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Vor dem nächsten Dorf blieb er stehen und sah mich aufmerksam an. Ich sah ihm an, dass er sich um mich sorgte, da wir nicht wussten, was auf uns zukommen würde. „Gehen wir.", sagte ich entschlossen und lächelte ihn sicher an, um ihm die Sorge zu nehmen. Nebeneinander liefen wir die Strasse entlang, welche ins Dorf geführt hatte. Es lag etwa eine Stunde Fussweg vom anderen Dorf entfernt und war somit ein ruhiges, für sich gebliebenes Dorf.

Einige Häuser hatten zerfallene Gartenzäune, zugenagelte Fenster, zerfallene Fassaden oder ein kaputtes Dach, was darauf hinwies, dass diese leer und verlassen waren. Belebt war dieses Dorf jedenfalls nicht, denn wir sahen nicht viele Leute auf der Strasse.
Eine alter Mann sass auf der Veranda in einem Schaukelstuhl und las Zeitung. Als er uns sah, liess er uns nicht mehr aus den Augen, bis wir hinter der Mauer des nächsten Hauses nicht mehr zu sehen waren.

Es glich einer Geisterstadt und irgendwie kam mir das sehr unheimlich vor. Auch Milo war es nicht ganz geheuer, denn sein Blick huschte wachsam zwischen den Häusern hin und her. „Das gefällt mir nicht.", murmelte ich leise vor mich hin und Milo stimmte mir zu. „Komm, lass uns gehen.", sagte er und wollte umdrehen, als plötzlich ein Schatten zwischen den Häusern umher huschte.

Ehe wir uns aus dem Acker machen konnten, stand plötzlich dieser alte Mann von der Veranda hinter uns und betrachtete uns kritisch. Wohl eher mich, als ihn. Nach ausgiebigem mustern erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht. „Kommt Kinder. Ich habe Kaffee gemacht.", sagte er und lief mit seinem Stock als Gehhilfe wieder zurück zu seinem Haus.

Milo und ich wechselten einen vielsagenden Blick, der so viel hiess wie, lass uns schnell verschwinden. Doch der Mann rief nach uns und sah uns streng an, bis wir endlich in seine Richtung gelaufen kamen. Schnell fasste ich seine Hand und klammerte mich regelrecht daran. Milo erwiderte den Druck und sah mich ermutigend an.

„Na kommt endlich!", rief der Mann schon wieder. Widerwillig setzte ich einen Fuss auf die Veranda und ehe ich wusste wie mir geschah, wurde ich an der Schulter gepackt und überraschend kräftig für einen alten Mann in einen Stuhl gedrückt. Das selbe geschah mit Milo, welcher perplex zu mir rüber sah.
„Was habt ihr hier in diesem Dorf verloren?", fragte er uns schroff und wir wechselten einen Blick. Da wir beide zögerten, etwas zu sagen, sprach er weiter.

„Seid ihr auch solche, die bloss hier her kommen, um die halb zerfallenen Häuser zu beschädigen, da ja sowieso niemand mehr drinnen wohnt?! Seid ihr auch solche randalierenden Touristen?! Wenn ja, dann schert euch zum Teufel und verlasst diesen Ort!", warf er uns vor und wurde immer lauter. „Mister.", unterbrach Milo ihn höflich. „Nenn mich nicht Mister!", unterbrach er ihn barsch.

„Es tut uns leid, aber wir sind nicht hier, um etwas zu demolieren.", meldete ich mich zu Wort und versuchte den Mann zu beruhigen. „Wir wussten nicht, dass das Dorf fast Menschenleer ist. Was ist geschehen?", fügte ich eine Frage hinzu, in der Hoffnung, dass er uns nicht weiter anschrie. Tatsächlich klappte es und der Mann beruhigte sich wieder. „Kaffee?", fragte er höflich, sobald er sich gefasst hatte und lächelte freundlich.

Schnell nickten wir, da wir ihn nicht verärgern wollten. Er erhob sich und ging ins Haus. „Was ist hier geschehen?", flüsterte Milo mir zu. „Das wüsste ich auch gerne. Meine Eltern erzählten mir immer, wie fröhlich die Leute hier waren und dass immer einiges los war. Abgesehen von den schlimmen Dingen, die vor sich gingen.", flüsterte ich zurück.

„Es ist wegen dem Wald.", sprach der alte Mann und liess uns beide erschrocken zusammen zucken.
Er stellte die Kaffeetassen vor uns hin und liess sich schwerfällig in seinen Schaukelstuhl fallen. „Seit der damalige Alpha und seine treuen Untertanen nicht mehr vom Wald zurück gekehrt waren, zogen immer mehr Leute weg. Versteht mich nicht falsch, wir waren alle froh, als er weg war, doch hatten alle zu grosse Angst vor diesem verfluchten Wald."

