「 Kapitel 30 」

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Die Kälte des eisigen Wassers ließ Ilèyn einige schwere Atemstöße von sich geben, als sie, schneller als es ihr lieb war, in das Wasser eintauchte.
Die Zwerge hatten keine Zeit, um zu zögern oder zu diskutieren, weil jederzeit die Stadtwache erneut auf sie aufmerksam werden konnte. Ilèyn's Kleidung und ihre Waffen zogen sie nach unten und sie musste kräftig strampeln um nicht wirklich unterzugehen. Auch die anderen gaben sehr gequälte Laute von sich, als sie sich im Wasser wiederfanden.
Bard hatte die Gemeinschaft kurz instruiert und erklärt, wie sie vorgehen würden. Dabei bestand die Aufgabe der Zwerge lediglich darin, sich unterhalb der Stege und Häuser an den Holzplanken entlangzuhangeln. Jedoch war Eile geboten, denn durch die Kälte des Wassers ließ die Kraft der Zwerge sehr schnell nach. Zudem mussten sie sich genau an den Weg erinnern, den Bard ihnen beschrieben hatte.
Die Kälte kroch in Ilèyn's Körper, während sie sich zwischen Bofur und Fili durch das Wasser kämpfte, beide Hände am Holz über ihnen. Die Zwerge versuchten keinen Mucks von sich zu geben, doch immer wieder ertönte ein leises angestrengtes Ächzen von irgendwem aus der Gruppe.
Ilèyn hatte sich gar nicht darauf konzentriert, ob sie dem richtigen Weg folgten oder wo genau sie sich nun befanden, viel mehr war sie damit beschäftigt, nicht aus Versehen von den Planken abzurutschen. Sie war Kälte zwar gewohnt, doch bis zum Hals in Eiswasser vorwärts zu kommen und das mit frierenden tauben Fingern war auch für sie eine Herausforderung.
Bofur vor ihr hielt plötzlich an.
Dann waren sie wohl am Ziel. Ilèyn atmete erleichtert aus. Sie spürte wie ihre Arme zitterten und wie ihre Zähne klapperten, als sie nun regungslos im Wasser hing, darauf wartend, dass sie als nächstes an der Reihe war.
Bards Plan beinhaltete, die Zwerge am Ende des Weges ungesehen in sein Haus hineinzubekommen. Ilèyn hatte keine Vorstellung, wie er das schaffen wollte. Doch dass sie immer weiter aufrutschen konnte und sich dem Haus von unten näherte deutete darauf hin, dass er es irgendwie geschafft hatte.
Als Bofur sich vor ihr äußerst ungeschickt nach oben stützte und, deutlich hörbar, stolpernd im Haus zum Stehen kam, war nun endlich sie an der Reihe.
Mittlerweile hatte sie auch bemerkt, wo genau unter dem Haus sie sich eigentlich befanden. Doch über diesen Umstand wollte sie jetzt lieber nicht nachdenken.
Ilèyn streckte sich nach dem hölzernen Rand über ihr. Als sie ihn zu fassen bekam und sich nach oben zog, merkte sie, wie sehr ihr Köcher, ihr langer Umhang und all ihre anderen Sachen an ihr zogen, sodass sie die Hilfe von Bards Sohn, der ihr seine Hand entgegenstreckte gerne annahm. Er zog sie nach oben, sodass sie es irgendwie hinbekam, ein Bein über den Rand zu schwingen und auch ihren zweiten Fuß nun in das Haus zu setzen. Schnell stiefelte sie an dem Jungen vorbei in Richtung der Treppe, die sie alle hinaufgehen sollten.
"Vater, wieso kommen lauter Zwerge aus unserem Klosett?" fragte da eine Mädchenstimme.
Als Ilèyn aufsah, trafen sich ihr Blick und der Blick eines jugendlichen Mädchens mit hellbraunen zurückgebundenen Haaren. Das Mädchen lehnte über dem Treppengeländer und sah die seltsamen Besucher verwundert an.
Ilèyn marschierte bis nach oben und fand sich im Wohnzimmer einer Hütte wieder, welche von einem offenen Kamin beheizt wurde. Eine kleine Küche war zu sehen, sowie kurze Flure, die zu angrenzenden Zimmern zu führen schienen.

Ilèyn nahm sofort ihren Mantel ab und zog ihre Lederstiefel aus. Sie legte sie zu den Stiefeln der anderen zum Feuer und hing ihren Umhang zum Trocknen auf. Sie öffnete die Riemen an ihrem ledernen Wams und streifte ihn sich über den Kopf. Sie legte ihn, zusammen mit dem Köcher und ihrem Bogen, zu ihrem Umhang. Ihre Hose und das Leinenhemd, was sie trug, waren ebenfalls komplett durchnässt.
