Diabolic Love

By slatedfan

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Schön, reich, beliebt. Das ist Victoria, da scheint es auch logisch zu sein, dass sie als Jahrgangsbeste eben... More

Kapitel 01
Kapitel 02
Kapitel 03
Kapitel 04
Kapitel 05
Kapitel 06
Kapitel 07
Kapitel 08
Kapitel 09
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
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Kapitel 25
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Kapitel 27
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Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
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Kapitel 36
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Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 44
Kapitel 45

Kapitel 43

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By slatedfan

Als ich an diesem Morgen aufwache, könnte ich kaum glücklicher sein. Das Erste, was ich erblicke, ist ein blonder Haarschopf auf dem Kissen neben mir. Sein blasser Körper liegt so ruhig und still da, dass man denken könnte, er atmet gar nicht mehr. Stundenlang könnte ich seinen Rücken anstarren und sanft mit dem Finger auf und ab fahren, blöd grinsend, weil ich immer noch nicht glauben kann, dass dies die Realität ist. Nachdem wir uns gestern ausgesprochen haben und dieser wunderschöne Kuss zustande kam, der viel zärtlicher und romantischer war, als alle bisherigen zwischen uns, sind wir zu ihm gefahren und haben uns dort weiter unterhalten. Wir haben so viel miteinander geredet, wie wir es noch nie getan haben, weshalb ich das Gefühl hatte, ihn erstmal so richtig kennenzulernen. Ich glaube, bei jedem seiner Worte habe ich mich stärker in Nik verliebt. Es hat sich herausgestellt, wie wichtig die vernünftige Kommunikation zwischen zwei Menschen doch ist, um ein vernünftiges Verhältnis zueinander haben zu können. Ich habe allerdings auch bemerkt, wie schwer es Nik fällt, über Gefühle zu reden, denn natürlich hat es mich wahnsinnig interessiert, warum er denkt, dass er mehr für mich empfindet. Ausdrücke wie „verliebt" fallen ihm ebenso schwer auszusprechen, doch ich versuche mich in Geduld zu üben. Ich kann nicht von jedem erwarten, dass er Liebe auf die gleiche Weise ausdrücken kann, wie es in den ganzen romantischen Filmen der Fall ist. Im Moment bin ich einfach nur glücklich, dass Nik überhaupt was für mich empfindet und für mich seine Prinzipien bricht. Es besteht natürlich ein riesiges Risiko, dass es nicht lange gut geht und er feststellt, dass eine Beziehung nicht zu ihm passt, doch es nicht zu versuchen, wäre der größte Fehler, den wir begehen könnten. Nik hat genauso wie ich festgestellt, dass er sich nicht von mir fernhalten kann, was er endgültig an meinem Geburtstag bemerkt hat. Viel weniger Sorgen mache ich mir hingegen, dass er fremdgehen wird. Ich glaube ihm, dass er mit keiner anderen mehr geschlafen hat, Sara ist der Beweis dafür und seine Erklärung, warum er mit Sandy von der Party verschwunden war, klingt für mich ziemlich plausibel. Sandy hatte sich definitiv ganz schön an ihn rangemacht, zum Teil hat auch der Alkohol aus ihr gesprochen. Irgendwann hielt es Nik dann für richtig, sie nach Hause zu bringen, bevor sie auf noch dümmere Ideen kommt oder ihre Zeit vergeudet, da er mich einfach nicht vergessen konnte. Das ist wohl das Romantischste, was ich von ihm gehört habe und mein Herz ist dementsprechend vor Freude fast übergequollen. Trotz all der beschissenen Dinge, die zwischen uns standen, haben wir es bis hierher geschafft, ich bin glücklich. Deshalb habe ich beschlossen, alles, was zuvor passiert ist, hinter mir zu lassen, sonst schwebt immer eine schwere Last über uns, die immer einen gewissen Druck auf unsere Beziehung ausüben würde. Ich habe genauso Fehler gemacht und wenn wir uns diese die ganze Zeit ständig vorhalten, stehen wir uns damit selber im Weg und können nie eine unbeschwerte Beziehung miteinander führen. Ich will Nik so, wie er ist, mit all seinen Fehlern. Ich werde immer etwas besorgt sein, dass er mich eines Tages sitzen lässt, jedoch kann man niemanden zu einer Beziehung zwingen, denn ich habe am eigenen Leib erfahren, was das mit einem macht. 

