Kapitel 60

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Fassungslos sah ich ihn an. Unbewusst begann ich zu zittern. "Und das sagst du mir JETZT?", brüllte ich ihn an. Wie konnte er nur? "Justin ist mein Leben und du sagst mir JETZT, dass er in Gewalt der Volturi ist? Weißt du eigentlich...? Du Arsch!", schrie ich. Dafür konnte ich einfach keine Worte finden.

"Nur weil du Bella gefunden hast, heißt das nicht, dass du das Recht hast über meine Liebe zu entscheiden, okay? Ich hoffe wirklich, dass du das mit deinem Gewissen vereinbaren kannst, Edward. Denn wer tot ist, dann..." Aus meiner Hand schossen heiße Flammen.

Sofort stand seine Frau neben ihm und sah mich warnend an. "Sam, tu nichts, was du später bereust." Ich schnaubte verächtlich auf. "Wie würdest du denken, wenn dein Freund ein Mensch, in Gewalt der Volturi und vermutlich tot ist. Obwohl du fast 400 Jahre auf ihn gewartet hast. Und es jemand wusste! Und NICHTS gesagt hat!"

Nun sah auch sie Edward vorwufsvoll an. "Okay, ich glaube ich verstehe was du meinst. Wenn ich daran denke, wie ich mich gefühlt habe, als er zu den Volturi gegangen war. Wieso hast du nichts gesagt, Liebling?" Er seufzte. "Wenn wir da hin gegangen wären ohne Hilfe wären wir vermutlich alle gestorben. So haben wir wenigstens noch eine Chance sie wirklich zu besiegen."

"Ich wäre da auch alleine reingegangen. Weil es darin um mein Leben geht. Ohne ihn ist es komplett wertlos.", flüsterte ich nun nur noch. Jane gesellte sich zu uns und legte mir eine Hand auf die Schulter.

"Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass es natürlich unglaublich dumm war, dass Edward dir nichts gesagt hat, tut mir Leid, ich wusste nicht, dass der Junge zu dir gehört, kann es gut sein, dass er noch am Leben ist. Aros Mixtur ist bereits sehr ausgereift und auch, wenn alle dort starke Schmerzen haben, überleben sie doch recht lange. Der letzte hat es über zwei Wochen ausgehalten."

Ich schöpfte ein wenig Hoffnung. Ich warf Edward noch einen Todesblick zu, dann verließ ich mit Jane die Küche. Im Wohnzimmer war bereits einiges los. Alle wuselten herum und rauften ihre Sachen zusammen. Carlisle kam auf mich zu.

"Sam, ich habe bereits einen Flieger gebucht. Er geht in einer Stunde. Wir fahren jetzt sofort los zum Flughafen und dann sind wir in ein paar Stunden in Italien. Von da dauert es nicht mehr lange bis Volterra und dann holen wir Justin und Clary da raus."

Ich blinzelte und er nahm mich in den Arm. "Ich werde nicht zusehen, wie meine Tochter unglücklich wird. Nicht schon wieder.", flüsterte er und strich mir über den Rücken. "Danke, Carlisle. Das ist wirklich nett von dir."

Er lächelte mich aufmunternd an. Mir fiel auf, dass ich von allen mitleidig angeschaut wurde. Und eine Person im Raum fiel mir ganz besonders auf. Sofort rannte ich auf ihn zu und schloss ihn in den Arm. Tränen liefen ihm aus den Augen und sammelten sich in meinem Nacken. "Du musst jetzt stark bleiben, Seth. Du musst stark bleiben.", flüsterte ich und er schluchzte.

Die Bindung, die die Prägung mit sich brachte, war dann doch noch mal ein deutlicher Unterschied zu der einer solchen "normalen" Liebe. "Sam, wir müssen los.", flüsterte Jane sanft und ich löste mich von ihm. Wir hatten beschlossen zu Fuß zum Flughafen zu reisen, da das um einiges schneller ging.

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Nervös starrte ich aus dem Fenster und versuchte die Schmerzen in meiner Brust zu ignorieren. Ich hatte so eine Angst um Justin. Und er tat mir so unendlich Leid. Aro wusste schon länger, dass er über uns Bescheid wusste, doch er hatte nicht eingegriffen, da er sich nicht getraut hatte uns anzugreifen. Als er dann zu seiner Tante fahren wollte haben sie ihn einfach abgefangen. So hatte Jane es jedenfalls lückenhaft gehört.

Und nun litt er. Schreckliche Schmerzen musste er ertragen. Und das alles war meine Schuld. Ich hätte ihn verwandeln sollen. Warum habe ich es nicht einfach getan? Dann wäre uns das alles erspart geblieben. All diese Leute wären niemals hier, sondern sicher bei sich zu Hause.

Die Wut, die ich auf Edward hegte war momentan unbeschreiblich. Klar, was er versucht hatte als Argument einzubringen erschien mir irgendwo logisch, doch das änderte nichts an der Tatsache, dass er gewusst hatte, dass ich ihn verlieren würde, und, dass er nichts gesagt hatte. Unbewusst brach ich einen Teil des Materials unterhalb des Fensters weg und zerdrückte die Reste zu Staub.

Ich zweifelte nicht daran, dass dieser Tag der schrecklichste in meinem Leben war. Diese panische Angst, dass Justin, mein ein und alles, tot sein könnte bereitete mir schreckliche Kopfschmerzen. Und, dass er litt bevor er den Tod finden würde war noch schlimmer. Ja, hätte ich ihn verwandelt hätte er auch Schmerzen gehabt. Aber dennoch keine fünf Tage. Ob er mir verzeihen könnte?

Würde er mir verzeihen, dass ich nicht früher gekommen war? Dass ich mir nicht mehr Gedanken darüber gemacht hatte, weshalb er nicht angerufen hatte? Und könnte ich Edward je verzeihen? Viele Fragen, keine Antwort. Dieses Spiel, was das Leben mit mir trieb begann mich langsam zu zerfressen. Immer mehr Fragen. Selbst, wenn ich eine an meiner riesigen Notiztafel wegstreichen konnte, dann kamen ein Dutzend neue dazu. Ich schwamm förmlich in Fragezeichen.

Die Antwort auf eine Frage, die lange Zeit ganz oben auf meiner Liste gestanden hatte, wurde mir erst kürzlich beantwortet. Ich denke es ist unnötig sie zu erwähnen. Wenn man die Antowort kennt, ist die Frage im Grunde genommen klar. Diese Antwort, war eigentlich die Antwort auf einige Fragen, die alle den gleichen Punkt in meinem Leben umspielten. Die Antwort hatte meinem Leben einen Sinn gegeben. Sie hatte mir alles gesagt,was ich wissen musste. Was nötig war zu wissen. Die Antwort, auf mein Leben war simpel. Ein einziges Wort. Mein einziger Gedanke. Justin.

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Gleich war es soweit. Wir waren in Volterra. Es war dunkel und auf den Straßen war niemand mehr zu sehen. Das Tor war zwar verschlossen, doch es stellte keine Behinderung für uns da. Wir wussten nicht, was uns darin erwarten würde. Ob sie vorbereitet wären oder ob wir sie in ihrem Alltag stören würden. Also war es jetzt an der Zeit für eine letzte Umarmung, einen letzten Kuss und ein letztes "ich liebe dich".

Samantha Cullen | Twilight  - FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt