Kapitel 25

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Es war ein wunderschöner Abend und es fällt mir schwer, irgendwann tschüss zu sagen und den Pub zu verlassen, doch die Müdigkeit schlägt zu und die Betrunkenheit verstärkt meinen Wunsch nach meinem Zimmer mit meinem gemütlichen Bett nur noch mehr. Wir verabschieden uns alle vor dem Pub, wobei wir uns umarmen, sogar Sara nimmt mich in eine halbherzige Umarmung. Trotz dessen, was heute passiert ist, schenke ich ihr mein breitestes Grinsen, da ich Moment kaum glücklicher sein könnte. Ich bin wie benebelt, mir ist es gerade vollkommen egal, was sie von mir hält. Diese Glückseligkeit ist nicht mehr von langer Dauer, denn anschließend stehe ich vor Nik und weiß nicht, wie ich mich jetzt verhalten soll. Nur mein Herz hat sich für eine Reaktion entscheiden können. Wie immer schlägt es mir vor Aufregung bis zum Hals, in seiner Gegenwart geht es gar nicht anders. Soll ich ihn umarmen oder einfach nur tschüss sagen? Ihn vielleicht sogar küssen? Oh ja, das wäre schön, aber zum einen dumm, es in der Öffentlichkeit zu tun, zumal wir nicht allein sind und zum anderen weiß ich gar nicht, ob Nik danach ist. Nur Paare küssen sich zum Abschied in der Öffentlichkeit, oder? Nik und ich sind alles andere als ein Paar. Vielleicht hat er sich sogar umentschieden und will gar nichts mehr von mir. Allein, dass ich ihm sowas zutraue und trotzdem das Verlangen danach habe, ihm näherzukommen, sagt nicht viel Positives über meine Beständigkeit aus. Ich bin ihm wirklich völlig verfallen, allerdings akzeptiere ich diese Tatsache langsam, denn mich dagegen zu wehren, hat keinen Zweck, wie ich bereits feststellen durfte. Es ist immer wieder darauf hinausgelaufen, dass ich nach meinen Abweisungen noch verrückter nach ihm wurde. Dennoch wäre es in jedem Fall zu peinlich, ihm einfach um den Hals zu fallen, dann wirke ich beinahe verzweifelt. Ich werde vermutlich nie ganz abstellen können, dass ich immer an die Folgen jeder kleinsten Handlung denke und die Dinge erst angehe, wenn ich sie mit mir ausdiskutiert habe.
„Ich habe mein Handy drin liegen lassen, bin gleich wieder da. Geht ihr ruhig schon mal. Bis dann!" Schon ist Nik wieder im Pub verschwunden, die anderen wenden sich ab und machen sich auf den Weg, während ich hier stehe, unsicher, was ich jetzt tun soll. Ich habe mich immer noch nicht von ihm verabschiedet, aber wirkt es nicht etwas merkwürdig, wenn ich nur dafür auf ihn warte? Ich will nicht den Eindruck machen, dass ich total an Nik hänge und zu viel Zeit mit ihm verbringen will. Unsere Situation ist so ungewohnt und undefiniert, dass ich mich einfach nur hilflos fühle, schließlich soll er nicht denken, dass ich klammere. Das würde ihn wahrscheinlich nur von mir abschrecken. Nein, ich werde hier bleiben, schließlich ist es nur als nette Geste gedacht. Ich erwarte von ihm schließlich nicht, dass er danach noch etwas mit mir unternimmt. Gott, es macht mich wahnsinnig, wie sehr er mich verunsichert. So ist es mir noch nie ergangen, Unsicherheit ist eines der letzten Gefühle, mit denen ich mich auskenne. Meistens weiß ich genau, was zu tun ist.
Doch bevor ich noch weiter grübeln kann, ob ich gehen sollte oder nicht, ohne auf eine brauchbare Antwort zu stoßen, ist Nik schon wieder zurück. Mein Herz schlägt mit einem Mal so hoch, dass ich Angst habe, es könnte mir jeden Moment aus der Brust springen, als Nik mich ansieht und auf der Stelle verharrt. Er hat wohl nicht damit gerechnet, dass ich noch hier stehen werde. Erst kann ich diese Reaktion nicht richtig deuten, aber als sich seine Augen verengen und er verbissen wirkt, bin ich mir fast sicher, dass er gerade nichts mehr mit mir zu tun haben will. Der Gedanke tut wahnsinnig weh, doch komischerweise überrascht mich seine Reaktion nicht sonderlich. Nik ist launisch, das konnte ich mir denken und er ist niemand, an den ich zu hohe Erwartungen haben sollte. Zwar lässt mich das wie eine dumme Kuh fühlen, weil ich trotzdem so schnell mit ihm geschlafen habe, allerdings war mir von Anfang an das Risiko bewusst, dass meine Gefühle, die sich bisher eher als Verlangen ausdrückten, nicht erwidert werden müssen von ihm. Er kann mich jede Sekunde wie eine heiße Kartoffel fallen lassen.
„Hast du dein Handy gefunden?", ist das einzige, was mir einfällt, um nicht völlig wie eine Bekloppte dazustehen und ihn nur anzustarren.
„Ja, hast du deshalb auf mich gewartet? Um zu erfahren, ob ich es gefunden habe?", fragt Nik in einem zweifelnden Ton, der meine peinliche Berührung nur verstärkt. Ich zucke nur mit den Schultern, da ich darauf keine passende Antwort weiß, erst Recht keine, die ich von mir geben würde, wenn er plötzlich so abweisend reagiert. Also schweigen wir uns an und liefern uns einen regelrechten Starrkampf, in dem ich mich erstaunlich gut halte.
„Es ist schon spät, du wirst sicherlich zu Hause erwartet", bricht Nik irgendwann endlich das Schweigen, woraufhin er von mir nur ein fassungsloses Schnauben bekommt, da er merkwürdig emotionslos klingt. Er weist mich tatsächlich ab, nachdem er seine Finger vorhin gar nicht von mir lassen konnte. Ich weiß nicht einmal, ob er sich gerade darüber amüsiert hat, dass ich nach Hause muss wegen meiner Eltern oder ob er nur eine Ausrede sucht, um mich loszuwerden.
„Was ist?"
„Nichts, ich frage mich bloß, seit wann es dich interessiert, ob ich rechtzeitig nach Hause komme oder nicht", gebe ich etwas zickiger zurück, als ich eigentlich beabsichtigt hatte. Am schlausten wäre es vermutlich, wenn ich einfach gehe. Scheinbar bin ich nicht mehr erwünscht.
„Ich meine ja nur, es passt nicht gerade zu dir, jeden Abend so lange weg zu sein. Das macht dir sicherlich einige Probleme", erwidert er weiterhin kalt und reizt mich damit immer mehr. Manchmal frage ich mich, ob ich einfach nur extrem reizbar und überempfindlich bin oder ob es jedem so gehen würde, der mit Nik zu tun hat.
„Das kannst du sagen, weil du mich ja ach so gut kennst."
„Es ist nicht sonderlich schwer, darauf zu schließen bei dir. Ich kenne Mädchen wie dich, bisher hast du nur brav auf deine Eltern gehört, kommst jetzt in deine rebellische Phase und in null Komma nichts ist der Trip auch schon wieder vorbei und du bist wieder eine kleine Spießerin, wenn es dir zu langweilig wird." Ich sollte ihn schlagen, definitiv sollte ich irgendwas tun, doch stattdessen stehe ich einfach nur regungslos auf der Stelle und kann nicht fassen, was er da sagt. Okay, Unrecht hat er nicht, bisher habe ich ein sehr spießiges Leben geführt, aber die Abneigung, mit der er all das sagt, ist das eigentlich Erschreckende. Wenn er so negativ über mich denkt, warum hat er dann etwas mit mir angefangen? Diese Frage stelle ich mir gerade wieder zum wiederholten Mal, denn mit Logik hat es nicht viel zu tun, dass ich mich so von ihm angezogen fühle, wenn er mich doch mit anderen Mädchen über einen Kamm schert, ohne mich zu kennen.
