21. Kapitel

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Die Farbe eines Sterns rührt von seiner Temperatur her, somit sind blaue Sterne die heißesten

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Die Farbe eines Sterns rührt von seiner Temperatur her, somit sind blaue Sterne die heißesten.

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Fühlte sich so schweben an? Denn ich schwebte. Schwerelos schwebte ich durch die Trümmer meines Lebens, ohne dabei irgendetwas zu fühlen. Außer vielleicht Euphorie. Bahnbrechende Euphorie die der Zündstoff meiner Nerven war. Sie explodierten, einer nach dem anderen. Peng. Peng. Peng.

Eigentlich hatte ich nach dem Training einen Mordshunger gehabt, auf einen schönen fettigen Burger, doch dieses Verlangen hatte sich aus irgendeinem Grund verflüchtigt. Ich hatte keinen Hunger mehr. Außer auf Ellie. Und die war nicht in Reichweite. Vielleicht war es auch besser so. Oder auch nicht. Wer wusste das schon. Meine Nase lief ein bisschen, also zog ich sie hoch um wieder besser atmen zu können. Atmen. Wann konnte ich das letzte Mal richtig atmen?

Ich genoss mein Hochgefühl, die Euphorie und die Schärfe, in der auf einmal alles erschien. Alles war so bunt, so klar, so scharf gestochen. Mein Gehirn nahm auf einmal jedes Detail auf, war so viel leistungsfähiger als zuvor und ich fühlte mich sogar, als könnte ich Marcus Tullius Cicero zum Leben erwecken und ihm bei einer Runde Debattieren haushoch schlagen. Oder gegen Albert Einstein bei einem IQ Test übertrumpfen.

Mein Leben erschien nicht mehr ganz so scheiße, wie noch vor ein paar Stunden. Hatte ich ernsthaft rumgeheult, weil ich für meine Mutter nur an zweiter Stelle stand? Das Kind bin, dass sie nie wollte aber dummerweise auch das Kind, das noch lebte? Jetzt lachte ich über diesen Schmerz, der sich vorhin noch in meine Brust gebohrt hatte. Jetzt strich die Klinge nur noch zärtlich über meine Brust, eine wissende Drohung, aber nicht mehr und auch nicht weniger.

Das Autoradio lief und auch wenn man auf Drogen lieber von anderen umgeben sein sollte, störte es mich in diesem Moment nicht. Eigentlich, bin ich ganz froh darüber alleine zu sein. Weil ich mich so mit niemand rumschlagen und keiner mich belehren muss. Schließlich, bin ich alt genug um selbst zu entscheiden, was ich nehme und was nicht.

Von Zales Kumpels hatte ich mich gerade erst verabschiedet und stand jetzt vor unserem Wohnungsgebäude. Eine schlechte Idee, wenn ich ehrlich war. Ich hätte doch lieber bei Zale und seinen Kumpels bleiben sollen. Aber die konnte ich einfach nicht ausstehen.

Das waren Arschlöcher, die Koks und Gras nutzten, um ihren Problemen zu entfliehen, wie ich, nur mit dem Unterschied, dass ich mich in meinem normalen Zustand nicht wie der größte Wichser auf Erden aufführte. Ich war ein kleingeistiger Wichser, das schon. Aber kein großer. Obwohl der Rest an mir natürlich sehr groß und beeindruckend war.

Ich wippte mit dem Kopf zum Takt von einem Song von Miley Cyrus. Der, bei dem sie im Musikvideo halbnackt auf einer Abrissbirne saß. Summte leise mit. Etwas, dass ich ohne Koks in meinem Blutkreislauf wohl nie getan hätte. Weder nackt auf einer Abrissbirne sitzen, noch zu dem Song im Takt wippen. Oder gar Summen. Bevor ich ausstieg, aus meinem Auto dessen Hitze mich definitiv erdrücken wollte, wischte ich noch den Rest des weißen Pulvers mit einer fahrigen Handbewegung beiseite, damit es nicht auf meinem Armaturenbrett liegen blieb. Es erinnerte an einen Unfall mit einem Salzstreuer. Als hätte ich versucht, ein Steak zu salzen. Ein Steak, das ich nicht einmal hatte.

WINTER EYESWhere stories live. Discover now