▸ Chevy Chase

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Sam POV ◂

"Was war das denn bitte?", lachte Katie während sie sich ihre Handtasche über die Schulter warf und die letzten Gläser, die sie gerade abgespült hatte noch schnell zurück unter die Theke stellte.
"Was?", fragte ich verwirrt, doch schon im nächsten Moment beschlich mich ein Ahnung auf was - oder besser gesagt auf wen - Katie da anspielte.
"Du hast dich ewig keinem gegenüber mehr so benommen", erwiderte Katie grinsend und schloss die Tür des Columbia hinter uns ab. "Zumindest seit Derek..."
Ich stöhnte genervt. "Oh Mann, komm mir jetzt bloß nicht mit Derek"
Schnell versuchte ich meine peinlichen Versuche, die Aufmerksamkeit meines damaligen Schwarms zu bekommen, aus meinen Gedanken zu verdrängen.
Katie kicherte und lief dann die Straße hinunter zu ihrem Auto. Sie hatte einen verdammt schnellen Schritt - selbst mit den unglaublich hohen Absätzen ihrer neuen Stiefel - so dass ich kaum mit ihr mithalten konnte.
"Also? Erzählst du mir jetzt endlich was hier so passiert ist, während ich weg war?", nörgelte Katie.
Seufzend ließ ich mich auf den Beifahrersitz fallen und schaltete das Radio ein.
"Nichts ist passiert. Diese Amelia stalkt mich nur anscheinend seit ein paar Tagen... Keine Ahnung, was ihr Problem ist. Am Anfang dachte ich noch, dass wir uns durch Zufall ständig über den Weg laufen. Aber irgendwie versucht sie mich jedes Mal zu demütigen"
"Demütigen würde ich das jetzt nicht nennen", fiel mir Katie ins Wort und startete den Motor.
"Irgendetwas ist jedenfalls faul an dieser britischen Anstandsdame. Und das werde ich schon noch beweisen. Und wenn ich sie dazu ebenfalls stalken muss!", erklärte ich und überging dabei den Kommentar meiner besten Freundin.
"Das ist eine ziemlich seltsame Art, jemandem zu zeigen, dass man ihn gut findet", witzelte Katie.
"Aber Mal im Ernst, Sam: Das klingt wirklich etwas schräg."
Ich schnaubte.
"Wie kommst du darauf ich würde sie gut finden?"
Sie lachte bloß.
"Ich bitte dich, Smartie! Ich bin deine beste Freundin seit wir klein waren. Ich habe sogar deine Backstreet Boys-Fangirlphase miterlebt", meinte sie. "Außerdem muss dir das doch nicht peinlich sein. Ich hatte auch mal was mit einer Frau... wenn auch nicht so richtig"
Im Gegensatz zu Katie fühlte ich mich gerade nicht in der Stimmung, viel zu reden - was unter anderem daran lag, dass ich nicht genau wusste, was ich denken, geschweige denn sagen sollte. Also starrte ich bloß auf meine Fingernägel, von denen der lilafarbene Nagellack schon viel zu sehr abgeblättert war. Schnell verbarg ich meine Finger unter den Ärmeln meiner Lederjacke.
Katie stoppte an einer roten Ampel und warf mir einen dieser typischen Katie-Blicke zu.
Anscheinend erwartete sie immer noch eine Erklärung von mir.
Ich biss mir auf die Lippe und blickte aus dem Fenster.
"Ich stehe nicht auf Frauen", murmelte ich. "Also nicht, dass ich ein Problem damit hätte. Aber ich war bisher einfach immer in Männer verknallt"
Ich schluckte. Hatte ich überhaupt jemals darüber nachgedacht? Konnte ich mir wirklich sicher sein, kein Interesse an Frauen zu haben?
Schnell schüttelte ich den Gedanken ab und redete weiter.
"Außerdem kann ich diese Amelia nicht ausstehen. Sie ist viel zu..."
Ich rang nach Worten.
"Viel zu was?", hakte Katie nach.
Verdammt. Da hätte mir wirklich schneller etwas einfallen müssen!
Grimmig zog ich die Augenbrauen zusammen.
"Viel zu... so eben"
Nach einer kurzen Pause fügte ich hinzu: "Und drittens ist sie bereits in festen Händen"
Katie runzelte skeptisch die Stirn.
"Ach und das weißt du, weil du dich ja so gar nicht für sie interessierst", murrte sie sarkastisch.
"Es ist grün", sagte ich schlicht.
Katie seufzte, trat dann jedoch aufs Gas und fuhr Richtung Chevy Chase, ohne mich weiter auszuquetschen.
Chevy Chase war eines der ruhigeren Stadtviertel Washingtons, in das ich bereits kurz nach meinem Abschluss gezogen war. Mein Dad hatte mir damals eine großzügige Summe hinzubezahlt, damit ich mir meinen Traum von einem eigenen kleinen Haus erfüllen konnte. Ich war nie wirklich der WG-Typ gewesen und da man als Inspektorin so einiges verdiente, hatte ich es für das Beste gehalten, direkt nach meiner Ausbildung sesshaft zu werden, statt wie Katie von einem Apartment ins nächste zu ziehen.
Im Dunkeln hatte das kleine Stadtviertel etwas Beruhigendes an sich. Egal, was im Zentrum vor sich ging, hier blieb immer alles beim Alten. Schweigend blickte ich aus dem Fenster und beobachtete, wie die kühle Abendluft die Fensterscheiben langsam zum Beschlagen brachte.
Nachdem Katie vor meinem Haus angehalten und sich mit den Worten, wir müssten uns in den nächsten Tagen auf jeden Fall noch einmal treffen, von mir verabschiedet hatte, stieg ich aus und lief den schmalen Kiesweg entlang, der zu meiner Veranda führte. Ich brauchte einige Zeit, um meinen Schlüssel wiederzufinden und die elfenbeinfarbene Holztür aufzuschließen.
Schwungvoll ließ ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen und lief ins Wohnzimmer, wo ich mich erschöpft aufs Sofa plumpsen ließ.
Der heutige Tag war eindeutig zu ereignisreich gewesen.
Und was zum Teufel war mit mir los?
Wieso faszinierte mich diese arrogante Britin so sehr, obwohl sie mich verdammt nochmal nervte?!
Ich hatte das Gefühl, noch nie so wenig Überblick über meine eigene Gefühlswelt gehabt zu haben.
Doch ich ahnte bereits, dass es mir in der nächsten Zeit wohl häufiger so gehen würde.

The Devil is FemaleWhere stories live. Discover now