Bards Töchter eilten zwischen den Zwergen umher, beladen mit jedem Mantel, jeder Hose und jedem Oberteil, das sie finden konnten. Die Zwerge nahmen die Kleidungsstücke an sich und auch Ilèyn nahm der Jüngeren der beiden dankend einen dunkelbraunen Überwurf ab.
Die Gemeinschaft hatte sich etwas in dem Wohnzimmer verteilt, Bilbo saß zitternd direkt vor dem Feuer, in eine dicke Decke gehüllt und neu eingekleidet. Ilèyn warf sich das braune Überteil über den Kopf. Es war wohl als einfaches Oberteil gedacht, doch so weit und lang wie es war, reichte es der Zwergin bis unter die Knie.
Sie seufzte. Provisorische Kleidung, die wenig Nutzen hatte mochte sie nicht wirklich. Doch bis ihre Sachen trocken waren, musste sie wohl hiermit Vorlieb nehmen.
Sie suchte an dem Hemd nach einer Möglichkeit, es in irgendeiner Weise zu schnüren, als sich das Oberteil plötzlich wie von alleine festzog.
"Nicht erschrecken." sagte jemand hinter ihr. Ilèyn zuckte zusammen, als sie die Stimme hörte.
"Zu spät..." grummelte sie.
Fili hatte ein Band, angenäht an Ilèyn's Oberteil entdeckt und verschnürte es schnell hinter ihrem Rücken, sodass es wie ein Gürtel funktionierte.
"Viel besser." sagte Ilèyn etwas erleichtert und begutachtete das Stück Stoff, welches an ihr herunterhing, wie ein lumpiger Fetzen.
"Obwohl..." sie verzog das Gesicht, als sie austestete, wie viel Bewegungsfreiheit sie darin hatte. Nämlich gar keine.
Als sie den Blick wieder hob, sah sie nur, wie Fili sie lächelnd beobachtete. Seine Haare, immer noch halb nass, hingen über seinen Schultern und auch er war bereits in eines der sehr weiten Hemden gekleidet, die sie von den Menschen bekommen hatten.
"Solange es dich warm hält, erfüllt es seinen Zweck." sagte er.
"Es erfüllt gar keinen Zweck, das ist das Problem hier." antwortete Ilèyn und zupfte an den viel zu weiten Ärmeln herum. Die Schützin hatte das erste Mal in Anwesenheit der Zwerge ihren Umhang und ihren Wams abgelegt. Nun war deutlich der streng gebundene Zopf zu sehen, welcher so lang war, dass er ihr ohne Schwierigkeiten bis zum Oberschenkel reichte. Doch Fili erstaunte es deutlich mehr, dass Ilèyn tatsächlich zum ersten Mal alle ihre Waffen abgelegt hatte. Er merkte gar nicht, wie er seinen Blick keine Sekunde von ihr genommen hatte.
Ilèyn spürte, dass Fili sie noch immer ansah, doch sie traute sich nicht, seinem Blick zu begegnen.
"Fili!" kam es plötzlich aus einer anderen Ecke des Raumes. Fili wandte sich und und Ilèyn sah auf. Thorins skeptischer Blick schoss ihr entgegen.
"Komm her!" Bei Thorin standen Balin und Kili und auch die beiden sahen zu Fili und Ilèyn hinüber.
Fili sah kurz über die Schulter und Ilèyn in die Augen, danach lief er zu Thorin und den anderen. Sofort waren die vier in ein ernstes Gespräch vertieft.
In diesem Moment lief Bard an Ilèyn vorbei, die Treppe nach unten.
Die Schützin sah ihm nach.
Kurz darauf erschien er auch schon wieder auf den Stufen, mit einem gefüllten Fischernetz unter dem Arm. In dem Netz waren jedoch keine Fische. Es schepperte metallisch, als der Kahnführer das Netz auf dem Tisch ablegte.
Ilèyn, welche die ganze Zeit etwas abseits gestanden hatte, begab sich nun ebenfalls zu dem Rest der Gruppe, welche mittlerweile um den Tisch stand. Bard löste die Stricke um das Netz und zum Vorschein kamen Gegenstände, die mehr nach Werkzeugen aussahen, als nach Waffen.
Ilèyn trat langsam neben Fili und Kili, die beide fragend zu Bard aufsahen.
Die Zwerge begannen, die Gegenstände vom Tisch zu nehmen und sie ungläubig zu betrachten.
"Was soll das sein?" fragte Thorin voll Argwohn und hielt etwas in der Hand, was aussah, als hätte man drei übergroße Angelhaken auf einen Holzstiel geschlagen.