Und trotzdem wird meine gute Laune davon getrübt, dass ich Nik gegenüber nicht ganz ehrlich war. Dieser eine Ausrutscher mit Max bleibt weiterhin ein Geheimnis, von dem er nichts weiß und von dem er vielleicht lieber nichts wissen sollte. Ich weiß nicht, ob meine Angst vor seiner Reaktion gerechtfertigt ist, allerdings komme ich mir damit schäbiger vor als vorher, seitdem ich weiß, dass Nik seit er mit mir geschlafen hat, mit keiner anderen etwas hatte. Wie kann ich ihm nach seinem verblüffenden Worten mit einem Mal gestehen, dass ich so einen dummen Fehler aus Verzweiflung über ihn begangen habe? So eine dumme Aktion ist vermutlich das Letzte, was er von mir erwarten würde, umso enttäuschter wäre er vielleicht. Ich kann ihn noch zu wenig einschätzen, als dass ich wüsste, ob es ihn wirklich verletzt. Vielleicht werde ich es ihm irgendwann gestehen, wenn ich mir ganz klar darüber bin, wie hoch das Risiko ist, ihn dadurch zu verlieren. Gerade hat sich alles zwischen uns geklärt und die Mauern zwischen uns wurden niedergerissen, da kann ich nicht wieder eine neue ziehen. Am liebsten wäre es mir, diese dumme Geschichte einfach selber zu vergessen, da ich mich immer noch schrecklich dumm und schmutzig fühle, wenn ich daran zurückdenke. Vor allem erschreckt es mich, dass ich zu sowas in der Lage war, während Nik mit keiner anderen etwas anfangen konnte.
Beim Reden blieb es gestern Abend nicht, wir sind uns näher gekommen, haben geknutscht und sind irgendwann in seinem Schlafzimmer gelandet. Ich habe keine Sekunde gezögert, ich wusste, dass es richtig war, mit ihm zu schlafen, es hat sich absolut danach angefühlt und es war schön, so wunderschön, wie ich es mir niemals hätte ausmalen können. Dieses eine Mal mit Max war nichts im Vergleich dazu, das war fast das einzige, woran ich bei Max denken konnte. Das ist das eindeutige Zeichen dafür, dass Nik der Richtige für mich ist und nicht Max, so wenig es auch danach aussehen mag. Ich habe mich in jemanden verliebt, den ich anfangs verabscheute und der perfekt ins Bild eines Badboys passt, vielleicht sollte ich unsere „Liebesgeschichte", falls man sie als solche bezeichnen kann, irgendwann verschriftlichen. Nein, das wäre keine gute Idee, ich würde dabei nur verzweifeln und den Kopf über unsere Unfähigkeit, normal miteinander umzugehen, schütteln. Daraus könnte man womöglich eher eine Komödie als eine richtige Romanze machen.
„Hör nicht damit auf!", nörgelt Nik plötzlich verschlafen in sein Kissen, als ich meine Hand von seinem Rücken nehme. Ich muss fast lauthals lachen, weil ich diese Seite von Nik so selten mitbekomme. Er kann sogar wirklich niedlich sein, zumindest solange er schläft oder gerade erst aufwacht. Ich kann es gar nicht erwarten, ihn regelmäßig so zu erleben.
„Tut mir leid, du Schlafmütze, aber wir können nicht den ganzen Tag im Bett versauern. Wie lange bist du schon wach, ohne ein Lebenszeichen von dir gegeben zu haben?" Sanft verteile ich Küsse auf seiner nackten Haut und fühle mich wie in einem Traum, der viel zu schön ist, um wahr zu sein. Ich habe Angst, dass mich jeden Moment jemand aufwecken könnte. Ich würde heute nichts lieber tun, als den ganzen Tag mit ihm im Bett zu verbringen, leider geht das normale Leben noch weiter.
„Seitdem du deine Hände heute Morgen nicht mehr von mir lassen kannst. Ich hatte schon befürchtet, dass das schnell vorbei wäre, wenn ich einen Ton von mir gebe. Außerdem muss ich dir widersprechen, wir können sehr wohl den ganzen Tag im Bett bleiben und ich hätte auch ein paar Vorschläge, wie wir uns die Zeit vertreiben können", säuselt Nik in einem mehr als verführerischen Ton, bei dem ich gleich wieder Gänsehaut bekomme. Seine tiefe, verschlafene Stimme ist viel zu sexy. Welche Ideen er im Kopf hat, macht er mir besonders deutlich, als die Decke beiseite schlägt und sich über mich beugt. Viel zu langsam gleiten seine Hände an meinem ebenfalls nackten Körper entlang und viel zu stark fixiert er mit seinen Augen meine Brüste. Oh ja, diese Idee ist wirklich sehr verführerisch, da kann man schlecht nein sagen. Das heißt allerdings nicht, dass es nicht möglich ist.
