stunde stieg ich aus der Dusche, bevor ich noch Schwimmhäute bekommen würde.

Schnell trocknete ich mich ab und merkte erst jetzt wieder, dass meine Hand schmerzte. Ohne meine Hand zu schonen, rubbelte ich meine Haare so gut es ging trocken, was mir doch Tränen in die Augen jagte. Danach begutachtete ich die Salbe, die Caroline mir in die Hand gedrückt hatte und fragte mich, woher zum Teufel sie das wusste. Ich zuckte einmal kurz mit den Schultern und begann meine Verletzung damit einzucremen.

Fast hätte ich aufgeschrien, da ich auf das heftige Brennen nicht vorbereitet war. Ich spürte so richtig, wie meine Wunde desinfiziert wurde. Und sobald das Brennen nach liess, sah ich, dass meine Wunden besser heilten. Die Knochen jedoch brauchten noch etwas Zeit und somit hatte ich mit den Schmerzen zu leben. Was mir in diesem Moment irgendwie total egal war.

Nervös und mit gemischten Gefühlen ging ich den Flur entlang, in Richtung Zimmer 5. „Tiana!", rief Caroline mir zu und erschreckte mich gewaltig. „Oh entschuldige, das wollte ich nicht.", lächelte sie mich an. „Kannst du mir bitte das hier gleich mitnehmen? Er soll genug trinken.", hielt sie mir eine Glaskaraffe mit Wasser gefüllt hin und ich nahm sie nickend entgegen. „Er hat übrigens schon nach dir gefragt.", zwinkerte sie mir zu, bevor sie davon eilte.

Meine gemischten Gefühle blieben, doch die Freude drängte sich in den Vordergrund. Mit heftigem Herzklopfen blieb ich kurz vor der Tür stehen, bevor ich sie öffnete. Doch ich wünschte, ich hätte es nicht getan.

Drinnen erblickte ich Milo, der auf dem Bett lag. Aber er war nicht alleine. Auf ihm drauf sass Christina, die Milos Hände festhielt und gerade ihren Mund auf den seinen drückte! Da sie mir die Sicht auf Milos Augen versperrte, wusste ich nicht, was er davon hielt. Aber dieser Anblick zerriss mir das Herz! Geschockt stand ich bestimmt zwei Sekunden wie versteinert mit offenem Mund da und betrachtete das Szenario.

Dann überwallte mich mein innerer Schmerz und die Kraft wich aus mir. Die Karaffe fiel mir aus der Hand und zersplitterte geräuschvoll auf dem Boden. Christina schrak von ihm weg und beide sahen zu mir. Durch die Tränen in meinen Augen konnte ich die Gesichtsausdrücke nicht mehr erkennen. Endlich gelang es mir, meine Beine zu bewegen und ich rannte los. Hinter mir hörte ich, wie Milo meinen Namen rief, doch ich ignorierte es und floh.

Weinend rannte ich durch die Gegend, bis ich mich irgendwo hin setzte, meinen Kopf in meinen Armen versteckte, die ich um meine Beine schlang und versuchte den ganzen Schmerz aus mir raus zu weinen. Irgendwann versiegten die Tränen, da ich gefühlt keine Flüssigkeit mehr in mir hatte, doch der Schmerz blieb hartnäckig und stärker als zuvor.

Ich fühlte mich wie jemand, dessen Herz heraus gerissen wurde. Eine leere, ausgesaugte Hülle. Nach einer gefühlten Ewigkeit hob ich meinen Kopf und sah mich um. Ich hatte mich doch tatsächlich in die Kapelle geflüchtet und mich in einer kleinen Nische verkrochen. Vorsichtig kroch ich hervor und war erleichtert, als niemand zu sehen war.

Mein Blick blieb an den Bildern von meinen Eltern hängen, welchen ich mich nun näherte. Mein Griff ging wie automatisch zu meiner Kette, die ich seit der Flucht nie abgelegt hatte, ausser um sie Milo zu zeigen. Sofort drangen sich wieder Tränen in meine Augen, was mich überraschte. Ich hatte doch noch nicht alles ausgeweint. „Wie gerne ich jetzt mit euch sprechen würde. Ich vermiss euch so sehr.", flüsterte ich den Bildern zu, mir bewusst, dass sie mich nicht wirklich hören konnten. „Es ist viel passiert, seit ihr nicht mehr da seid. Naja eigentlich erst seit Milo..", redete ich weiter, doch bei Milos Erwähnung brach ich wieder in Tränen aus. „Ich könnte einen guten Rat gebrauchen.", schniefte ich.

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür und ich wischte so schnell es ging meine Tränen weg. Rhianna kam rein und lächelte mich an, als sie mich entdeckte. „Ich wusste, du würdest hier sein, als du nicht bei Milo oder am See warst.", begann sie zu sprechen und ich hatte grösste Mühe, nicht wieder sofort in Tränen auszubrechen. „Mein Mann ist bereit für dein Training."

Ich nickte und sah nochmals kurz zu den Bildern meiner Eltern, bevor ich mich ihr näherte. Erst jetzt sah sie, dass ich geweint hatte und wahrscheinlich schrecklich aussah. „Ist alles in Ordnung?", fragte sie mich besorgt und legte sanft eine Hand auf meine Schulter. Nun blickte ich in ihr Gesicht und sah echte Sorge darin, was meine Tränen wieder hervorbrachte. Mann, bin ich ne Heulsuse.. „Nein.", antwortete ich ihr ehrlich. „Bring mich bitte zu meinem Training." Sie sah mich skeptisch an, nickte jedoch und führte mich aus der Kapelle, hin zu einem Platz, auf welchem zwei Männer auf mich warteten.

Hybrid - Tochter einer halben WölfinWhere stories live. Discover now