「 Kapitel 47 」

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Der Pfad endete auf einer aus Stein gehauenen Plattform, welche an den Aussichtsposten grenzte. Dieser war zudem ausgestattet mit mehreren Aussichtstürmen.
"Wo sind sie?" fragte Ilèyn mit gesenkter Stimme.
Dann vernahmen sie und Bilbo Schläge von Schwertern und Äxten. Die beiden sahen sich erschrocken an.
"Stirb!" Das war Dwalin, eindeutig.
Doch mit einem Mal verstummten die Kampfgeräusche. Mit böser Vorahnung rannten Ilèyn und Bilbo los.
Sie erreichten einen dunklen Gang und sofort erkannten sie die Gestalten von Thorin und Dwalin, welche sich ratlos umsahen.
"Thorin!" rief Bilbo, als er und Ilèyn den Gang verließen.
Der Zwergenkönig wirbelte herum.
"Bilbo! Ilèyn!" sagte er mehr als überrascht.
"Ihr müsst hier weg!" sagte Ilèyn abgehetzt "Sofort!"
"Azog hat ein zweites Heer, das von Norden angreift!" stieß Bilbo hervor.
Thorins Gesichtszüge entgleisten.
"Dieser Wachturm wird umzingelt sein und niemand entkommt." sagte Ilèyn.
"Wir sind so nah dran!" sagte da Dwalin "Dieser widerliche Ork ist da drin, holen wir ihn uns!"
"Nein!" sagte Thorin ernst und hielt Dwalin davon ab, an ihm vorbei in die Gänge des Turmes zu gehen.
"Genau das will er doch!" sagte Ilèyn und lief an Thorin, Bilbo und Dwalin vorbei, um die Stufen hinaufzusteigen, welche eine Plattform höher führten. Oben angekommen versuchte sie, in den Nebelschwaden nach Fili Ausschau zu halten, konnte ihn jedoch nirgendwo entdecken. Angst machte sich in Ilèyn breit und Panik ergriff ihren Geist.
"Such Fili und Kili, ruf sie zurück!" sagte Thorin gerade zu Dwalin.
"Thorin, bist du dir sicher?" fragte Dwalin.
"Tu es! Wir kämpfen an einem anderen Tag."
"Thorin, wo ist Fili?" rief Ilèyn ängstlich von oben "Wo ist er?"
Thorin sah sie an, sie konnte erkennen, dass er es selbst nicht wusste.
Ilèyn wirbelte herum und sah sich um. Sie lief über eine zerfallene Mauer, welche zum zweiten Aussichtsturm führte. Mehrere Gänge begannen vor ihr, die sie am liebsten alle einzeln abgesucht hätte, doch sie wollte sich nicht zu weit von den anderen entfernen. Sie vertraute der ungewöhnlichen Stille, die hier herrschte kein bisschen.
"Fili..." sagte sie leise mit zitternder Stimme "Wo bist du?"

Ein Trommelschlag.
Ein weiterer.
Trommeln in der Tiefe des Rabenbergs.
Sofort blieb Ilèyn stehen. Bilbo, Thorin und Dwalin wirbelten herum.
Ilèyn wich zurück, bis sie wieder am oberen Ender der Treppe stand.
Lautere Trommeln.
Fackelschein erleuchtete den Turm, auf welchem Ilèyn gerade eben noch gestanden hatte.
Sie sah den Turm hinauf, die anderen taten es ihr gleich.
Aus dem Nebel erschien der Umriss einer Gestalt, welche langsam näher kam.
Azog.
Der bleiche Ork trat an den Rand der Aussichtsplattform, auf der er erschienen war. In seiner rechten Hand hatte er Fili gepackt und schleifte ihn neben sich her.
Ilèyn entfuhr ein entsetzter Atemstoß und sie machte wieder ein paar Schritte auf den Turm zu.
In diesem Moment brüllte Azog etwas in schwarzer Sprache zu Thorin hinunter und zog Fili mit einem brutalen Ruck über den Rand der Aussichtsplattform.
"Fili!" rief Ilèyn, ihre Stimme bebte und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Azog beachtete sie gar nicht. Er zischte einen weiteren Satz und starrte böse auf Thorin hinab. Dieser war mit Bilbo und Dwalin aus Ilèyns Sichtfeld weiter nach vorne gerannt.
"Lass ihn los, du verfluchter...!" schrie Ilèyn und stürmte von der Treppe weg, hin zu Azog. Sie hatte die Dolche fest in der Hand, sodass die Haut über den Knöcheln an ihren Fingern weiß hervortrat.
Ilèyn erreichte Azog nicht.
Einer der Orks, welche mit ihm auf den Rabenberg gekommen waren, tauchte hinter ihr auf. Er holte weit mit dem Schwert aus und schlug nach ihr. Ilèyn reagierte, aber sie reagierte zu spät. Als sie sich von dem Ork wegdrehte, erwischte dieser sie mit der halben Schwertlänge an der rechten Schulter. Ilèyn spürte, wie die scharfe Klinge ihre Haut von ihrem Schulterblatt bis hinunter zu ihrer Hüfte teilte.
Ein lauter und schmerzerfüllter Schrei entfuhr ihr und sie ging zu Boden. Der Schmerz betäubte ihren Körper und sie spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen, als sie verzweifelt versuchte, sich nach oben zu drücken und wieder zu Fili zu rennen. Ihr Körper versagte ihr den Dienst und sie brach wieder zusammen, ihren durch die Tränen trüben Blick nach vorne gerichtet, wo Azog Fili noch immer in seinem brutalen Griff hielt.
Ein weiteres Mal stützte Ilèyn ihren Oberkörper mit aller Kraft nach oben.
"Fili!" rief sie hilflos und vor lauter Verzweiflung und ihr Körper bestrafte Ilèyn für diese Anstrengung mit einer weiteren Welle Schmerzen, welche sie wieder einknicken ließ.
"Flieht!" rief Fili und sein trauriger und angsterfüllter Blick traf den von Ilèyn.
Azog hob seinen linken Arm, der mit der langen scharfen Klinge durchbohrt war und hielt Fili direkt davor.
"Lauft!" rief der Zwerg noch einmal, bevor Azog mit einem bösen Grinsen die lange Klinge in Filis Rücken stieß.