„Wenn du mich so schrecklich und durchschaubar findest, warum hast du dann überhaupt mit mir geschlafen?", frage ich ihn mit erstaunlich ruhiger Stimme, obwohl ich innerlich brodele. Überhaupt überrascht es mich, dass ihm diese Frage einfach so stelle, obwohl ich mich vor der Antwort ein wenig fürchte.
„Du hast mich ganz schön überfallen, aber wer schlägt schon so ein Angebot aus?", meint er in einem so ernsten Ton, dass mir fast übel wird. Das kann er gar nicht so meinen, das glaube ich einfach nicht. Natürlich ist mir klar, dass für ihn keine Gefühle im Spiel sind, doch hier geht es um etwas anderes. Er stellt es so hin, als ob ich ihn so unbedingt wollte, ohne dass er etwas dazu beigetragen hat, dabei war es sein Ziel, mich ins Bett zu kriegen. Warum ist ausgerechnet er derjenige, der so tut, als würde er sich schämen? Hält er mich vielleicht für so dämlich, dass ich sonst nicht kapiere, dass zwischen uns nicht mehr ist?
„Ach ja? Was war das dann vorhin auf dem Klo?", versuche ich, ihn zur Rede zu stellen.
„Nichts weiter, mir war nur danach, außerdem hast du mich da schon wieder überfallen." Stopp, das reicht für mich und das signalisiere ich ihm auch so. Wenn er noch ein Wort von sich gibt, dann kann ich nicht dafür garantieren, dass ich nicht in Tränen ausbreche, weil ich mir so verarscht vorkomme. Ich kann es verkraften, dass er nichts weiter von mir will als Spaß, wobei ich mich frage, wie mir das überhaupt möglich ist und wie lange dies noch der Fall ist, aber dass er das alles so abtut, als wäre gar nichts dabei gewesen, ist mir eine Spur zu viel. Ohne ein weiteres Wort an ihn zu verlieren, das er gar nicht verdient hat, drehe ich mich um und gehe. Das hätte ich vorhin schon machen sollen, aber nein, ich war wahrscheinlich blöd genug zu glauben, es würde nochmal etwas zwischen uns passieren. Manchmal bin ich eine ziemlich blöde Gans. Wie konnte ich nur eine Sekunde denken, Nik sei nicht ein komplettes Arschloch?
Ich komme nicht weit, da schießt eine Hand zu meinem Arm und hindert mich daran, weiterzugehen.
„Warte!", bittet mich Nik in einem so versöhnlichen Ton, der mich glauben lässt, er hat eine Persönlichkeitsstörung oder er ist jetzt völlig durchgeknallt.
„Was? Was willst du mir noch an den Kopf werfen? Hat dir das gerade wirklich noch nicht gereicht?", schreie ich ihn an und bin enttäuscht von mir, dass ich ihm so offenkundig zeige, wie er mich verletzt. Ich drehe mich mit einem Ruck zu ihm, sodass mein Arm seiner Hand entgleitet.