„Musst du nicht zur Uni? Ich sollte jedenfalls bald den Heimweg antreten, mein Glück sollte ich nicht zu stark herausfordern", weise ich ihn ab, worauf er sich enttäuscht neben mich fallen lässt. Auch jemand wie Nik kann nicht immer alles haben, was er will, was vielleicht nur sehr selten zutrifft. Es fällt mir selber schrecklich schwer, uns beiden diesen Gefallen nicht zu ermöglichen.
„In 45 Minuten habe ich eine, es ist aber kein Verbrechen, wenn ich einmal darauf verzichte", nörgelt Nik weiter, was ich zwar herzzerreißend finde, mich aber nicht von meiner Meinung abbringt.
„Vergiss es, du wirst nicht anfangen, dein Studium zu vernachlässigen, nur weil du ein Sexmonster bist. Glaub mir, du wirst noch genug von mir bekommen, wenn du dich geschickt anstellst", versuche ich ihn wenigstens ein kleines bisschen zu motivieren. Wie ernst ich es meine, zeige ich ihm spätestens, als ich meine Beine über die Bettkante schwinge und im Begriff bin, aufzustehen.
„Du bist hier das Monster, nicht ich!", ruft er mir gespielt beleidigt hinterher, als ich mich mit meinen Klamotten ins Badezimmer begebe.
Mein Spiegelbild sieht genauso zufrieden aus, wie ich mich fühle. Wie oft passiert es einem schon, dass Hoffnungen, die unerfüllbar wirken, tatsächlich wahr werden? Ich habe gestern so sehr gehofft, dass Nik dieses Experiment ebenfalls wagen will, doch in keiner Sekunde habe ich an das danach gedacht, daran, dass ich am nächsten Morgen neben ihm aufwache. Zu groß war meine Angst, enttäuscht zu werden. Ich kann nicht anders, als Lucy in einer Sprachnachricht davon zu berichten, wie es gelaufen ist. Sie konnte es scheinbar auch nicht abwarten, denn am vergangen Abend hat sie mir 10 Nachrichten geschickt, die von Mal zu Mal hysterischer wurden, weil sie vor Neugier beinahe geplatzt wäre, so zumindest ihre Aussagen. Wäre es nach ihr gegangen, hätte sie mit Popcorn neben uns gesessen und alles genauestens beobachtet.
In Windeseile bin ich angezogen, habe meine Haare gemacht und notdürftig meine Zähne mit meinem Finger geputzt. Schon die kurze Zeit im Bad über bin ich die ganze Zeit hibbelig, weil mich auf der anderen Seite der Tür der Mann erwartet, der vielleicht nicht meinen Träumen entspricht, dafür aber mein Schicksal sein könnte. Okay, das mag kitschig und etwas voreilig klingen, aber so ist das wohl, wenn man voll und ganz in jemanden verliebt ist. Dieses Gefühl ist so überwältigend, dass ich mich frage, ob ich jemals richtig in Max verliebt war. Mit ihm war alles viel weniger intensiv, ich kann mich nicht erinnern, wegen ihm jemals so aufgedreht gewesen zu sein. Ich habe etwas für ihn empfunden, aber von Anfang an hat zwischen uns ein Feuer gefehlt wie dieses zwischen mir und Nik. Hoffentlich erlischt dieses Feuer nicht zu schnell, denn nochmal jemanden wie ihn zu treffen dürfte sich nicht als leicht erweisen.
Als ich das Badezimmer verlasse, steigt mir der strenge Geruch von Kaffee in die Nase, der sich durch die offen stehende Tür von der Küche ins Schlafzimmer geschlichen hat. Hoffentlich gibt es auch etwas zu essen, ich bin fast am Verhungern! Der Sex mit Nik letzte Nacht hat mir alle Energie geraubt, ich habe sogar etwas Muskelkater.
„Ich lasse dich nicht gehen, bevor du nicht etwas im Magen hast, aber erwarte bloß kein 5-Sterne Frühstück von mir", warnt er mich vor, doch ich bin schon glücklich, dass es überhaupt Essen gibt.
„Mach dir keine Sorgen, von mir würdest du auch nichts anderes als Toast kriegen", lache ich, als die ersten Toasts aus dem Toaster springen. Herzhaftes wie Rührei oder Speck bekomme ich morgens noch nicht runter und wenn ich Porridge oder diesen ganzen anderen ach so gesunden, wie Kotze aussehenden Fraß bei vielen Influencern auf Instagram sehe, wird mir eher schlecht, als dass ich Appetit bekomme.