„Warum sind Sie geblieben? Haben Sie keine Angst?", stellte Milo die Frage, die mir auf der Zunge lag. Der alte Mann lächelte leicht, bevor er sich nach vorne lehnte und uns lange anschaute, bevor er antwortete. „Nein, ich hab keine Angst. Aber ich gebe zu, ich blieb damals, weil ich trotzdem hoffte, dass mein Sohn zurück kommen würde."
„Und? Ist.. er wieder zurück gekommen?", fragte ich zögerlich. Meine Neugier konnte ich nicht unterdrücken, doch wollte ich auch den alten Mann nicht verärgern.

„Ja, Owen ist zurück gekommen.", lächelte er bei der Erinnerung daran und als ich dies hörte, schoss mein Blick erschrocken zu ihm. „Du hast die gleichen Augen, wie er.", lächelte er mich warm an. Mein Herz begann wie wild zu pochen. „Du bist.. mein Opa?", traute ich mich kaum zu fragen, doch er brauchte die Frage nicht zu beantworten, denn ich wusste, dass er es war. Plötzlich sah ich die wenigen Ähnlichkeiten, die sie hatten, aber dennoch waren sie da.

Als er nickte und seine Arme ausbreitete, konnte ich nicht anders, als mich in seine Arme zu stürzen. Ich wusste nicht, dass ich noch einen Verwandten hatte, weshalb es mich umso mehr mitnahm. „Dass du hier bist, ohne ihn und Clarissa, heisst nichts gutes.", stellte er fest und ich hörte, wie ihm der Atem stockte. „Nein, leider nicht.", bestätigte ich seinen Verdacht.
Vorsichtig löste ich mich von ihm und setzte mich wieder neben Milo, der die Situation fröhlich beobachtete.

„Was ist geschehen?", fragte mein Opa mit Tränen in den Augen. „Vor drei Jahren.", begann ich, spürte aber schon den Kloss, der es mir schwer machte, zu sprechen. Milo neben mir nahm meine Hand in seine und drückte sie leicht. Er zeigte mir, dass er für mich da war. Dankbar lächelte ich ihn an und erwiderte den Druck.
„Vor drei Jahren, als ich mit meinem Papa trainieren wollte, kamen plötzlich Männer aus dem Wald. Er schickte mich rein zu Mama, welche mir einen Rucksack hin hielt und mir befahl zu fliehen. Ich tat wie geheissen, verwandelte mich und rannte davon. Doch einen letzten Blick zurück konnte ich nicht ausschlagen. Da sah ich, wie Papa verletzt am Boden lag und Mama sich ins Geschehen stürzte. Seit da an war ich auf der Flucht.", erzählte ich ihm, was geschehen war.

„Und er?", zeigte er auf Milo und hob belustigt eine Augenbraue. „Ich bin Milo, Sir. Ich bin ihrer reizenden Enkelin vor ein paar Wochen begegnet und begleite sie seit dem.", stellte er sich vor und grinste mich kurz an.
„Du bist kein Wolf.", stellte er die Frage, was er sonst war.
„Nein, Sir, bin ich nicht. Ich bin ein Eichhörnchen.", antwortete Milo darauf. Mein Opa sah ihn lange an, bevor er begann zu lachen.

„Und du willst für ihren Schutz sorgen?", fragte mein Opa, als er sich endlich beruhigt hatte. „Wie bitte?", fragte Milo verwirrt nach. Mir klappte mein Kinn runter, als ich dies hörte. Stellt er echt Milo als Schwächling dar?! „Wie willst du für die Sicherheit von meiner Enkelin sorgen?", hatte mein Opa die Dreistigkeit, die Frage zu wiederholen.

„Sag mal, spinnst du?!", wurde ich wütend und rief aus. „Wieso um alles in der Welt hinterfragst du genau das?! Er kann sehr wohl auf mich aufpassen, wenn es sein muss!"
Somit stand ich auf und stapfte wütend davon. Hinter mir hörte ich, wie Milo sich für mein Benehmen entschuldigte und dem alten Mann weis machte, dass ich keinen Leibwächter braue und auf mich selbst aufpassen konnte. Kurz darauf spürte ich, wie zwei Arme mich packten, herumwirbelten und mich fest an eine Brust drückten.

„Sei nicht sauer auf ihn, nicht jeder weiss meine Gesellschaft zu schätzen, so wie du. Genau das gleiche hatte mir damals meine Mate an den Kopf geworfen, bevor sie mich abwies.", nuschelte er in meine Haare.
Meine Wut, welche verpufft war, als er mich in seine Arme zog, stieg wieder in mir auf. Ich hasste es, dass ihn alle als Nichtsnutz hinstellten und vorschnell über ihn urteilten. „Ich will nicht, dass du dir solche Sachen anhören musst. Schliesslich kannst du dich sehr gut wehren und hast einen ordentlichen Schlag drauf.", sah ich zu ihm hoch, als ich ihm das sagte.

Er lächelte mich warm an und drückte mich wieder fester an sich. Ich erwiderte den Druck und genoss die Geborgenheit in seinen Armen.

Hybrid - Tochter einer halben WölfinWhere stories live. Discover now