Kapitel 39

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Ich klopfe wie verrückt gegen Carters Wohnungstür. Schließlich öffnet er mir. Seine Haare sehen noch wirrer aus, als sonst. Er sieht mich verwirrt an.

" Parker. Was für eine nette Überraschung. ", sagt er lächelnd. Er geht einen Schritt vorbei und ich komme direkt zum Thema, nachdem er die Tür geschlossen hat.

" Ich will dir wirklich nicht zu nahe treten, aber ich muss dir eine sehr persönliche Frage stellen. ", fange ich sofort an. Carters Gesichtszüge werden sofort ernster.

" Persönlich? ", widerholt er. Ich nicke und hole tief Luft. Ich werde nicht groß um den heißen Brei herumreden.

" Bist du ein Unbestimmter? ", will ich also wissen. Jetzt entgleiten ihm sämtliche Gesichtszüge.

" Was? Nein - wie kommst du darauf? ", fragt er mich schockiert.

" Hör zu, es ist mir auch egal, ob du es bist oder nicht. Aber Eric denkt, das du ein Unbestimmter bist. Jedenfalls ahnt er es. Ich habe gehört, wie er bei Four war und deine Simulationsaufzeichnungen haben wollte. ", erkläre ich Carter.

Es ist mir wirklich egal, ob er Unbestimmt ist. Deswegen ist er nicht weniger liebenswert und freundlich. Er ist und bleibt Carter. Daran wird sich nie etwas ändern.

" Parker, ich bin nicht unbestimmt! ", sagt er nun klar und deutlich. Er scheint nun völlig verwirrt zu sein.

" Du warst überdurchschnittlich schnell in den Simulationen. ", gebe ich zurück.

" Feretti war minimal langsamer als ich. Ist er jetzt auch unbestimmt? ", sagt Carter. Er hat recht. Feretti war fast genauso gut wie er.

" Carter, ich weiß nicht, wieso du so gut bist - ", fange ich an.

" Ich wüsste es ja wohl, wenn ich unbestimmt bin. Das hätte man mir sicher schon während das Bestimmungstestes gesagt. Mein Ergebnis war eindeutig Ferox. Ich habe das Messer genommen und den Hund getötet. Obwohl ich ein Amite war und eigentlich anders hätte reagieren sollen. ", verteidigt sich Carter.

" Ich kann dir nur sagen, was ich mitbekommen habe. Und ich kann Erics zweifelnde Blicke, wenn er deinen Namen hört, nicht mehr ignorieren. ", erkläre ich ihm. " Ich wollte dich nur warnen. Er hat dich auf dem Schirm und ich weiß, was sie mit Unbestimmten machen. "

" Was sollen sie denn machen? Mich rauswerfen, damit ich fraktionslos bin? ", meint er. Ich schüttel den Kopf.

" Sie töten dich. ", sage ich ihm.

Er starrt mich an und wird ganz blass.

Ich habe das Buch, das Eric mir gab, fast durchgelesen. Und nach allem was dort steht, sind es die Ken, die Unbestimmte jagen und zur Strecke bringen. Und dabei sahen sie Mord als völlig legitim an.

Ob ich Eric direkt zutraue, dass er Carter umbringen könnte? Ich weiß es nicht. Er ist brutal und manchmal kaltherzig. Aber er hat genauso seine guten Seiten. Könnte er das wirklich tun? Einfach nur, aus einem Verdacht heraus?

" Ich bin aber nicht unbestimmt! Das musst du Eric sagen. ", gibt er nun zurück.

" Wenn ich Eric darauf anspreche, weiß er, das ich ihn belauscht habe. ", sage ich Carter.

" Dann sprich es irgendwie anders an. Aber du musst ihn dazu bringen, das er sich meinen Bestimmungstest ansieht. Dann sieht er, das das ganze ein Missverständniss ist. ", fällt Carter ein.

Carter ist völlig ausser sich und ich bin sicher, das er kein Unbestimmter ist. Beziehungsweise denkt er das. Könnte es sein, das man es ihm verschwiegen hatte, um ihn nicht zu belasten? Schließlich spricht alles dafür, das er Unbestimmt ist.

