「 Kapitel 26 」

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Ihre Beine und Füße schmerzten bereits etwas von den vielen Sprüngen und dem felsigen Boden. Doch Ilèyn rannte immer weiter und ließ nicht zu, dass ihr Körper sie daran hinderte, die Zwerge noch einzuholen.
Sie wusste, wohin der Fluss die Fässer leiten würde und wer sie dort erwarten würde. Sie wusste auch, dass die Ork-Meute direkt hinter ihr war und sie zusehen musste, dass sie genug Zeit gut machte.
Der Fluss neben ihr wurde ruhiger, als sie die zerklüftete Umgebung des Düsterwalds verließ und sich dem Tal näherte. Weit konnte sie nicht hinter den Zwergen zurückgefallen sein, was bedeutete, dass sie sie an der Mündung des Flusses in den Langen See östlich des Düsterwalds antreffen müsste.
Was wohl Thorin und die anderen von ihrer Rückkehr halten würden?
Bei Fili und Kili war sie sich sicher, dass sie ihr verzeihen würden und sie ohne Zögern wieder in ihren Reihen aufnehmen würden.
Genauso sicher war sie sich bei Bilbo, Bofur, Balin und Nori.
Wenn sie es recht bedachte, lagen ihre Zweifel einzig und allein bei Thorin selber. Er hatte sie eingeladen, weiterhin der Gemeinschaft anzugehören. Doch seitdem war recht viel passiert. Recht viel Unschönes...
Sie hatte mitbekommen, wie prüfend er ihre Handlungen verfolgte. Und immer, wenn sie mit Fili sprach, wirkte es, als würde Eichenschild sich um jeden Preis in die Gespräche drängen oder seinen Neffen von ihr entfernen wollen.
Die hohen Felsen, zwischen denen sich der Fluss hindurchgegraben hatte, senkten sich ab und bald sprudelte das klare Flusswasser direkt zu Ilèyns Füßen.
Sie hatte das Tal erreicht und sah sich nach einem Weg um, die Flussmündung schnellstmöglich zu erreichen. Sie hielt sich weiter am Ufer, spähte immer wieder auf die andere Flussseite und lauschte konzentriert in den Wald direkt neben ihr hinein. Jeden Moment könnten die Orks sie überfallen. Mit diesem Gedanken reiste sie wahrlich ungern.

Es raschelte.
Sofort hechtete Ilèyn in den Schutz eines Felsens, den Bogen zur Hand, einen Pfeil abschussbereit.
Neben ihr murmelte der Fluss das Flussbett hinab, die Bäume rauschten leise.
Ilèyns Augen huschten fieberhaft zwischen den Bäumen, dem Flussufer und dem Weg, den sie gekommen war hin und her.
Noch ein Rascheln, darauf ein Knacken.
Ilèyn sprang hinter dem Felsen hervor und zielte auf die Quelle des Geräusches.
"Haltet ein!" tönte es hinter einem Baum hervor.
Ilèyn kniff die Augen zusammen.
"Wer ist da?" rief sie angespannt "Zeigt Euch!"
Eine Gestalt erschien hinter dem Baum, Pfeil und Bogen zur Hand, auf Ilèyns Kopf zielend. Graue Augen starrten zu ihr herüber, mehr mit Angst gefüllt, als mit Mut. Dunkelblondes Haar, mit kleinen Zöpfen verziert schmückte ihren Kopf, spitze Ohren lugten unter ihren Haaren hervor. Lange Finger hielten die Bogensehne in einem recht zittrigen Griff.
Beide standen sich gegenüber, beide zielten aufeinander, beide hatten ihren Blick fest auf ihr Gegenüber geheftet.
"Du bist es..." sagte das Elbenmädchen "Ilèyn..."
Die Zwergin ließ den Bogen langsam sinken.
"Diari...?" fragte sie zögernd.
"Ja..." sagte die Elbin und ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Sie nahm die Waffe nach unten und fing leise an zu lachen.
"Du bist es wirklich!" platzte es freudig aus ihr heraus und sie kam auf die Zwergin zugerannt. Die Elbin schloss sie in eine feste Umarmung, welche so stark war, dass Ilèyn ein hilfesuchendes Stöhnen hervorpresste. Durch den Größenunterschied hoben Ilèyns Füße vom Boden ab.
"Oh, Verzeihung, Verzeihung." sagte Diari daraufhin und stellte Ilèyn wieder ab "Körperkontakt und das alles... ich weiß schon." Verlegen kratzte sie sich an einem ihrer spitzen Ohren.
Diari war wohl die einzige Person in Thranduils Palast, die Ilèyn kannte, wie kein anderer es tat. Zumindest was die Zeit vor Ilèyns Exil anging. Von Beginn an trainierten sie zusammen, jagten zusammen, kämpften zusammen. Die junge Elbin war immer eine aufgeweckte, fröhliche, offene und zuversichtlich Zeitgenossin gewesen, alles Eigenschaften, die Ilèyn recht wenig in sich trug.
Die Zwergin war dafür eher die Kämpferische, etwas Sture, Eigensinnige gewesen, zudem eine talentierte Heilerin. Sie waren das perfekte Team und ergänzten sich ideal. Ilèyn zeigte Diari Tricks im Kampf, erklärte ihr das Fallenstellen und weitere Dinge.
Diari hatte sie hingegen in sämtlichen Lebenslagen unterstützt, mit denen Ilèyn nicht umgehen konnte, insbesondere nach dem Tod ihrer Mutter.
Die offenherzige Art und das Glück, was Diari in die Welt hinaustrug, war für Ilèyn schon immer recht befremdlich gewesen. Sie konnte sich nicht vorstellen, Emotionen zu zeigen, egal in welcher Hinsicht. Diari hatte ihr oft versucht zu erklären, wie es sich mit Emotionen verhielt und Ilèyn hatte versucht zu verstehen. Viele Abende und Nächte hatten sie mit Gesprächen und Diskussionen gefüllt, über einfach alles.

