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Das Schnurren des Motors holte mich langsam wieder in die Gegenwart zurück. Vorsichtig öffnete ich die Augen und sah, dass ich an Sams Seite gelehnt war. Kaum hatte ich den Kopf ein kleines bisschen bewegt, spürte ich ich einen Blick auf mir.

Ich drehte den Kopf nach oben und sah, wie Sam mich beobachtete. Ein kurzes, kleines Lächeln huschte ihm übers Gesicht, bevor ich vor Schmerzen ächzte, weil ich mich aufsetzen wollte. Er half mir dabei, sagte aber kein Wort. Auch das Lächeln war wieder verschwunden, was mich nicht wunderte. Er lächelte selten bis gar nicht - hatte ich von anderen gehört.

Pearl, die auf dem Beifahrersitz sass, blickte kurz nach hinten und lächelte entschuldigend. Aiden blickte stur gerade aus, da er sich auf die dicht benebelte Strasse konzentrieren musste. Na toll. Es hatte aufgehört zu regnen, dafür sah man fast die Hand vor dem Gesicht nicht mehr, weil der Nebel so dicht war.

„Es tut mir leid.", murmelte ich eine Entschuldigung, die alle hörten. „Nein, mir tut es leid.", entschuldigte Aiden sich, ohne den Blick von der Strasse zu wenden. „Ich hätte dir davon erzählen sollen." Danach war wieder Stille angesagt. Ich hatte meinen Blick weit in die Ferne gerichtet und sank in einen Tagtraum.

„Komm schon, noch vier Mal.", spornte mein Papa mich an. Ich war etwa zwölf Jahre alt und wurde schon hart trainiert. „Papa, ich kann nicht mehr.", keuchte ich schwer atmend. Meine Beine und Arme brannten wie die Hölle und jede meiner Muskeln zitterten, wenn ich gebrauch davon machte. „Doch, du schaffst das.", feuerte er mich an. „Nein.", presste ich knapp aus mir raus.

„Sie mich an.", forderte er mich auf und ich tat wie geheissen. Sein Blick fesselte den meinen und er sah mich eindringlich an. „Du kannst das, Tiana. Das und noch vieles mehr. Vergiss nie, dass du alles erreichen kannst, wenn du nur fest genug daran glaubst." Diese Worte hatten mich so berührt, dass sich eine Gänsehaut über meinen Körper zog. Ihm zu liebe, biss ich auf die Zähne und zog die Übung bis zum Schluss durch.

„Na, sag ich doch. Ich wusste, dass du es schaffst.", freute er sich. Schwer atmend kniete ich auf dem Boden und lächelte über den Triumph, den ich gerade hatte. Mein Vater zog mich hoch und schloss mich fest in seine Arme. „Denk immer an diese Worte, wenn du mal nicht weiter weisst."

Ein trauriges Lächeln huschte über mein Gesicht, als ich wieder in die Gegenwart kam. Mein Körper schmerzte noch immer von meinem Wutausbruch, was ich so gut es ging zu ignorieren versuchte. Der Wagen wurde langsamer und ich sah, dass wir wieder bei den anderen angekommen waren. Den dichten Nebel hatten wir hinter uns gelassen und nun schien zwischendurch sogar die Sonne hinter den Wolken hervor.

Langsam rollte er auf den Kiesplatz zu den anderen Autos, bevor er den Motor abstellte und noch kurz sitzen blieb. „Kein Wort davon zu den anderen.", sah er uns alle an und stieg dann aus dem Auto. Von drinnen sah ich, wie er auf die anderen zu ging und sie begrüsste. Es waren bloss zwei hier, was hiess, dass die anderen noch jagen waren.

Um nicht noch länger im Auto zu sitzen, stieg ich aus und entfernte mich etwas von den Leuten. Es war mir unangenehm, unter ihnen zu sein, so lange ich mich nicht im Griff hatte. Ohne Umschweife begann ich mich unter Schmerzen aufzuwärmen, um mein Training fort zu führen.

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Eine Stunde später trudelten die einzelnen Grüppchen nacheinander wieder ein. Sie hatten einen guten Lauf und einiges an Wild mitgebracht, was sofort fein säuberlich verstaut wurde. Ich war noch immer mitten in meinen Übungen, welche ich strikte durchzog, auch wenn es mein Körper nicht wirklich zulassen wollte.

Zum Schluss setzte ich mich hin und meditierte noch, um meinen Geist zu befreien. Aber es wollte mir nicht richtig gelingen, weil da wie eine Blockade war. Verzweifelt seufzte ich auf, als sich jemand neben mich ins Gras setzte. „Du musst dich von deiner Angst lösen.", hörte ich Sams Stimme neben mir. Verwundert drehte ich meinen Kopf zu ihm und blickte ihm entgegen.