"Ein Spießhaken." antwortete Bard "Aus einer alten Harpune gemacht."
Ilèyn selbst sah nur dabei zu, wie die Zwerge die waffenähnlichen Dinge begutachteten. Solange sie ihre Waffen noch hatte, machte sie sich vorerst keine weiteren Sorgen.
Neben ihr hatten Fili und Kili ebenfalls etwas in Händen.
"Und das hier?" fragte Kili stirnrunzelnd.
"Ein Krähenschnabel, nun so nennen wir das." sagte Bard "Aus einem Schmiedehammer."
Der Mann entfernte sich etwas von dem Tisch und sah in die Runde.
"Liegt schwer in der Hand, zugegeben. Aber... zur Verteidigung eures Lebens ist es wahrlich besser als nichts."
"Wir haben Euch für Waffen bezahlt." sagte Gloin aufgebracht "Aus Eisen geschmiedete Schwerter und Äxte."
"Das ist ein Scherz!" sagte Bofur wütend und warf das Werkzeug abschätzig zurück auf den Tisch. Die anderen taten es ihm nach und ärgerliches Gemurmel kam auf.
"Man findet nichts besseres außerhalb der Waffenkammer der Stadt." übertönte Bard die unruhigen Zwerge "Alle geschmiedeten Waffen sind dort unter Verschluss."
"Thorin" hob Balin an und wandte sich an den Zwergenanführer "Nehmen wir doch, was da ist und gehen. Ich bin schon mit weniger ausgekommen und du auch."
Ilèyn beobachtete die beiden ernst und trat ein paar Schritte zurück.
"Ich sage, wir brechen auf!" verkündete der alte Zwerg.
"Ihr geht nirgendwo hin!" widersprach Bard hart.
Die Zwerge sahen den Mann entgeistert an.
"Was habt Ihr gesagt?" fragte Dwalin drohend und sah zu dem Kahnführer auf.
"Spione beobachten das Haus und wahrscheinlich jeden Steg und Anleger in der Stadt. Ihr müsst warten bis es dunkel wird."
Auf diese Worte sahen sich die Zwerge enttäuscht und demotiviert an. Am liebsten wären sie sofort aufgebrochen, sie hatten langsam keine Zeit mehr. Und ohne Waffen und viel Verpflegung wusste keiner, wie lange sie noch bis zum Berg brauchen würden.
Thorin, Dwalin und Balin sahen sich zweifelnd an, doch auch sie wussten, dass der Mann Recht hatte. Wohl oder übel mussten sie sich gedulden.

Ilèyn entfernte sich von der Gruppe. Als sie nach ihrem Bogen und ihrem Köcher sehen wollte, sah sie, wie Kili sich, auf einen Holzstab gestützt, vorsichtig und mit schmerzverzerrtem Gesicht auf einer der Bänke niederließ. Ilèyn beobachtete ihn kurz, sie war sich der Verletzung, die er bei dem Kampf an der Brücke davongetragen hatte bewusst und hatte bereits eine leise Vorahnung.
Der Zwerg schielte vorsichtig auf sein rechtes Bein. Ilèyn sah, dass die Stelle sehr provisorisch verbunden war. Nun lief sie durch den Raum zu ihm hinüber.
"Kili." sagte sie und blieb neben ihm stehen.
Der Zwerg sah zu ihr auf. Sie konnte erkennen, dass er versuchte, seine Schmerzen zu verschleiern, doch Ilèyn hatte bereits genug gesehen in ihrem Leben, sodass dieser junge Zwerg definitiv nichts vor ihr verstecken konnte.
"Lass mich das sehen." sagte sie und deutete auf Kilis Bein.
"Mir fehlt nichts, es ist alles gut." sagte der Zwerg schnell und drehte sich etwas zur Seite.
"Lüg mich nicht an." sagte Ilèyn ruhig, aber entschieden. Sie warf Kili einen Blick zu, der ihm bedeutete, dass sie darüber nicht diskutieren würde.
Ärgerlich wie ein kleines Kind drehte Kili sich wieder zu ihr und streckte vorsichtig sein Bein aus. Dabei schien ihn erneut der Schmerz zu durchzucken, doch er ließ Ilèyn die Wunde begutachten. Diese ging dafür in die Hocke.
"Wer hat das verbunden?" fragte sie, während sie den bereits durchgebluteten Stofffetzen von Kilis Oberschenkel entfernte.
"Mein Bruder..." sagte Kili leise. Er traute sich nicht wirklich, die Wunde anzusehen. Wirklich oft schien er noch nicht verletzt gewesen zu sein.