" Ich werde sehen, was ich tun kann. ", verspreche ich Carter. Er umarmt mich dankbar. Und ich umarme ihn. Ich spüre sogar, wie schnell sein Herz schlägt. Wie sehr muss ich ihm Angst gemacht haben?

" Versuch nicht alleine zu sein, ok? Falls Eric irgend etwas plant. ", sage ich ihm. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, das Eric hier bewaffnet reinstürmt. Aber wer weiß das schon. Dann lasse ich ihn los.

Er kommt mit mir raus und will zu Feretti. Unsere Wege trennen sich, während ich wieder Eric suchen gehe und mir einen Plan zurechtlege.

---

Ich finde Eric. Wieder steht er mit Max zusammen in der Grube. Sicher ist es nicht ungewöhnlich, das Anführer sich unterhalten. Doch Eric und Max tun es in letzter Zeit immer öfter und vorallem sehr geheimniskrämerisch.

Als Max mich sieht, winkt er mich zu ihnen.

" Parker, wie geht es dir? ", will er wissen. 

" Alles bestens. ", gebe ich zurück, auch wenn gar nichts bestens ist. Schließlich steht Carter generell schon auf Erics Abschussliste. Sollte er nun noch unbestimmt sein, weiß ich nicht, was Eric mit ihm anstellt.

" Ich habe von Eric erfahren, dass du dich für einen Posten als Ausbilderin interessierst? ", hakt er nun nach. Ich bin kurz völlig aus dem Konzept gebracht. 

Eric redet mit Max über mich? Ich spüre wie mir ganz heiß im Gesicht wird. Auf der anderen Seite, schwallt auch ein bisschen stolz auf.

" Ich habe darüber nachgedacht, ja. ", erkläre ich. 

" Deine Ergebnisse der Grundausbildung sind sehr vielversprechend. Ich würde mich gerne persönlich dafür einsetzen, dass du den Posten bekommst. Eric sagt, du bist sehr gut im Zweikampf. ", sagt mir Max. Eric sieht mich ernst an, während Max ein Lächeln aufgesetzt hat.

" Solange mich keine Stöcke oder sowas stören, bin ich ganz gut, ja. ", antworte ich.

" Dann wäre eine Spezialisierung das Beste, denke ich. Ich würde das gerne sofort in die Wege leiten. Dann wird sich Four noch einmal deinem Messertraining widmen. ", meint Max nun.

" Sofort? ", frage ich überrascht.

" Die Grundausbildung endet in zwei Wochen. Bis dahin solltet ihr wissen, was ihr machen wollt. Und das schnell. Die besten Posten sind am zweiten Tag der Beendung vergeben. Das kann ich garantieren. ", erklärt mir Max. " Ich habe auch schon deinen Freund Carter für den Kontrollraum vorgeschlagen. Feretti interessiert sich auch für einen Posten als Ausbilder.  Genau zwei Posten habe ich als Ausbilder zu vergeben. Du solltest dich also schnell entscheiden. "

Ich nicke verstehend.

" Dann sollte ich mir dieses Angebot nicht entgehen lassen. ", antworte ich. Ich habe Max Andeutung nicht falsch verstanden. Ich bin mir ziemlich sicher, das ich eine Empfehlung von ihm vergessen kann, wenn ich nicht sofort zusage. "

Max lächelt nun zufrieden Eric an. Dann lässt er uns Beide alleine zurück.

" Du musst mir nicht danken. ", sagt Eric, kaum das Max ausser Reichweite ist.

" Danke. ", sage ich ihm schließlich. Dennoch fühlt es sich seltsam an. Ich habe nicht in Erics Schuld stehen wollen. Es ist in Ordnung, wenn er mir beim Training hilft. Aber mir einen Job zu verschaffen, ist etwas anderes.

" Du hättest die Stelle auch so bekommen. ", meint er, als könne er meine Gedanken lesen. " Aber es kann nie schaden, sich ein bisschen mit den Anführern gut zu stellen. "

" Ich dachte, es reicht sich mit dir gut zu stellen. ", gebe ich zurück. Ich lächel und versuche meine Nervosität zu überspielen. Noch immer weiß ich nicht, wie ich die Sache mit Carter ansprechen soll. Vorallem jetzt nicht, wo ich das Gefühl habe, Eric etwas zu schulden. Ich komme mir gleich noch schäbiger vor.