„Deine Angst vor dir selbst.", sprach er weiter. „Lass das. Ich hatte keine Angst vor dir und das solltest du auch nicht. Wenn du dich davon nicht lösen kannst, dann zerfrisst es dich innerlich." Sprachlos sah ich ihn an und blickte ihm nach, als er sich ohne weitere Worte erhob und wieder ging.

Keine fünf Minuten später setzte sich wieder jemand neben mich. Ich hielt die Augen geschlossen und keine von uns beiden sagte etwas. Verzweifelt versuchte ich meine Angst irgendwie zu besiegen. Plötzlich spürte ich, wie die Person neben mir meine Hand entkrampfte, welche ich zu einer Faust zusammen gepresst hatte und sie fest hielt.

Als ich meine Augen öffnete und den Kopf drehte, sah ich Pearl, wie sie mich zuversichtlich anlächelte. Nur schon diese Geste, wie sie meine Hand hielt und mich anlächelte, half mir enorm und gab mir etwas Halt. Erleichtert atmete ich aus und lächelte zurück. „Gib dir nicht die Schuld für Dinge, die nicht deine sind.", flötete sie in ihrer feenhaften Stimme.

„Danke.", lächelte ich schwach und drückte ihre Hand. Lange sassen wir so da und hingen unseren eigenen Gedanken nach. „Wie machst du das?", fragte sie mich aus dem Nichts. „Wie mach ich was?", war ich extrem verwirrt. „Sam. Ich hatte ihn noch nie lächeln sehen. Und dann kommst du und er lächelt dich an.", platzte sie fast vor Neugier.

Ihr Gesichtsausdruck war so lustig, dass ich erst lachen musste, bevor ich antworten konnte. „Ich mach gar nichts.", brachte ich unter lachen hervor. „Erzähl das doch dem Teufel.", grinste sie mich an, weil sie mir nicht glaubte. „Tu ich doch gerade.", grinste ich zurück und sie tat gespielt gekränkt, bevor wir in einen Lachanfall ausbrachen.

„Nein, jetzt im Ernst.", hakte sie nach, als wir uns einigermassen erholt hatten. „Ich tu gar nichts. Er hat sein früheres junges, dummes Ich in mir gesehen.", antwortete ich. „Also ist da nichts romantisches?", fragte sie vorsichtig nach. „Ach, Gott, nein.", sah ich sie etwas perplex an. „Er ist für mich in dieser kurzen Zeit wie ein Bruder geworden."

„Oh. Und ich dachte schon, dass du Milo ersetzt.", gab sie etwas schuldbewusst ihren Gedanken zu. Erschrocken sah ich zu ihr auf. „Wenn das so leicht wäre.", murmelte ich, fügte aber schnell noch mehr hinzu, als sie mich geschockt ansah. „Nein, das könnte ich niemals." Ein Lächeln erschien in ihrem Gesicht und sie stand auf. „Ich leg mich dann mal hin, bin fix und fertig vom heutigen Tag. Gute Nacht, Tiana.", verabschiedete sie sich von mir. „Gute Nacht.", lächelte ich kurz, bevor ich meinen Blick wieder aufs Gras zu meinen Füssen richtete.

„Milo also.", hörte ich plötzlich eine Stimme neben mir, was mich stark zusammenzucken liess. Als ich meinen Blick hob, sah ich Sam, der an einen Baum gelehnt da stand und zu mir sah. „Du hast gelauscht?", fragte ich leicht empört. Ein kleines Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. „Tut mir leid.", sagte er, aber ich wusste, dass er es nicht so meinte.

„Nein, tut es nicht.", konterte ich, was ihn seinen Kopf leicht schräg halten liess, während wir uns ein Blickduell leisteten. „Er ist ein guter Typ. Ich hoffe, er macht dich glücklich.", unterbrach er es und überraschte mich damit. „Danke, das hoff ich auch.", murmelte ich.

„Ansonsten bekommt er es mit mir zu tun.", sagte er im vollen Ernst, was mich wieder geschockt aufblicken liess.
Er sah mir regungslos entgegen, wobei ich nicht einschätzen konnte, ob er es gerade ernst gemeint hatte oder nicht. Dann plötzlich begann er zu grinsen. „Gute Nacht, kleine Schwester.", zwinkerte er grinsend und lief einfach davon. Fassungslos starrte ich ihm hinterher. Er hatte also doch gelauscht.

Hybrid - Tochter einer halben WölfinWhere stories live. Discover now