Chapter two

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sieben Jahre zuvor,
Juli

Ich wollte einfach nur weg von hier. Einfach nur gehen. Es war meine erste Woche in meinem neuen Job und sie war beschissen. Nicht, dass meine Kollegen beschissen waren, nein. Sie waren wirklich toll. Freundlich und verständnisvoll. Das Problem war auch nicht mein neuer Chef, denn er war ebenso toll, wie die anderen.

Nein, ich war das Problem. Ich fühlte mich fehl am Platz, alleine, weil ich ungefähr 1865 Meilen von meiner Heimat entfernt arbeitete und nun auch lebte. In einer winzigen Wohnung, in der ich kaum Platz für mich selbst hatte. Ja, auch sie war in einer recht netten Gegend, aber reichte das aus, um sich wohl und zu Hause zu fühlen? Ohne auch nur eine, einzige Person privat zu kennen, mit der man sprechen konnte. Über das, was einen bedrückte. Zum Beispiel, dass ich mich fragte, ob ich nicht doch eine falsche Entscheidung getroffen habe und es ein riesen Fehler war, nicht in meiner Heimat zu studieren? Ob es dumm war, so weit von seiner Familie weg zu ziehen, um Journalistin zu werden? Wen sollte ich fragen? Es blieb nur mich selbst und meinen älteren Bruder Jarod, den ich bloß anrufen konnte, da er in New Mexico geblieben war und dort studierte. Jura, um genau zu sein.

Es redeten alle um mich herum, dass es ja Freitag Abend sei und wir uns alle einen Drink verdient hätten. Ich sagte noch kein Wort, kein ja, kein nein. Und ich hatte auch nicht wirklich zugehört.

„Jane, was ist mit dir?", fragte eine meiner neuen Kolleginnen. Sie war direkt erkennbar mit ihrer hellen Stimme und dem dickem, langem, feuerrotem Haar. Ihr Name war Lily Fields. „Wir wollten alle in eine Bar, kommst du mit? Das machen wir meistens jeden Freitag.", erklärte sie freundlich.

Wenn ich nein sagte, würde ich es mir selbst kaputt machen. Und sie hassten mich nicht, fanden nicht, ich sei dämlich, weil ich Anfängerfehler machte. Ganz normale Fehler, die jedem passieren konnten. Weil wir alle nur Menschen waren. Aber ich nahm es mir viel zu sehr zu Herzen.

„Okay, klar. Wieso nicht?", stimmte ich zu, mit dem Versuch, gut gelaunt zu klingen.

•••

Es wurde ziemlich spät. Für mich jedenfalls und einige andere im Team. Die meisten zischten nach zwei, drei Stunden ab. Aber ich konnte mich noch nicht dazu aufraffen. Denn wenn ich ehrlich war, gefiel es mir hier sehr gut. Die Barkeeper und Kellner waren unfassbar freundlich und noch dazu verstand ich mich äußerst gut mit Lily. Ich schätzte sie zwar schon ziemlich nett ein, aber das war vollkommen unterschätzt von mir. Sie war nett, zuvorkommend, hatte Humor und war witzig.

„Bist du von hier?", hatte sie gefragt.

Ich schüttelte den Kopf. „Ich bin aus Santa Fe, also New Mexico. Bin vor einem Monat her gezogen.", antwortete ich ihr. Ich merkte an meiner Stimme, dass ich definitiv Alkohol-Intus hatte.

„Ah, krass. Alleine?", hakte sie interessiert nach.

„Ja, genau. Ich kenne eigentlich niemanden hier."

„Falsch!", bemerkte sie. „Du kennst jetzt mich." Wir beide lachten. Und mit einem Mal fühlte ich mich schon um einiges besser.

„Ich finde es krass mutig, dass du dich das getraut hast. Ich hätte das niemals gemacht. Ich bin hier aufgewachsen und würde es niemals wagen, je einen Fuß aus Miami zu setzen.", sagte Lily.

Ich lächelte. „Danke."

Es dauerte nicht lange, da wusste ich, dass Lily aus der anderen Seite der Stadt stammt und nur wenig Kontakt zu ihren Eltern hatte, da sie sich in ihrer Kindheit scheiden lassen haben und seitdem alles aus dem Ruder lief. Sie war genau dreizehn, als das passierte. Ihre Eltern versuchten sie beide für sich zu gewinnen, bis sie sich irgendwann für ihre Mom entschieden hatte. Seitdem hatte sich ihr Dad nie wieder gemeldet und das Verhältnis zu ihrer Mom war ziemlich angespannt.

„Ich bin eben mal für kleine Mädchen.", winkte sie sich aus.

