Kapitel 37

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„Lächle bitte etwas mehr, sonst denkt noch jeder, du wärst depressiv oder freust dich nicht über die Geschenke und die Glückwünsche. Vergraul nicht alle, du wirst doch wohl noch wissen, wie man höflich ist und nett lächelt", fordert mich meine Mutter auf, als sie mir meine Haare zu einem Kranz flechtet, zumindest versucht sie das mit meinen Braids, was ihr natürlich nicht gelingt. Am liebsten würde sie mir vermutlich meine Haare abrasieren und eine Perücke aufsetzen. Ich kann nicht gerade behaupten, dass ich sonderlich glücklich bin, schließlich wurde ich von dem Typen, von dem ich meine, mich in ihn verknallt zu haben nur ausgenutzt und beleidigt, ich habe mit meinem Exfreund geschlafen und ihn nur dazu benutzt, in der Hoffnung, auf andere Gedanken zu kommen und von meiner Mutter bekomme ich nichts als Vorwürfe und Bevormundungen zu hören. Die Zeit nach dem Abitur habe ich mir wesentlich undramatischer vorgestellt, doch innerhalb kürzester Zeit hat sich das Blatt gewendet. Dabei sollte das der beste Sommer werden, den ich bisher hatte. Ich kann nicht glauben, dass diese Zeit schon so gut wie vorbei ist. So actionreich wie die letzten Wochen waren, habe ich gar nicht bemerkt, wie die letzten Monate an mir vorbeigerauscht sind.
„Wenn du dich in der Nähe von Maxim oder seinen Eltern befindest, solltest du hingegen darauf achten, sehr betrübt zu wirken, als würdest du noch sehr unter der Trennung leiden. Wenigstens das bist du ihnen schuldig. Es wäre eine Beleidigung ihnen gegenüber, wenn du fröhlich bist, weil es aus ist. Und unterhalte dich mit Maxim, wer weiß, vielleicht siehst du deinen Fehler ja doch ein." Das bin ich ihnen schuldig? Ist es nicht schon demütigend genug, dass seine Familie überhaupt an meinem Geburtstag auftaucht? Für mich ist dieses Thema abgeschlossen, da kann ich auf die Peinlichkeit verzichten, seinen Eltern unter die Augen zu treten. Weshalb fällt es meiner Mutter nur so schwer, meine eigenen Entscheidungen zu akzeptieren? Wenn ich auch nur eine Sekunde daran gedacht habe, meine Mutter würde unsere Trennung in irgendeiner Weise akzeptieren, dann bin ich naiver als gedacht. Sie wird mich noch Monate damit quälen, wahrscheinlich wirft sie mir diesen sogenannten Fehler noch in 10 Jahren vor. Ich halte das nicht mal mehr ein Jahr aus, irgendwann gebe ich mir noch die Kugel. Warum habe ich mich bloß für eine Uni in der Stadt entschieden und keine, die 300 km von hier entfernt ist? Ich könnte mir nichts Besseres vorstellen, als hier auszuziehen, obwohl das vermutlich auch schwer durchzusetzen wäre, schließlich hat meine Mutter dann kein Auge mehr auf mich.
Meine Mutter hat langsam eingesehen, dass sie mit meinen Haaren nicht viel anfangen kann und verzweifelt aufgegeben. Im selben Moment klingelt es unten an der Haustür, woraufhin ich für den Bruchteil einer Sekunde Panik in dem Blick meiner Mutter erkennen kann. Das muss dann wohl meine Oma sein. Ich folge ihr die Treppe hinunter und bin genauso wenig begeistert, meine Großmutter zu sehen, wenigstens das haben wir beide gemeinsam.
„Guten Tag Mutter, wir haben schon erwartet, dass du sehr pünktlich erscheinen wirst", begrüßt meine Mutter sie mit freudlosem Ton. Das Verhältnis zwischen den beiden ist noch weniger herzlich als meins zu meiner Mutter. Noch immer versucht diese Hexe meine Mutter nach Strich und Faden zu kontrollieren, was sich entsprechend auch auf mich auswirkt. Je mehr sie meine Mutter unter Druck setzt, desto mehr setzt mich meine Mutter wiederum unter Druck. So wenig sie Oma leiden kann, sie ist im Prinzip ihr Ebenbild, sowohl äußerlich als auch innerlich. Wenn sie mich später auch noch so rumkommandiert, wie es jetzt mit ihr gemacht wird, dann sehe ich keine glorreiche Zukunft vor mir. Wir haben immerhin das Glück, dass sich Omas Besuche auf dreimal im Jahr, unsere Geburtstage, beschränken, öfter erträgt man diese Frau wohl kaum. Sie legt nicht viel Wert darauf, ihre Familie oft zu sehen, solange sie telefonisch Kontakt zu uns hat und meine Mutter auf diese Weise unterdrücken kann. Ich liebe meine Familie. Naja, immerhin sind meine Eltern keine Drogenjunkies oder sind gewalttätig, es kann einen immer schlimmer treffen, was nicht heißt, dass ich mich mit meiner Familie arrangieren muss.
