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„Wann wolltet ihr mir das sagen?", fuhr ich sie an und alle zuckten zusammen und fuhren zu mir rum. „Was denn?", ergriff Pearl als erstes das Wort. „Ach tut doch nicht so scheinheilig! Ich weiss genau, was vorhin vor sich ging.", stieg Wut in mir auf, als sie alle auf Ahnungslos machten. „Tiana, beruhige dich.", sah Aiden mich eindringlich an.

„Nein! Ich beruhige mich erst, wenn verdammt noch mal endlich jemand sagt, was hier vor sich geht!", schrie ich wie wild um mich her. „Ich weiss genau, woher dieses unbehagliche Gefühl von vorher kam!" Die Wut in mir wuchs noch mehr und spätestens jetzt hatte ich bemerkt, dass es ein Fehler war, sie rauszulassen. Ich konnte sie nicht mehr stoppen.

Aiden, der davon wusste, stieg aus, öffnete meine Tür und zog mich schnell aus dem Wagen. Er flüchtete schnell wieder in den Wagen und verriegelte alle Türen. Wütend und verzweifelt riss ich an der Tür, doch die ging nicht auf. Drinnen sah ich, wie Pearl mich erschrocken beobachtete und Sam regungslos zu mir sah. Ich war schon pitschnass, da es nicht aufgehört hatte im Strömen zu schütten.

Wütend schrie ich meine Seele aus dem Leib und verwandelte mich in einen Wolf, als ich keine Puste mehr hatte. Blind vor Wut rannte ich irgendwo hin, keine Ahnung wohin es mich zog. Meine Wut wurde noch grösser, als ich nichts fand, was ich hätte zerstören können. Es fühlte sich an, als wäre ich kurz vor dem Explodieren.

Schnell wandte ich mich ans nächst gelegene und wetzte meine Krallen darin fest. Ich wollte etwas zerfetzen, meine Wut trieb mich dazu. Wie gepickt schliff ich meine Krallen über irgend etwas und knurrte wutentbrannt. „Tiana! Hör sofort auf damit!", hörte ich von irgendwoher eine Stimme. Ertappt und noch immer wütend knurrte ich und weigerte mich, aufzuhören. „Tiana, hör auf!", drängte sich die Stimme weiter zu mir durch.

Verstört sah ich mich um, doch meine Wut war noch zu gross, als dass ich etwas hätte erkennen können. Das einzige was ich erkannte war, ob es ein Hindernis war oder nicht. „Tiana, beruhige dich!", drang die Stimme wieder in mein Bewusstsein und diesmal erkannte ich, dass es Aiden war. Kaum hatte ich an ihn gedacht, steig die Wut in mir wieder.

Fuchsteufelswild knurrte ich um mich und heulte so laut es ging. Dann sah ich etwas, das mir im Weg stand. Keine Ahnung, was es war, doch ich rannte mir voller Geschwindigkeit dagegen. Schreie erklangen, welche durch Wimmern ersetzt wurde. Ein Motor startete und ich hörte, wie ein Auto davon fuhr. Ich stand auf und wollte hinter her hetzen. „Tiana, jetzt hör endlich auf!", schrie mich jemand anderes wütend an.

Dies war der Augenblick, in dem ich ein Schlupfloch fand und die Kontrolle über mich wieder erlangte. Mühselig drängte ich das Monster in mir zurück, verwandelte mich zurück und sah mich schlussendlich um. Ich war auf einem Campingplatz gelandet, denn ein Zelt stand zerfetzt in der Mitte einer kleinen Lichtung. Mein Blick streifte einen Felsen, der übersät war von tiefen Krallenspuren. Geschockt zog ich Luft in meine Lunge und spürte, wie meine Fingernägel anfingen zu schmerzen.

Bäume hatten tiefe furchen und einer war sogar umgekippt, so tief hatte ich ihn gekratzt. Meine Schulter fing plötzlich deftig an zu schmerzen und meine Beine gaben nach. Ungehindert stürzte ich auf meine Knie und dann gänzlich auf den Boden. Ich schämte mich dafür, dass ich so schnell die Kontrolle verloren hatte. Tränen fanden den Weg hinaus und rannen unaufhaltsam meine Wange hinunter.

„Tiana.", hörte ich weit entfernt jemanden sagen, bevor diese Person auf mich zu gerannt kam und mich fest in die Arme schloss. „Scht scht. Es ist alles gut.", hörte ich immer wieder. „Du bist wohl doch etwas anders, als ich.", schmunzelte die Person und holte mich somit vollkommen zurück. „Sam?", fragte ich, bevor ich meinen Kopf etwas hob. „Ja, ich bin's.", bestätigte er und fuhr mit seiner Hand sanft über meinen Rücken.

„Es tut mir leid, ich wollte das nicht.", entschuldigte ich mich, als ich versuchte mich aufzurappeln und hinzusetzen. „Schon gut.", sagte er bloss und half mir dabei. Ich stöhnte vor Schmerz auf, schaffte es aber, mich richtig hinzusetzen. „Ein Auto..", murmelte ich, als ich mich erinnerte, dass ich ein Motor gehört hatte.