„Wir passen besser zusammen, als ich dachte", flüstert er mir ins Ohr, zieht mich an den Hüften so nah an sich, dass kein Blatt Papier mehr zwischen uns passt und beginnt meine Halsbeuge zu küssen. Gütiger Gott, das ist viel zu gut, als dass ich es einfach so stoppen kann. Ich weiß nicht, ob das Klingeln meines Handys in dieser Situation ein Segen ist oder ob ich es verfluchen sollte. Erschrocken lässt Nik von mir ab und über sein enttäuschtes Gesicht muss ich beinahe wieder lachen.
„Hallo?", melde ich mich, ohne auf das Display meines Handys zu gucken, wer dazwischen funkt. Eigentlich kann es sich nur um eine Person handeln.
„Oh mein Gott! Das ist nicht wahr, oder? Wir müssen uns unbedingt treffen und ich will alles bis ins Detail genau wissen!", kreischt eine verrückt gewordene Lucy am anderen Ende der Leitung. Es hätte mich sehr gewundert, wenn ich mit meiner Einschätzung danebengelegen hätte.
„Es war so vorhersehbar, dass du nach dieser Sprachnachricht sofort anrufst. Klar, können wir uns gleich treffen. Ich muss nur nochmal nach Hause fahren. Sagen wir in einer Stunde", komme ich Lucys sehnlichen Wunsch nach.
„Du hast auch gar keine andere Wahl! Ich werde wirklich noch verrückt. Ich kann nicht glauben, dass das wirklich passiert ist!", kreischt sie immer noch in den Hörer, sodass meine Ohren fast bluten.
„Okay, bis gleich und komm mal wieder ein bisschen runter", verabschiede ich mich und kriege noch mit, wie Nik die Augen verleiert.
„Lass mich raten, du hast Lucy Bescheid gesagt und sie verliert gleich ihren Verstand?", schmunzelt Nik, worauf ich ihm nur Recht geben kann. Daraufhin essen wir schnell und trinken unseren Kaffee. Wann hat mir das letzte Mal so einfaches Frühstück so gut geschmeckt?