„Ich war nicht sicher, ob ich es zu heute schaffen werde, da ich noch ein wichtiges Meeting hatte, man hat es freundlicherweise für mich umgelegt", kommt sie ohne jegliche Begrüßung in unser Haus stolziert und nimmt jede Ecke genauestens unter die Lupe. Meine Oma ist eigentlich Rentnerin, sie würde allerdings niemals auf die Idee kommen, die Führung ihrer Firma einem anderen zu überlassen. Sie wird eines Tages auf ihrem Bürostuhl sterben, da bin ich mir sicher.
„Das ist wirklich großartig. Es wäre eine Tragödie, wenn wir es die wenigen Male, die wir uns sehen, auch noch verpassen." Meiner Mutter ist die Anspannung anzuhören, sie klingt eher, als sei eine wahre Tragödie, dass es meine Oma doch zu uns geschafft hat. Wie gern wir uns beide wünschten, sie hätte dieses Meeting heute abgehalten.
„Ist in letzter Zeit etwas Spannendes passiert?", versucht meine Mutter ein Gespräch anzufangen, während sie den Mantel von Oma entgegennimmt und weghängt.
„Natürlich ist etwas passiert und ich hoffe, dass du dir bereits große Sorgen machst und bereits Maßnahmen ergriffen hast, sonst würde ich mir wirklich Gedanken machen, ob du deine Tochter noch unter Kontrolle hast. Denkst du etwa, mir ist nicht zu Ohren gekommen, was zwischen Maxim und ihr passiert ist? Da trennt sie sich einfach aus heiterem Himmel von ihm, ohne darüber nachzudenken, welche Konsequenzen ihre Entscheidungen haben könne. So unreif und unbedacht habe ich sie gar nicht in Erinnerung. Als ich in ihrem Alter war, da hätte es sowas nicht gegeben. Ich wusste immer genau, was ich zu tun hatte und habe dementsprechend nie jemanden enttäuscht." Bei jedem ihrer Worte wird mir übler und ich würde mir nur zu gern die Ohren zuhalten. Ich kann diese Vorwürfe nicht mehr hören, die für mich immer weniger Sinn ergeben wollen. Meine Großmutter ist die wohl konservativste Frau, die es auf der Welt gibt, stammt aus einem reichen Elternhaus, das bestimmte Erwartungen an sie hatte und ist scheinbar auch in der Zeit stehen geblieben. In ihren Augen haben sich Frauen immer noch zu verhalten wie es bei ihr war in den 50er Jahren. Diese Frau verkörpert so ziemlich alles, was ich nie sein möchte. Wäre meine Mutter nicht, hätte ich sie im hohen Bogen rausgeschmissen. Warum tut sie es nicht einfach? Sie ist von ihr nicht mehr abhängig, es wäre wirklich kein großer Verlust.
„Dürfte ich kurz anmerken, dass ich anwesend bin und du auch mit mir statt mit Mama darüber reden kannst? Außerdem können junge Frauen heutzutage tun und lassen, was sie wollen..." Der vernichtende Blick, den mir diese bösartige Frau zuwirft, lässt mich sofort verstummen und auch meine Mutter wirkt davon eingeschüchtert. Okay, deshalb hat sich meine Mutter noch nicht gegen sie aufgelehnt. Sie muss sich ihr gegenüber genauso fühlen wie ich, wenn meine Mutter mit mir redet. Ob sie weiß, dass sie eigentlich nicht anders als die Person ist, vor der sie am meisten Angst hat?
„Gehst du bitte auf dein Zimmer, bis die ersten Gäste kommen?", bittet mich meine Mutter in einem Ton, der keine Widerrede zulässt. Mit gemischten Gefühlen gehorche ich ihrem Befehl, ich halte es keine Sekunde länger bei den beiden aus, aber gleichzeitig fühlt es sich nicht richtig an, meine Mutter mit ihrem persönlichen Albtraum allein zu lassen. So schlecht wir uns auch verstehen, sie ist trotzdem noch meine Mutter und es ist nicht schön zu sehen, wie eine so starke Frau so kleinzukriegen ist. In meinem Zimmer angekommen wage ich wieder einen Blick auf mein Handy und stelle fest, dass ich eine Nachricht von Lucy erhalten habe.

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