„Jetzt warte doch einfach mal. Vielleicht war das gerade ziemlich scheiße und daneben, was ich von mir gegeben habe, manchmal werfe ich mit Worten um mich, ohne richtig darüber nachzudenken. Normalerweise hätte ich mich echt nicht auf dich eingelassen, so geht es dir vermutlich auch, aber du warst trotzdem überraschend anziehend. Natürlich war es auch meine Schuld, dass wir miteinander geschlafen haben, ich habe dich schließlich immer bedrängt. Es tut mir leid, ich bereue nicht, dass wir das getan haben und weiß absolut nicht, warum ich das zu dir gesagt habe." Ich kann seine Worte nur schlecht verarbeiten, weil dieses ehrliche Eingeständnis gerade im völligen Gegensatz zu dem vorher Gesagten steht. Es reicht schon, wenn er meine Gefühlswelt durcheinander bringt, muss er auch noch mein Gehirn so stark verwirren? Nik kommt die wenigen Schritte, die zwischen uns liegen, auf mich zu und nimmt meinen Kopf in seine Hände. Ich sollte ihn wegstoßen, gehen und ihn in die Hölle schicken, aber nein, mein blödes verknalltes Hirn macht sich wieder Hoffnungen und denkt an die wunderschönen Momente, die ich mit ihm bisher hatte. Seine Worte, die ich so nicht erwartet habe und die Verzweiflung in seinem Blick machen es nicht besser. Statt wütend zu sein, kommen mir die Tränen und ich kann nicht anders als in seinen Händen zu zerlaufen. Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll.
„Das kannst du nicht mit mir machen. Ich gebe mir wirklich Mühe, mit der ganzen Situation klarzukommen, aber dein hin und her ist zu viel", antworte ich endlich mit erstickter Stimme, da ich mit aller Macht gegen die Tränen ankämpfe. Nik lehnt seine Stirn gegen meine und ich bin so überrascht davon, dass ich fast das Atmen vergesse. Ich habe das hier weniger erwartet, als dass er mich für meine Tränen verspottet, trotzdem finde ich meinen Gefühlsausbruch furchtbar peinlich. Dass wir hier mitten auf dem Fußweg stehen, wo uns jeder sehen kann, blende ich gerade aus.
„Dir ist klar, dass ich dir niemals alles von mir geben kann, oder?", fragt er und ich kann nur nicken, da ich schon genug Zeit hatte, über diesen nicht unbedingt attraktiven Fakt nachzudenken. Ich weiß nicht, was ich mir von ihm erhoffe, wie ich mit all dem klarkommen werde. Ich weiß wenig darüber, was ich will, nur, dass ich das, was geschehen ist, gerne nochmal wiederholen würde. Ich kann Nik nicht so einfach von mir stoßen.
„Vielleicht wollte ich dich eben einfach nur davon abbringen, weiterhin Zeit mit mir zu verbringen, weil ich wirklich nicht in dein Leben passe."
„Warum hast du mich dann nicht gehen lassen?", frage ich überrascht, denn diese Selbstlosigkeit habe ich nicht kommen sehen.
„Ich weiß es nicht", flüstert er und mich überkommt eine wohlige Gänsehaut, schließlich sind unsere Gesichter nur eine Handbreite voneinander entfernt. Selbst jetzt habe ich starkes Verlangen danach, ihm so nah wie möglich zu sein. Wie ist das möglich, wenn er doch so ganz anders ist, als der Traummann in meiner Vorstellung? Meine Gefühle für ihn werden mir für immer ein Rätsel bleiben.
„Ich weiß, dass diese Frage jetzt sehr unpassend wirkt und du mich höchst wahrscheinlich zum Teufel jagst, trotzdem will ich wissen, ob du mit zu mir kommen willst oder ich dich lieber nach Hause bringen soll."
Natürlich hätte ich sagen müssen, dass er mich nach Hause bringen soll, doch meine Vernunft habe ich schon längst die Toilette runtergespült. Es spricht so vieles dagegen, mit ihm zu gehen, ich muss erneut meine Eltern anlügen, die mir nicht mehr lange glauben werden, was ich ihnen jeden Tag auftische. Ich bin immer noch mit Max zusammen und weiß weder genau, was ich für Nik empfinde, noch, was genau ich von ihm halten soll. Aber es bleibt beim Alten: Nichts kann mich davon abhalten, mit ihm zu gehen.

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