「 Kapitel 16 」

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Der Abstieg von dem Felsen, auf welchem die Gemeinschaft von den Adlern abgesetzt wurde, gestaltete sich weniger schwierig, als zu Anfang jeder angenommen hatte.
Gandalf hatte die weitere Vorgehensweise erklärt und führte mit Thorin zusammen die Zwerge und den Hobbit immer weiter ihrem Ziel entgegen. Währenddessen waren vor allem Zauberer und Zwergenkönig andauernd in ernste Gespräche vertieft und unterhielten sich mit niemand anderem. Der Rest der Gruppe war etwas redefreudiger.
Ori hatte es tatsächlich geschafft, Ilèyn dazu zu bekommen, die Namen der Zwerge zu lernen und ihr sein Reisebuch zu zeigen. Auch wenn sie es nicht erwartet hatte, verstand sich die Zwergin gut mit dem Jüngsten der Gemeinschaft. Sie beruhigte Dori, als dieser irgendwann zu dem Gespräch dazustieß und sich erkundigte, ob sein Bruder ihr auch ja nicht auf die Nerven gehen würde. Ilèyn verneinte freundlich und Dori zog seinen Bruder mit sich.
Sie begrüßte es, dass weder Fili noch Kili, noch Thorin oder Gandalf selber sie in eine Unterhaltung verwickeln wollten und so lief sie lange allein für sich, bis Thorin ankündigte, die erste Rast zu machen.
Die Gemeinschaft hatte wieder einige Höhenmeter bewandert und befand sich nun auf erdigem Boden, umgeben von einem Ring aus Felsen. Hier und da hatte sich ein Baum in den Himmel gereckt.
Einige der Zwerge fielen sofort in tiefen Schlaf, nachdem Gloin ein Feuer gemacht hatte. Kili kündigte an, die erste Wache zu übernehmen, was von allen wohlwollend angenommen wurde.
Der junge Schütze saß nun nah beim Feuer, spielte an seinen Pfeilen herum und sah sich immer wieder um. Hin und wieder stand er auf und ging ein paar Schritte.
Ilèyn saß abseits vom Feuer und abseits von den Schlafenden.
Sie war nicht müde. Sie musste über zu vieles nachdenken.
Also alles wie immer.

Kili erhob sich gerade zu seinem nächsten Rundgang. Kurz danach wurde er von der Dunkelheit verschluckt.
Ilèyns Blick ruhte einen Moment auf der Stelle, wo Kili gerade verschwunden war, dann erhob sie sich still und leise. Sie schlich über die weiche Erde, vorbei an den schlafenden Zwergen. Sie passierte den Hobbit, welcher eingerollt wie eine Katze im Windschatten eines Felsens schlief. Einen halben Meter neben ihm kam sie zum Stehen. Zu ihren Füßen lag Thorin Eichenschild. Schlafend, zugedeckt mit seinem schweren Mantel.
Leise ging sie neben ihm in die Hocke und betrachtete das von den Verletzungen des letzten Kampfes durchzogene Gesicht.
Ilèyn zog langsam ihr scharfes Messer und hielt es fest in der rechten Hand, während sie nicht eine Sekunde den Blick von Eichenschild wegbewegte.
Sowas hatte sie schon öfter gemacht.
Heimlich, still, schnell und leise.
Niemand hatte es je gehört oder gesehen.
Sie hatte immer genau gewusst, was und wie sie es tat.
Sie näherte die Klinge der Schlagader an Thorins Hals, sowie ihre behandschuhte linke Hand zu seinem Mund.
Sie würde es locker schaffen, weg zu sein, bevor Kili zurückkam und seinen enthaupteten Onkel hier vorfand.
Los jetzt.
Ilèyns Griff um ihr Messer wurde fester und fester.
Wieso nur?
Wieso nur tat sie sich bei diesem einen Leben so schwer, es aus dieser Welt zu reißen?
Sie kniff ihre Augenlider fest zusammen, wie als würde ihr jemand die Haut aufschlitzen. Sie wankte nach hinten, fiel auf die Erde, mit dem Rücken gegen einen Felsen. Die Kraft in ihrer Hand gab nach und das Messer fiel zu Boden. Sie stieß einen langen Atemzug aus, erschöpft, als wäre sie drei Tage gerannt.
Was war nur los mit ihr?
Sie schlug sich mit der Hand gegen den Kopf. Ihre Gedanken würden sie irgendwann noch umbringen.
Sie setzte ihre Kapuze ab, nahm ihr Messer auf und stützte sich langsam auf die Beine.
Sie schlich weg von Thorins Körper, am Feuer vorbei und auf einen kleinen Pfad, welcher zwischen den Felsen entlangführte. Nur drei Meter weiter endete der Pfad auf einer Art Lichtung. Keine Felsen, keine Steine, ein Platz umringt von Bäumen. Und der silbrige Mond am Himmel, dessen Licht hell herabschien.
Ilèyn trat langsam in die Mitte der Lichtung. Sie verschränkte die Finger hinter ihrem Hinterkopf und schloss die Augen.
Langsam sog sie die kalte Nachtluft ein und spürte, wie diese sich in ihren Lungen ausbreitete.
Die erwartete Enttäuschung darüber, dass sie es nicht geschafft hatte, diesen Auftrag zu beenden kam einfach nicht.
Seit sehr langer Zeit fühlte sich die Zwergin das erste Mal... leicht.
Und frei.
Wie eine Feder im Wind, doch mit eigenem Willen.
Was Ilèyn von diesem Gefühl halten sollte, wusste sie nicht. Es war ihr fremd zufrieden zu sein. Man könnte sogar sagen, es war ihr zuwider. Dieses ganze Glück und die Zufriedenheit, alles läuft perfekt...
Das war tatsächlich nie etwas, was Ilèyn angestrebt hatte. Doch sie spürte, wie all diese nicht vorhandenen Eigenschaften in ihrem Leben fehlten. Und wie sie damit umgehen sollte, war ihr vollkommen schleierhaft.
Doch das Gefühl dieser Gemeinschaft, diese Sicherheit und der Schutz, den sie sich gegenseitig gaben. Das hatte sie so wahrlich noch nie erlebt.
War dies ein erstrebenswertes Leben?

✓ | Vergissmeinnicht ~ Fili FanFiction / Hobbit FanFiction / Fili FFWhere stories live. Discover now