Blue Bird || Yoonmin

05 / Erledige deine Pflichten

Wir liefen schweigend den Weg zur Kirche, der sich jetzt plötzlich so viel kürzer anfühlte, als gestern noch. Ich genoss den kühlen Boden unter meinen Füßen und den weichen Sand. Noch war auf dem Trainingsplatz keiner und ich fand mich beim Gedanken wieder, wohin Yoongi denn dann gegangen war. Ich fand darauf keine Antwort, schüttelte sie mir aus dem Kopf. 

Es sollte mir egal sein. Yoongi war nur ein Bastard, den ich heiraten musste. 

Taehyung folgte mir zögerlich in die Kirche hinein und setzte sich dann neben mich auf die hölzerne Bank. Hier war es kalt und es war sogar schon etwas zu kalt, aber ich konnte das aushalten. Ich faltete meine Hände, kniete mich auf den Boden und schloss die Augen. 

"Grüßen wir den neuen Tag, mit Freude und Hoffnung, denn er ist ein Geschenk Gottes." 

Auch wenn ich nichts hatte, worauf ich mich heute freuen könnte, aber dieser neue Tag wurde mir geschenkt und ich nahm das Geschenk Gottes natürlich dankend an. Ich betete still für mich, bedankte mich weiter. Für die gute Nacht mit meinem Ehemann, weil er mich in dieser nicht vergewaltigt hatte. Für die Freundlichkeit, die er mir an den Tag legte, indem ich die Erlaubnis bekam, Taehyung zu behalten. Ich dankte dem Herrn für das sanfte Gesicht, was er hatte. 

Ich betete dafür, dass meiner Familie auf dem Heimweg nichts schlimmes passieren würde und sie sicher ankämen. Ich entschuldigte mich so dann auch für die Gedanken, den Neid, den ich ihr gegenüber hatte, weil sie nach Hause konnten und ich nicht. Aber Gott hatte dann vielleicht gewollte, dass das hier ein Zuhause wurde (was ich nicht nachvollziehen konnte, aber man hinterfragte Gottes Entscheidungen nicht). Ich betete dafür, dass Yoongi weiterhin gut zu mir sein würde und ich betete lange und viel dafür, bald ein Kind in mir tragen zu können. 

Als ich aufstand, da waren meine Knie schwer und die Füße taub. Taehyung kniete immer noch und ich wartete geduldig bis auch er sein Gebet schnell noch abschloss. Jetzt, wo ich Gedanken und Gefühle geteilt hatte, fühlte ich mich leichter und besser. Die Schwere war sicherlich noch da, aber sie fühlte sich dennoch nicht so schwer an. 

Wir gingen zurück und die Sonne war schon über dem Horizont. Draußen wurde es langsam hektischer und auf dem Sandplatz sahen wir schon die ersten, die sich dort versammelten. Ich bekam Angst, weil... weil ich Yoongi bei ihnen nicht sah und beeilte  mich so, um zum Anwesen zu kommen.

Erst als ich schnaufend die Treppen hochging, beruhigte ich mich wieder. Es war nichts passiert... Es ließ mich aufatmen und im Zimmer half mir Taehyung aus dem Kleid und drehte sich zum Bad, um es ordentlich zu machen.

Ich nahm mir meine Sachen und setzte mich wieder ans Fenster, um zu sticken. Der Magen knurrte mir und ich fühlte mich hungrig. "Taehyung? Bringst du mir Frühstück? Und wenn du noch nichts hattest, dann nimm dir auch etwas mit." 

Ich blickte solange aus dem Fenster bis ich mich wirklich beruhigt hatte. Erst dann nahm ich mir die Nadel, fädelte mir den Faden ein und stickte weiter an dem schönen Muster. Vielleicht würde es meinem Mann gefallen, vielleicht aber auch nicht. (Hatte ich diese Gedanken nicht schon einmal?)

Das Frühstück war wie immer die letzten paar Wochen. Taehyung aß mit mir zusammen im Zimmer und ich genoss die kleine Gesellschaft, die ich durch ihn bekam. Erst dann machte ich weiter und sah Taehyung im Augenwinkel dabei zu wie er Yoongis Bett machte. Es waren ein paar meiner Federn im Bett, aber diese legte mir Taehyung vorsichtig und nachdem ich knapp nickte, auf meinen Schreibtisch. Ich hoffte, dass sie Yoongi nicht gestört hatten. 

Danach verabschiedete sich Taehyung und ich nutzte die Zeit alleine, um meine Sachen durchzugehen. Ich hatte ein paar Kleider dabei, ein paar Schmuckstücke und ein paar meiner Lieblingsbücher, die ich herausnahm. Es war zwar keine Bibel dabei, was mich wunderte (aber vielleicht hatte Yoongi das nicht erlaubt). Ich war zufrieden damit solange zu lesen bis die Sonne am höchsten stand.