"Ja... keine Sorge." sagte Ilèyn belustigt, als die Elbin sie wieder absetzte und lächelte diese leicht an "Ich bin es wirklich, Diari. Ich freue mich, dich zu sehen!"
"Ich kann es einfach nicht glauben! Als die Palastwache darüber getuschelt hatte, dass Ilèyn zurückgekehrt sei, habe ich mich gar nicht getraut zu hoffen, dass du wieder hier wärst."
"Warum bist du hier unten im Tal. Und dann auch noch alleine?" fragte Ilèyn "Eine Horde Orks ist hinter mir her, sie werden bald hier sein. Ich habe keine Zeit, ich muss die Zwerge einholen."
Ilèyn fasste Diari am Arm.
"Du musst hier verschwinden, ehe sie dich entdecken, Diari." sagte sie ernst.
"Ich weiß von den Orks, ich..." Diari suchte nach den richtigen Worten "Ich habe der Wache nicht geglaubt... Ich musste mich unbedingt selber davon überzeugen, dass du es bist."
"Ich wünschte, ich könnte dir alles erzählen..." sagte Ilèyn bedauernd "Es gibt vieles zu berichten."
"Was hast du mit diesen Zwergen zu schaffen, Ilèyn?" fragte Diari etwas misstrauisch, sah die Zwergin jedoch äußerst besorgt an.
Ilèyn sah kurz zu Boden.
"Ich kann dir das jetzt nicht erklären..." seufzte sie "Es tut mir leid, Diari, wir haben keine Zeit mehr. Du schaffst es nicht gegen die ganze Horde, du musst sofort hier weg, hörst du?" Ilèyn wandte sich zum Gehen.
"Wir haben uns jetzt erst wieder getroffen und schon verschwindest du wieder!" sagte Diari entrüstet und vergaß die Orks, die ihnen im Nacken saßen "Das kannst du mir nicht antun, Ilèyn!"
Die Zwergin drehte sich nicht zu ihr um und sah nur über ihre Schulter.
"Ich sorge mich um dich, versteh das doch! Ich weiß, du magst das nicht und ich weiß, du denkst, du könntest immer alles alleine schaffen, aber..." Diaris Stimme zitterte etwas. Erneut suchte sie nach Worten.
"Du hast die Möglichkeit hier zu bleiben, also bitte bleib bei mir..."
"Ich habe keine einzige Möglichkeit hier, Diari!" sagte Ilèyn laut und fuhr herum "Thranduil hasst mich, meine Familie ist zerstört und ich würde auf ewig ein Außenseiter bleiben! Ich habe keine Zukunft in diesem... dunklen Loch, was die Waldlandelben Palast schimpfen!"
Diari blickte Ilèyn geschockt an. Sie kannte die Sichtweisen der Zwergin und bekam alles mit, was damals im Palast passierte.
"Irgendwann werden du und deine Familie wieder zueinander finden!" sagte sie zuversichtlich.
"Hör auf damit!" rief Ilèyn. Als sie bemerkte, wie laut sie gegenüber ihrer alten Freundin geworden war, atmete sie tief aus.
"Hör einfach auf..." sagte sie erschöpft "Nicht alles endet gut, Diari... etwas, was du lernen musst..."
Die junge dunkelblonde Elbin senkte den Blick.
Die Freundinnen standen sich gegenüber, wie Fremde, dennoch vertraut zueinander. Ilèyn spürte, wie Diari sie mehrfach musterte.
"Du hast dich sehr verändert, Ilèyn..." sagte die Elbin leise "Und trotz allem habe ich das Gefühl, dich immer noch so gut zu kennen, wie damals..."
Ilèyn sah zu Diari auf.
"Weil es die Wahrheit ist." sagte sie und lächelte matt "Du kennst mich einfach zu gut, Diari..." Ilèyn versuchte nun, etwas positiv zu klingen, was ihr dieses Mal auch gelang.
Ihre Aussage ließ die Elbin sanft lächeln.
"Geh." sagte sie "Beeil dich. Dann wirst du sie bestimmt noch finden."
Ilèyn schmunzelte Diari an.
"Wir werden uns bald wiedersehen, das verspreche ich dir." sagte sie und die Abenteuerlust in ihrer Stimme kam zum Vorschein.
"Nichts anderes hätte ich erwartet, wenn wir uns begegnen." sagte Diari lächelnd und zwinkerte ihr zu.