„Eine Familie war hier campen, war aber schon im Auto, weil es schüttet, wie aus Eimern. Du hast erst den Felsen, die Bäume und ihr Zelt verwüstet, bevor du das Auto gerammt hast. Es hinterliess eine riesige Delle in der Beifahrertür. Keine Sorge, den Leuten geht es gut, bis vielleicht auf ein Trauma.", erklärte er mir und wurde beim letzten Satz immer leiser.

„Sam, geh weg von mir, ich bin gefährlich.", wollte ich ihn wegscheuchen, weil sogar ich Angst vor mir selbst hatte. „Nein, ich bleibe.", protestierte er und bewegte sich keinen Millimeter. Er hatte noch immer einen Arm um meine Schulter gelegt und zog mich noch etwas näher zu sich. Ohne dass ich es beeinflussen konnte, legte ich erschöpft meinen Kopf auf seine Schulter.

Er jetzt bemerkte ich, dass es noch immer das selbe schlechte Wetter war, wie zuvor. „Sam, du wirst noch pitschnass. Bitte geh ins Trockene.", forderte ich ihn auf. „Dafür ist es schon längst zu spät.", grinste er, was mich wirklich etwas aufheiterte. „Danke.", flüsterte ich nach einer Weile des Schweigens. „Keine Ursache."

Danach sassen wir wieder schweigend nebeneinander und keinen kümmerte es, dass das Wasser in Bächen über unsere Köpfe floss. „Na frag schon.", unterbrach er die Stille und grinste. Er hatte gespürt, dass mich einige Fragen beschäftigte. „Wieso verheimlicht ihr mir sowas?", war meine erste Frage.

Sam seufzte geschlagen, bevor er mir antwortete. „Ich hatte die Anweisung, dir nichts zu sagen, um dich zu schützen." „Von wem?", hakte ich nach. „Das spielt keine Rolle. Aber wie ich sehe, bezweckt es bloss das Gegenteil, wenn man dich aussen vor lässt."
„Waren da wirklich Hyger?", stellte ich weitere Fragen. Sam sah mich besorgt an, was mir schon Antwort genug war.

„War unser kleiner Einzelausflug wirklich fürs Jagen oder nur eine Tarnung?", fragte ich weiter. Und auch diesmal war mir sein Gesichtsausdruck Antwort genug. „Warum stellst du all diese Fragen, wenn du die Antwort doch schon weisst?", war nun er an der Reihe. „Ich war mir nicht ganz sicher.", gab ich zu.

„Hast du noch weitere Fragen?", hakte er nach und ich überlegte stark. „Du kannst mich auch später fragen, ich werde dir nichts mehr verheimlichen.", ergänzte er, als mir gerade keine Frage in den Kopf kam. „Echt?", fragte ich verwundert und sah hoch zu ihm. Er erwiderte meinen Blick und nickte.

„Warum?", war ich doch etwas verunsichert. „Auch ich hasse es, wenn man mir etwas verheimlicht. Und wenn man so reagiert, wie du, dann sollte man es nicht herausfordernd."
„Es tut mir leid.", entschuldigte ich mich nochmals. „Was denn?", fragte er nach. „Dass ich euch Angst eingejagt habe und euch angreifen wollte."

„Du hast uns nicht angegriffen.", widersprach er mir. „Hätte ich aber, wenn die Türen nicht verriegelt gewesen wären.", erklärte ich ihm. „Waren sie aber.", sagte er schnell und mit fester Stimme, welche keinen Widerspruch erlaubten.

„Und du hast mir keine Angst eingejagt.", unterbrach er die kurze Stille. Überrascht sah ich zu ihm und suchte die Lüge in seinen Augen. Doch die war nicht da. Er hatte tatsächlich keine Angst vor mir. Das Wasser rann ihm in Tropfenform über sein Gesicht und seine Haare klebten ihm auf der Stirn. „Komm, wir gehen zurück.", lächelte er kurz, stand auf und bot mir seine Hand an.

Ich griff danach und er zog mich hoch. Kaum war ich auf den Füssen, brach ich zusammen. Sam fing mich kurz über dem Boden auf und stützte mich. Ein Winmern drängte sich aus meinem Mund, da mir alles schmerzte.
Sam legte einen Arm unter meine Arme und einen in meine Kniekehlen und hob mich hoch.

„Schon gut, ich kann laufen.", protestierte ich, doch das ignorierte er gekonnt. „Ich trage dich, du hast dich quasi selbst verletzt.", sprach er und seine Stimme sagte mir, dass er kein Widerspruch duldete. Geschlagen lehnte ich meinen Kopf auf seine Schulter und mit jedem Schritt fielen mir meine Augen etwas mehr zu. Die grossen Regentropfen, die mir dabei über Gesicht flossen, störten mich schon lange nicht mehr.

Hybrid - Tochter einer halben WölfinWhere stories live. Discover now