Ilèyn legte das Stück Stoff zur Seite und begann nun, den Stoff der Hose, welcher sich in die Wunde eingearbeitet hatte, aus dieser zu entfernen.
"Zähne zusammenbeißen." sagte sie knapp.
Kili wollte wahrlich keinerlei Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wie er vor Schmerzen jammernd in der Ecke saß. Dennoch konnte er sich ein kurzes, schmerzvolles Stöhnen nicht verkneifen.
Ilèyn hatte den Stoff aus der Wunde entfernt und das kleine Loch in der Hose vergrößert, damit sie genug sehen konnte. Das Blut hatte eine seltsame Farbe angenommen und die Wunde war seltsam geschwollen für eine Verletzung mit einem Pfeil. Ilèyn runzelte die Stirn und tastete über den Wundrand. Damit entlockte sie Kili erneut leise Schmerzensgeräusche und ließ einige Momente später von der Verletzung ab.
"Das ist seltsam..." murmelte sie. So etwas hatte sie schon seit sehr langer Zeit nicht mehr gesehen, weswegen sie lieber keinen voreiligen Schluss ziehen wollte.
Kilis leises Wehklagen hatte nun doch dazu geführt, dass Fili auf die beiden aufmerksam wurde. Er kam schnell zu ihnen hinübergelaufen und legte Kili eine Hand auf die Schulter, während er Ilèyn dabei zusah, wie sie die Wunde untersuchte.
"Was kannst du für ihn tun?" fragte der Blonde mit Sorge über seinen Bruder.
"Die Wunde sollte zuerst gereinigt werden..." sagte Ilèyn und dachte nach. Sie sah auf und von Fili zu seinem jüngeren Bruder.
"Ich denke, ich habe etwas gegen die Schmerzen." fügte sie dann an und erhob sich. Das schien die Brüder etwas zu beruhigen.
Ilèyn lief zu ihren Sachen, die mittlerweile schon halb trocken waren und kramte ihren Gürtel hervor. Sie entfernte eine lederne Tasche, gefüllt mit kleinen Glasfläschchen und kehrte zu dem Braunhaarigen zurück. Fili hatte derweil eine kleine Schüssel mit Wasser geholt und begonnen, das alte Blut abzuwaschen.
Die Wunde war schnell gereinigt und Ilèyn suchte eines der kleinen Fläschchen aus der Tasche heraus. Jetzt sah sie auch, welche unnatürliche Färbung die Haut um die Einschussstelle angenommen hatte. Es war nicht wirklich deutlich zu erkennen, doch wenn man genau hinsah, konnte man eine seltsame Veränderung der Farbe der Haut und des Blutes ausmachen.
Ilèyn riss einen kleinen Fetzen aus Kilis Hosenbein, tränkte diesen in der Flüssigkeit der Phiole und drückte ihn auf die Wunde. Kili verzog das Gesicht und spannte sich an, doch ein paar Sekunden später entspannten sich seine Züge wieder und er wirkte etwas erleichtert.
Ilèyn verrieb die restliche Flüssigkeit an dem Stoffetzen um Kilis Wunde. Fili hatte ein längeres Stück Verband von Oin aus dessen Tasche bekommen, damit umwickelte Ilèyn nun Kilis Oberschenkel. Sie erhob sich.
"Trink davon. Nur eine Zungenspitze, auf keinen Fall mehr." sagte sie und hielt Kili das Fläschchen unter die Nase.
"Was passiert sonst...?" fragte Kili unsicher.
"Deine Atmung wird gelähmt und du wirst qualvoll ersticken." antwortete Ilèyn trocken und nahm Kili die Phiole aus der Hand, nachdem er daran genippt hatte. Sie lief zurück zum Feuer und verstaute alles wieder bei ihren Habseligkeiten.
"Geht es dir etwas besser?" fragte Fili seinen Bruder und sah ihn ernst und besorgt an.
"Es... schmerzt nicht mehr so stark." antwortete Kili "Ich fühle mich ein bisschen besser."
Froh darüber, dass es seinem Bruder etwas besser ging, folgte Fili Ilèyn zur Feuerstelle.
"Danke." sagte er leise und sah in die Flammen.
"Ich habe so etwas schon mal gesehen, ich bin mir jedoch nicht sicher..." antwortete Ilèyn nur "Ich konnte ihm die Schmerzen nehmen, aber das nur für eine kurze Zeit."
Fili sah sie unsicher an. Sein Blick wanderte wieder zurück zu seinem Bruder, der gedankenverloren aus dem Fenster sah.

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✓ | Vergissmeinnicht ~ Fili FanFiction / Hobbit FanFiction / Fili FFWhere stories live. Discover now