Vielleicht sollte ich ihn selber ein wenig auf dieses Thema stupsen und darauf, das Carter schon in seinem Bestimmungstest als Ferox ausgezeichnet wurde.

Wir kommen im Speisesaal an. Eric lässt uns ein paar Hamburger und ein bisschen Salat einpacken, dann machen wir uns auf den Weg in seine Wohnung.

" Ich habe dein Buch fast fertig. ", sage ich ihm, während wir schließlich essen. Er nickt nur. 

Ok... wie spreche ich das an? Ich überlege fieberhaft. Dann fällt mir etwas ein.

" Ich hab es gelesen und irgendwie hatte ich immer Carter im Kopf, wenn ich an Unbestimmte dachte. ", sage ich. Eric lässt seinen Burger sinken und sieht mich an.

Bingo. Da hab ich seine Aufmerksamkeit.

" Ach ja? ", er versucht gelangweilt zu klingen. Aber ich höre die Aufregung in seiner Stimme.

" Ja, weil er ja so schnell war in den Simulationen und alles. ", taste ich mich langsam vor. Eric legt sein Essen weg und sieht mich an. Dann schüttel ich den Kopf ein wenig.

" Aber dann fiel mir ein, dass er kein Unbestimmter sein kann. Bei seinem Bestimmungstest kam eindeutig Ferox heraus. ", sage ich. Eric starrt weiter.

" Kam es das? ", hakt er nach. Er klingt nicht überzeugt. Ich nicke nun. 

" Ja, hat er mir mal erzähl. Relativ am Anfang. ", lüge ich. " Er sagte, das er das Messer gewählt und den Hund getötet hatte. So wie ich damals. Es kam eindeutig Ferox raus. Und das obwohl er Amite war und die doch mit den Altruan, die friedfertigsten Menschen sind. "

Ich zucke mit den Schultern und beiße von meinem Burger ab. Ich will nicht, das Eric merkt wie nervös ich bin.

Er isst nun auch weiter. 

Ich weiß nicht, wie ich noch weiter auf das Thema eingehen könnte und Eric fragt nicht weiter nach. 

Noch weiß ich nicht, ob ich ihn davon überzeugt habe, das Carter ganz normal ist. 

---

Eine Woche später beginnt tatsächlich mein Training mit Four. Er will meine Messerfertigkeiten noch einmal vertiefen. Dazu gehört neben Messerwerfen leider auch Messerkampf.

Dennoch bin ich froh, mal mit jemandem Anderen, als Eric üben zu können. Four ist viel ruhiger.

Ich trainiere zusammen mit Feretti, der den zweiten Posten als Ausbilder bekommen wird.

Während des Trainings mit dem Messer verletzte ich mich mehr, als Feretti. Bald kann ich kaum mehr das Messer halten, weil meine Hände mit Schnitten überzogen sind.

Nach dem Training schickt mich Four erst einmal zu Karen. Sie versorgt meine Wunden schließlich mit einer Salbe und verbindet meine Hände mit dünnen Verbänden. Damit ich trotzdem noch weiter kämpfen kann.

Ich treffe mich in der Grube mit Carter. Seit meiner Warnung vor Eric, versucht er sich mit so vielen Leuten wir möglich zu umgeben. Auch die Tatsache, dass ich Eric die Unbestimmtensache erstmal ausgeredet habe, scheint ihn nicht zu beruhigen.

Feretti kommt vom Training an den Sandsäcken zu uns. Carter hatte ihm erzählt, was ich ihm gesagt habe. Feretti hatte keine Angst vor Eric. 

Ich sehe Tessa, die neben Lee sitzt. Wie es aussieht, wird sie sich erstmal für den Bewachungsdienst der Fraktionslosen einteilen lassen. Mein Blick geht zu Maddie, die gerade die Grube betritt. Sie hat tatsächlich eine Weile überlegt, zum Zaun zu gehen. Doch nun wird sie in einer Woche ihre Arbeit im Tattoostudio anfangen.