„Klar."

Nachdem sie weg war, entschied ich für mich, dass das heute definitiv mein letzter Scotch sein sollte.

„Zwei Scotch, bitte. Den besten, den ihr habt.", erklang eine tiefe Stimme direkt neben mir. Wir saßen direkt an der Bar, an denen die meisten bestellten, oder sich etwas abholten, doch bisher ist mir keine Stimme so derartig aufgefallen. Sie klang schön. Vielleicht war das mein betrunkenes Ich, aber ich konnte nicht anders, als etwas zu sagen.

„Sehr gute Wahl, Mister.", funkte ich dazwischen.

Der junge Mann drehte sich zu mir, musterte mich kurz und grinste. „Wenn Sie das sagen."

Ich erstarrte kurz. Meine Augen hafteten an seinem bildschönem, markantem Gesicht, dass mit einem Dreitagebart ausgezeichnet war. Jedoch konnte ich seine Augenfarbe nicht erkennen. Leider.

„Oh, sag doch bitte du."

„Okay, wenn du das sagst.", wiederholte der Mann sich. Er hatte dunkle Haare.

Mir wurde warm. Ziemlich warm. Und ich war mir sehr sicher, dass mein Gesicht auch genau solche Farbe annahm. Zum Glück war es dunkel. Und wieso sah er mich so an? Ich musste wissen, wer er war.

„Ich bin übrigens Jane.", stellte ich mich ihm einfach so vor. Ohne darüber nachzudenken.

„Josh. Freut mich, dich kennenzulernen, Jane.", entgegete er lächelnd. Josh, hieß er also. „Und, was machst du so, Jane?"

„Ich arbeite als Journalistin.", sagte ich stolz. „Zumindest will ich das.", fügte ich hinzu. „Und du?"

Josh stieß ein Lachen aus. „Sieht man das nicht?"Ich runzelte die Stirn. Dann sah ich an ihm hinunter und erkannte eine Polizei-Uniform.

„Oh, achso! Stripper. Wieso sagst du das nicht gleich? Ich dachte schon, du wärst ein Cop."

Er lachte. Und es klang nicht falsch. Es war ein ehrliches Lachen, obwohl ich gerade den schlechtesten Witz der Welt gerissen habe.

Und dann...

Stille.

Und verdammt. Dunkle Augen strahlten mich in der Dunkelheit an. Jedenfalls sah es für mich so aus. Mein Herz machte einen Hüpfer und ein warmes Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit. Ein kleines Lächeln zeichnete sich auf mein Gesicht.

Dann räusperte sich jemand. Es war der Barkeeper, der Geld von Josh wollte, wegen den zwei Getränken, die er bestellt hatte. Warte, zwei? War er mit jemandem hier?

„Ich denke, ich sollte gehen. Mein Kollege wartet schon hinten." Er zeigte auf einen anderen Mann, ebenfalls in Polizei-Uniform. Er war also nur mit einem Kollegen hier.

„Klar, geh nur.", stimmte ich zu.

„Aber... Bekomme ich vielleicht deine Handynummer?"

Gott, sei Dank!

„Natürlich", lächelte ich. „Gib mir dein Handy und ich tippe sie ein." Josh reichte mir sein Handy, nachdem er ein neues Feld für einen neuen Kontakt geöffnet hatte. Ich tippte sie ein und reichte ihm sein Handy wieder. „Dann gehe ich davon aus, dass wir uns sehen?", hakte ich nach.

Er nickte. „Bis dann.", verabschiedete er sich und ging mit den zwei Gläsern zurück zu seinem Kollegen.

Ich drehte mich wieder zur Bar um und konnte mir ein breites Grinsen nicht verkneifen. Ich bezahlte meine Drinks und wollte gehen. Dabei vergaß ich, dass ich immer noch auf Lily wartete.

„Hey, hey, hey!", hielt sie mich vom gehen auf. „Wo willst du denn hin?"

„Nach Hause. Sorry, ich glaube, ich hatte genug heute. Es war echt toll."

„Na, davon gehe ich aus. Wer war denn der Typ eben, mit dem zu gesprochen hast? Sah ziemlich intensiv aus, von hinten."

„Oh, er heißt Josh. Ist ein Cop."

„Offensichtlich." Wir lachten.

„Und gutaussehend noch dazu. Das sieht man sogar von den Toiletten aus, meine Güte!", schwärmte sie. „Hast du seine Nummer?"

Ich schüttelte den Kopf. „Er hat meine."

„Dann sehen wir mal...", meinte sie. „Dann sehen wir uns Montag, richtig?"

„Richtig."

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