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Sobald ich das gesagt hatte, war Totenstille. Malea neben mir schnappte nach Luft und die Zwillinge grinsten sich wissend an, bevor ich einen letzten, kurzen Blick auf Milo warf, dem der Mund offen stand, auf dem Absatz kehrte und davon stürmte.
„Christina, ich sagte doch, du sollst es lassen!", schrie Malea ihre Freundin an, sobald sie sich gefasst hatte.

„Tiana! Warte!", rief Milo nach mir und rannte mir nach. Doch ich wartete nicht. Zu gross war meine Angst, dass er meine Gefühle nicht erwiderte. Erst jetzt kapierte ich, dass ich ein zu grosses Risiko eingegangen war. Ich hatte alles auf eine Karte gesetzt. Nie und nimmer hätte ich mich so dermassen provozieren lassen dürfen und schon gar nicht in einer solch blöden Situation.

„Tiana, jetzt warte endlich.", hörte Milo nicht auf, nach mir zu rufen und holte mich langsam ein. Kurz bevor ich am See angekommen war, bekam er meine Hand zu greifen und riss mich zurück. Er wirbelte mich herum und schloss mich fest in seine Arme. Lange standen wir bloss so da und niemand getraute sich was zu sagen. Ich wusste nicht wieso, aber nach und nach liess meine Angst nach.

„Es tut mir leid, ich hätte sowas niemals sagen dürfen.", murmelte ich eine Entschuldigung gegen seine Brust.
„Hast du es ernst gemeint?", nuschelte er in meine Haare. Ganz leicht versteifte ich mich. Soll ich die Wahrheit sagen oder ihn belügen?
Hin und her überlegend wägte ich meine Optionen ab und kam zu meiner Entscheidung, ihn zu belügen. Es wäre das bessere für unsere Freundschaft.

„Ja.", sprach mein Herz, bevor sich mein Verstand einsetzte. Verdammt! Ich verfluchte mich selbst, dass mein Kopf nicht vor meinem Herzen geantwortet hatte. Sanft stiess er mich ein bisschen von sich weg und wollte mir in die Augen schauen. Doch ich liess meinen Blick gesenkt und betrachtete den Boden. „Sieh mich an.", wisperte er sanft und doch bestimmend. Widerwillig und mit leichtem Zögern hob ich dann doch meinen Kopf und blickte ihm entgegen.

Liebevoll lächelte er mich an und strich mit einem Finger sanft über meine Wange. Es kribbelte angenehm an den Stellen, an denen er mich berührte. Dann umfasste er mit seiner ganzen Hand meine Wange und kam mir langsam näher. Mein Herzschlag pochte wie wild und wäre bestimmt einen Kilometer weit zu hören, so laut war er.

Hinter Milo bewegte sich was und riss meine Aufmerksamkeit darauf. „Pass auf!", schrie ich und zog ihn beiseite. Es reichte nicht. Der Angreifer, hatte ihn erwischt und riss ihn mit zu Boden.
Jemand schrie auf und ehe ich mich versah, verwandelte ich mich und stürzte mich auf den sandfarbenen Wolf, der Milo angegriffen hatte. Der andere Wolf sah das und bevor ich ihn erreichte, biss er einmal kräftig zu. Ich hörte das Reissen der Haut und Brechen der Knochen, welches von einem schmerzerfüllten Schrei übertönt wurde.

Mein Herz quetschte sich zusammen, mir wurde kurz schwarz vor Augen und übel. Wut stieg in mir empor. Pure Wut, die ich nicht zu kontrollieren wusste und meinen Körper einnahm. Es war wie wenn ich bloss noch Zuschauer wäre und sich mein Körper von alleine bewegte. Wutentbrannt rannte ich knurrend auf diesen Wolf zu. Er grinste mich schelmisch an, da er das Gefühl hatte, dass ich durch meine Wut nur Fehler machte.

Aber im Moment war mir das egal. Alles was ich wollte, war Rache. Rache dafür, dass er Milo angegriffen und verletzt hatte. Rache dafür, dass er den vielleicht schönsten Moment zerstört hatte. Blind vor Wut griff ich an und landete einen Treffer an seinem hinteren Bein. Er jaulte auf und packte nach mir, was ihm auch gelang. Er biss kräftig zu und ich hörte, wie meine Pfote nachgab und es knackste. Wütend rollte ich mich auf den Boden und biss ihm dabei so fest ich konnte von unten in den Bauch. Sofort schmeckte ich den metallischen Geruch von Blut und ich liess von ihm ab.

Nun lag er mit grossen Schmerzen am Boden und ich baute mich über ihm auf. „Tiana!", schrie jemand nach mir, doch ich war zu wütend, um darauf zu reagieren. Knurrend fletschte ich meine Zähne und ging Stück für Stück näher an den Hals des anderen Wolfes, welcher mir mit grossen, ängstlichen Augen entgegen sah. „Tiana, lass das!", knurrte mich jemand wütend an und ich hörte den Befehl darin. Doch die Wut war zu gross, als dass ich hätte reagieren können.

Jemand rammte mich von dem verletzten Wolf weg und stellte sich mir in den Weg. Mein Blick fixierte ihn und ich erkannte, dass es der Alpha persönlich war. Er baute sich vor mir auf und sah sowas von mächtig aus. Die Wut in mir liess jedoch noch nicht nach und so knurrte ich ihn mit gefletschten Zähnen an. „Tiana. Hör auf damit.", befahl er mir und drang mit seiner Alpha-Präsenz zu mir durch.

Dies war der Moment, in dem ich in meiner Bewegung inne hielt und sich nach und nach mein Blick klärte. Erst jetzt sah ich, was ich angerichtet hatte. Der andere Wolf hatte sich zurück verwandelt und ich erkannte ihn als den Typen mit den grauen Augen. Er lag bewusstlos und schwer verletzt auf dem Boden, während sich einige Leute um ihn kümmerten. Mir wurde erneut übel und ich musste den Blick von ihm abwenden.

Dabei entdeckte ich Milo, der mit blassem, schmerzverzerrtem Gesicht von Caroline betreut wurde, welche gerade jemandem befahl, ihn so schnell wie möglich zurück zu bringen. Er hatte viel Blut verloren, welches ihm aus seinem rechten Brustkorb drang. Unsere Blicke trafen sich ganz kurz, doch ehe ich noch zu ihm konnte, brachten sie ihn weg.

Scham breitete sich in mir aus. Nie und nimmer hätte ich zulassen dürfen, dass eine solche Wut meinen Körper einnahm. Der Alpha stand neben mich und sah ebenfalls zu, wie sie Milo weg brachten. „Tiana, komm mit.", forderte er mich mit strengem Ton auf und lief weg. Mit hängendem Kopf folgte ich ihm und wich allen Blicken aus, die mir die Leute zuwarfen.

Ich wusste, dass ich gerade gegen eine der wichtigsten Regeln verstossen hatte und dies meinen Rauswurf bedeuten konnte.

Hybrid - Tochter einer halben WölfinOnde histórias criam vida. Descubra agora