Der Abschied von Nik fällt mir schwerer, als ich gedacht habe und ich muss mir immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass ich ihn morgen wiedersehen kann, damit ich es endlich schaffe, mich von ihm zu lösen. So schnell werde ich ihn nicht wieder verlieren. Nik hingegen scheint das furchtbar witzig zu finden.
„Du wirst aber nicht gleich anfangen zu weinen, oder?", macht er sich stattdessen über mich lustig.
„Mach es gut, du Idiot", verabschiede ich mich endgültig von ihm und drücke ihm noch einen dicken Kuss auf die Lippen. Die werden mir bis morgen fehlen.

Als ich an unserem ausgemachten Treffpunkt ankomme, werde ich von Lucy beinahe umgehauen, als sie wie eine wild gewordene auf mich zugerannt kommt und mich in einer Atem raubenden Umarmung gefangen hält.
„Ich kann es immer noch nicht fassen. Merkt man mir an, dass ich seitdem total aufgedreht bin?", fragt sie völlig überflüssig, während sie wie ein Flummi auf und ab hüpft. So aufgeregt habe ich sie nicht mal erlebt, als sie mit Ben zusammengekommen ist, aber sobald etwas in meinem Leben passiert ist, war sie immer gleich total von den Socken gehauen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ihr mein Leben wichtiger ist als ihr eigenes.
„Darf ich dann auch mal hallo sagen oder nimmst du sie ganz allein in Beschlag?", richtet sich jemand weiteres an Lucy, die mich daraufhin widerwillig loslässt.
„Oh mein Gott, Tom!", falle ich ihm fröhlich überrascht um den Hals. Ich habe ihn noch gar nicht mitbekommen, weil Lucy all meine Aufmerksamkeit beansprucht hat.
„Lucy hat die Neuigkeiten natürlich sofort an mich weitergegeben, da wollte ich mich selber von der Wahrheit überzeugen lassen. Also stimmt es?"
„Da ich mal annehme, du redest von mir und Nik, dann kann ich dir bestätigen, dass es stimmt", beantworte ich seine Frage, doch hätte ich gewusst, dass Tom genauso ausrastet wie Lucy, hätte ich ihn vielleicht lieber belogen. Kein Wunder, dass ich Tom auch so mag, er tickt oft wie Lucy, die ihre Klappe natürlich nicht halten konnte.
„Jetzt fang bitte endlich an, die ganze Geschichte zu erzählen, bevor ich vor Neugier sterbe!", mault Lucy rum und bekommt dabei volle Unterstützung von Tom. Na toll, die zwei Nervensägen haben sich wohl gegen mich verschworen.
„Okay, dann lasst uns aber in ein Kaffee setzen, weil ich weiß, dass ihr so viele Fragen haben werdet, dass das hier eine ganze Weile dauern kann", schlage ich vor, womit die beiden einverstanden sind. Fünf Minuten später sitzen wir in einem Kaffee und mich erwartet bald die zweite Tasse an diesem Tag.
„Die ganze Geschichte hat damit angefangen, dass ich die Jacke von Nik, die Lucy vor mir verstecken sollte, auf dem Dachboden wiedergefunden habe. Da ist mir irgendwie klar geworden, dass es zwischen uns noch nicht vorbei sein darf", fange ich an, von vorne bis hinten fast jedes kleinste Detail zu erzählen. Scheinbar muss das alles wirklich interessant sein, da mir die beiden so gespannt zuhören, als würde ich ihnen gerade von meinen neusten Entdeckungen erzählen, bei denen herauskam, dass die Erde in Wahrheit von Aliens regiert wird. Nachdem ich zum Ende gekommen bin, wirken die beiden erstmal für eine Weile sprachlos, was bei ihnen schon was heißen muss. Es kommt ja nicht gerad oft vor, dass sie ihren Mund für längere Zeit halten können.
„Oh mein Gott, ich glaube, ich heule gleich", erwacht Lucy als erstes aus ihrer Starre und grinst fast genauso blöd wie ich heute Morgen. Ich halte es für eine Gabe, wenn das Glück anderer einen selber so sehr erfüllen kann, dafür ist Lucy wirklich zu beneiden.
„Das ist das Schönste, was ich seit Langem gehört habe. Wer hätte gedacht, dass es unseren Nik mal so erwischen würde. Für Nik ist das wirklich ein wahnsinnig großer Schritt, das kann also noch eine Weile dauern, bis ihr wie ein normales Paar seid, aber ihr schafft das schon. Ich habe euch schon die ganze Zeit geshippt, da glaubst du gar nicht, wie zufrieden ich jetzt bin", tut auch Tom seine Meinung kund.
„Ge- was?", frage ich nach, weil ich den ersten Teil seines Satzes nur zur Hälfte verstehe.
„Ach du weißt schon, das sagt man, wenn man sich wünscht, dass zwei Personen zusammenkommen", klärt mich Lucy über dieses mir unbekannte Vokabular auf.
„Ich will die Stimmung zwar nicht trüben, aber ich habe auch große Neuigkeiten, von denen ich bisher nur Ben erzählt habe, weil er daran beteiligt ist. Er wird jetzt demnächst für ein Praktikum nach Tansania gehen, er studiert doch Ethnologie. Ein Jahr ist ziemlich lang und ich weiß immer noch nicht, in welche Richtung sich mein Leben entwickeln soll, also habe ich beschlossen, mitzugehen. Ich gehe nach Tansania!", teilt sie uns mit, dabei liegt in ihrer Stimme eine Mischung aus freudiger Aufregung und Bedauern. Kein Wunder, denn mir zieht diese Neuigkeit den Boden unter den Füßen weg.
„Was? Seit wann hast du diesen Plan schon im Kopf? Und ein ganzes Jahr?", jammere ich ungläubig. Sofort schießen mir Bilder von Lucy in den Kopf, wie sie und Ben in ganz einfachen Verhältnissen in einem Dorf in Tansania leben und die glücklichste Zeit ihres Lebens haben. Ja, sie werden dabei garantiert glücklich sein. Warum ist mir nicht früher aufgefallen, dass das vielleicht genau ihr Ding sein könnte?
„Ich werde dort Freiwilligenarbeit leisten in einem Dorf, sozusagen ein FSJ im Ausland. Es ist weit weg und eine lange Zeit, aber das kommt mir momentan am sinnvollsten vor, bevor ich hier auf der faulen Haut liege."
Und dann beschließe ich einfach, mich für sie zu freuen. Lucy hat mir so viel gegeben, hat mich bei allem unterstützt und mein Glück als ihres angesehen. Es ist mehr als an der Zeit, ihr das zurückzuzahlen.
„Wir schaffen das", ermutige ich sie, indem ich ihre Hand ergreife und sie zuversichtlich anlächle.     

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