Ein unbeschreiblich schmerzhaftes Stechen durchfuhr Ilèyns Herz und sie rang nach Luft. Ihr Herz setzte aus, so lange, dass sie spürte, wie ihre Sinne schwanden. Sie hörte nichts mehr, ihr Mund war trocken und sie konnte nichts tun, als zuzusehen, wie Azog Fili losließ und der Zwerg auf dem steinigen Boden aufschlug. Er blieb regungslos liegen.
Ilèyn stützte sich ächzend wieder nach oben, mit aller Kraft, die sie nur aufbringen konnte und kroch so schnell es ging zu der Treppe neben ihr. Unter großen Schmerzen arbeitete sie sich die Stufen hinab. Mit schmerzverzerrtem Gesicht versuchte sie, sich an der Wand abstützend, auf die Beine zu kommen, was ihr nach zwei Versuchen auch gelang. Sie taumelte nach vorne, ihr wurde schwarz vor Augen und ihr Körper schrie nach einer Pause. Ilèyn ignorierte die Signale ihres Körpers und setzte wackelig einen Fuß vor den anderen, so schnell sie konnte und bis sie Fili erreicht hatte.
Sie stolperte nach vorne und stürzte direkt neben ihm zu Boden. Sie drückte sich nach oben und kroch zu ihm, bis sie sich über ihn lehnen und ihm in die Augen sehen konnte.
Der Zwerg atmete noch.
"Ilèyn..." keuchte er fast unhörbar.
"Fili, ich bin da, ich bin da." sagte sie leise und strich ihm über Stirn und Wangen "Ich werde mich um dich kümmern, du wirst... es wird alles gut, alles... alles wird gut." Ilèyn versuchte verzweifelt, zuversichtlich zu klingen und lächelte Fili an, während Tränen über ihre Wangen rollten, sich mit dem Blut, welches aus ihrer Kopfwunde rann, vermischten und auf den Schnee fielen.
"Ich muss dir dringend etwas sagen..." brachte Fili kraftlos hervor.
"Ich dir auch." wimmerte Ilèyn leise und strich Fili eine Strähne aus dem Gesicht.
"Ich liebe dich." sagte er und seine Augen leuchteten, als er sie ansah. Ilèyn lächelte ihn schluchzend an.
"Ich liebe dich auch, Fili, hörst du?" sagte sie liebevoll und barg sein Gesicht in Händen.
"Hast du sie noch bei dir...?" fragte Fili mit halb geschlossenen Lidern. Sofort griff sich Ilèyn in die Tasche ihres Wamses. Sie zog das Vergissmeinnicht hervor und zeigte es Fili. Die Blume war noch immer so, als wäre sie gerade erst gepflückt worden. Der Zwerg lächelte schwach, aber zufrieden.
"Danke..." flüsterte er.
"Fili?" Ilèyn beugte sich entsetzt weiter über ihn "Fili, bitte! Geh nicht, bitte nicht!" Die Schützin spürte, wie sich Filis Brustkorb lang ausatmend das letzte Mal senkte.
"Lass mich nicht allein..." flüsterte Ilèyn und strich ihm über die Wangen "Bitte... Lass mich nicht..."
Ihr Körper wurde von einem schweren Schluchzen erfasst, ihre Arme gaben nach und sie brach weinend über seinem Körper zusammen. Sie nahm rein gar nichts mehr aus ihrer Umgebung wahr, wären die Orks zu ihr gekommen und hätten sie niedergestreckt, wäre es ihr absolut gleichgültig gewesen. Die Schmerzen auf ihrem Rücken wurden von der Leere in ihrem Herzen und ihrer Seele überdeckt, sie fühlte sich wie eine Hülle, der sämtlicher Inhalt brutal entrissen wurde.

Ihr Kopf konnte keinen klaren Gedanken fassen, sie spürte, wie das Blut aus der Wunde an ihrem Rücken ihren Arm hinunterlief und sich ihr Oberteil und ihr Mantel damit vollsaugten.
Immer wieder wurde sie von starken Schluchzern ergriffen und sie fühlte, wie die Kraft endgültig aus ihrem Körper zu schwinden begann.
Ilèyn öffnete die Hand, in welcher die kleine blaue Blüte die ganze Zeit festgehalten hatte.
Die Blume war vertrocknet.
Das Vergissneinnicht segelte aus ihrer Hand auf den schneebedeckten Boden in die Blutlache, welche unter Filis Körper entstanden war.
Ilèyns Kopf wurde immer schwerer, ihr Herzschlag langsamer und sie bekam kaum noch Luft.
Dann umfing sie Dunkelheit.

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✓ | Vergissmeinnicht ~ Fili FanFiction / Hobbit FanFiction / Fili FFWhere stories live. Discover now