Ilèyn wandte sich um und lief ein paar Schritte.
Dann drehte sie sich noch einmal zu Diari um.
"Wenn du den Palast erreichst, geh zu Legolas und erzähl ihm von unserer Begegnung." sagte sie "Er wird die richtige Entscheidung treffen. Und du solltest dafür sorgen, dass du in dieser Entscheidung inbegriffen bist."
Ohne auf eine Antwort zu warten machte Ilèyn kehrt und rannte den restlichen Weg hinunter ins Tal.
Die Begegnung mit Diari hatte sie nachdenklich gemacht. Die Freude, sie wiederzusehen, wurde überschattet von dem überstürzten Aufbruch und der Sorge, die in Ilèyn aufflammte. Sorge darüber, dass Diari nun mitten in die Ork-Meute hineinlief und diese sie schnappen würde. Ilèyn fühlte sich alles andere als wohl mit diesem Gedanken.
Bevor sie sich jedoch weiterhin Sorgen darum machen konnte, erschien der Lange See vor ihren Augen.
Der Düsterwaldfluss mündete in den großen See, mitten auf ihm, verborgen im leichten Nebel, konnte man die unklaren Umrisse von Esgaroth ausmachen. Der Seestadt.
Ilèyn genoss den frischen Luftzug, der vom See zu ihr herüberwehte und begab sich weiter zur Flussmündung.
Noch war die Mündung nicht komplett einsehbar, als Ilèyn um einen Felsen bog, erkannte sie jedoch sofort einige der Fässer aus dem Waldlandreich auf den Steinen liegen.
Sofort suchten ihre Augen hastig die Umgebung ab, bis sie tatsächlich Ori erkannte, der am Fluss saß und seinen Stiefel ausleerte, ein ganzer Wasserschwall kam aus dem Stiefel hinaus.
Ilèyn hielt weiterhin auf die Gruppe zu, auch die anderen Zwerge erschienen in ihrem Blickfeld. Ein gewaltiger Stein fiel von ihrem Herzen, als sie Fili unter ihnen erblickte, soweit unverletzt, wie es aussah.
Gerade wollte sie nach ihnen rufen, als Bewegung in die Gruppe kam. Dwalin erhob abwehrend einen Ast und brüllte und auch Fili und Kili waren drauf und dran, mit Steinen zu werfen.
Was ging da unten vor sich?

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