Ich hatte es mir fast schon gedacht. Maddie lief fast jeden dritten Tag zu Tori und ließ sich ein neues Tattoo stechen. Mittlerweile sah ich bei ihr mehr Tattoos, als Haut. Mit Carter allerdings, näherte sie sich nicht mehr wirklich an.

Er schien kein Interesse zu haben, so sehr sie sich auch bemühte.

Tessa und Lee kommen zu uns.

" Messerkampf, hm? ", fragt Lee, während er auf meine Hände deutet. Lee hat raspelkurze Haare und einen Drei-Tage-Bart. Seine Haut scheint von der Sonne ausgegerbt zu sein.Er arbeitet, wie Rossi und Jackson, bei den Fraktionslosen. Ein weiterer Grund, wieso Tessa auch in dem Bereich arbeiten will.

" Ja, Feretti hat mich fertig gemacht. ", sage ich gespielt leidig.

" Das warst du selber. Du willst die Dinger immer drehen und schneidest dich selber. ", meint Feretti. Ich grinse. Ich könnte ihm nie sauer sein.

Wir setzen uns an einen Tisch und beginnen eine Partie Poker zu spielen. Ich kann das Spiel absolut nicht. Immer wieder muss ich Feretti meine Karten zeigen, der mir dann sagt, ob ich ein gutes Blatt habe.

Doch meistens schüttelt er den Kopf und ich bin schnell raus aus dem Spiel.

Tessas Problem mit Spielen zeigt sich wieder. Sie muss unbedingt gewinnen. Schließlich erhöht sie den Einsatz auf 100 Punkte. Ich kann es nicht fassen. Dafür mussten wir ein paar Wochen arbeiten. 

Nur noch sie und Feretti sind im Spiel und Feretti stimmt schließlich zu. Erst sieht es aus, als würde Feretti gewinnen. Doch als Carter die letzten Karten aufdeckt, schreit Tessa aufeinmal. Sie springt auf und reißt den halben Tisch mit. Sie scheint gewonnen zu haben. 

" Haha! ", jubelt sie Feretti an. " Mister - Ich bin der Beste - Feretti. Ich hab dich fertig gemacht. "

Wir starren sie alle ein wenig geschockt an. Dann setzt sie sich wieder und beginnt die Karten neu zu mischen, als wäre nichts gewesen.

Ich muss ein paar Mal blitzeln. Auch die Anderen starren immer noch verwirrt. Dann grinst Carter als Erstes, was uns alle aus der Starre holt.

Wir spielen weiter, bis die meisten das Interesse verlieren.

Maddie will schließlich zum Friseur. Ich gehe mit ihr und Tessa. 

Maddie will ihre Haare kinnlang schneiden lassen und die schwarze Strähne auch noch weißblond färben. 

Die Friseurin sieht mich wieder so an, als wolle sie mich unbedingt umstylen.

" Komm schon, Parker. Lass dir deine Haare doch glätten. Dann siehst du auch nicht mehr so harmlos aus. Die süße Parker mit den Locken und der Zahnlücke. ", sagt Maddie. Ich sehe sie beleidigt an.

" Ich bin nicht süß und ich hab keine Zahnlücke. Die Ecke hat mir Tom ausgeschlagen, falls du dich erinnerst. ", wehre ich mich. Sie zuckt mit den Schultern.

" Ich mein ja nur, wenn die Initianten dich ernst nehmen sollen, solltest du nicht aussehen wie eine Kindergärtnerin. ", meint Maddie. 

" Ich kann sie etwas mehr eindrehen und ihnen damit etwas mehr Volumen geben. ", mischt sich nun die Friseurin ein.

" Dann seh ich aus wie ein explodierter Pudel. ", kommentiere ich.

" Nicht so extrem. ", versichert mir die Friseurin. Dennoch lehne ich ab. 

Offenbar ist alles in Ordnung, sie wie es ist. Ich muss da nichts machen lassen.

Einmal Fraktionslos, Immer Fraktionslos - Die BestimmungWhere stories live. Discover now