Kapitel 31

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Und mit einem Mal ist alles anders. Seit heute habe ich weder einen Freund, noch eine Affäre, jetzt stehe ich ganz allein da. Okay, das klingt so verzweifelt, als ob ich dringend einen Mann brauche, um überleben zu können. Natürlich kann ich auch ohne einen Mann leben, mit dem ich eine Beziehung oder wenigstens etwas, was dem relativ nahe kommt, es ist einfach nur sehr ungewohnt plötzlich diese zwischenmenschlichen Beziehungen verloren zu haben, wenn man sie vorher im Überfluss hatte. Das Schlimmste an der Situation ist, dass mich die Trennung von Max viel weniger runterzieht als das Debakel mit Nik. Von Max habe ich innerlich schon eine ganze Weile Abschied genommen, diese Beziehung war einfach nicht mehr für mich zu retten, während sich Nik allerdings immer tiefer in mein Herz gegraben und dort eingenistet hat. Immer, wenn meine Gedanken zu ihm abdriften, habe ich das Bild von ihm und Sara vor mir, wie sie sich gegenseitig fast auffressen. Jeder konnte ihnen dabei zusehen, vermutlich war es gerade das Ziel, dass ich das Spektakel zu Gesicht bekomme. Wie oft haben sie sich wohl vorher schon geküsst, obwohl Nik mich davon überzeugen wollte, dass er kein Verlangen nach Sara hat? Wie oft haben sie es wohl miteinander getrieben? Diese Gedanken und die Bilder dazu sind unfassbar schmerzhaft, etwas, das nie passieren sollte. Ich bin hochgradig eifersüchtig, weil ich mehr für Nik empfinde, als ich dachte. Vielleicht hat Nik das auch bemerkt und wollte mir klar machen, wo ich für ihn stehe. Ganz unten. Während es für mich das schönste Erlebnis meines Lebens war, hat ihm das wahrscheinlich genauso wenig wie ein Fliegenschiss bedeutet. Habe ich jemals etwas anderes von ihm erwartet? So schwer es mir fällt, kann ich nicht leugnen, dass er mich nicht hintergangen hat. Von Anfang an war klar, dass zwischen uns nie mehr sein kann als diese Affäre, denn weder ich war bereit für eine neue Beziehung, noch ist Nik dazu in der Lage, an nur eine Frau gebunden zu sein. Ich habe mich darauf eingelassen, obwohl ich wusste, welches Risiko dabei besteht. Aber warum musste es ausgerechnet Sara sein? Ich würde mich selbst belügen, wenn ich behaupte, es macht mir nichts aus, wenn irgendein x-beliebiges Mädchen auf seinem Schoß gesessen hätte, jedoch wäre es nicht ganz so ein fester Schlag in die Magengrube. Sara wusste genau, was sie mir damit antut, so wie ich wusste, wie sehr ich sie verletze, wenn ich mit Nik schlafe. Meiner Wut freien Raum zu lassen, ist gar nicht so einfach, wenn man so viel Verständnis aufbringen muss.
Ich bin mittlerweile ein wahrer Profi darin, mich selber anzulügen. Wie konnte ich auch nur eine Sekunde denken, ich würde es überstehen, wenn er es mit einer anderen treibt? Ich habe mich gewaltig überschätzt, ich kann nicht alles in meinem Leben und schon gar nicht mein Herz kontrollieren. Gefühle entstehen einfach, auch wenn mir meine Mutter immer gern etwas anderes beibringen wollte. Hätte ich von Anfang an meine Gefühle kontrollieren können, dann wäre es nicht einmal annähernd so weit gekommen, aber Niks Anziehungskraft ließ sich nicht unterbinden. Ich kann verstehen, dass meine Mutter ihr Herz vor so vielem verschließt, versucht, alles unter Kontrolle zu halten, um jeder Gefahr aus dem Weg zu gehen. Denn es tut weh, und wie es wehtut, von Sekunde zu Sekunde immer schlimmer, dabei habe ich meine letzte Hoffnung darauf gesetzt, dass meine Gefühle für Nik zu oberflächlich für richtigen Liebeskummer sind. Wie so oft in letzter Zeit habe ich auch das falsch eingeschätzt.
Was Nik jetzt wohl macht? Seine Zeit mit Sara im Bett verbringen, oder vielleicht Geige spielen? Das macht es noch viel schwieriger, ihn zu verabscheuen. Ich kenne auch seine guten Seiten, die alles Schlechte in den Schatten stellen konnten. Als einzige aus seinem Freundeskreis durfte ich bei ihm übernachten, dabei habe ich damals noch nicht mit ihm geschlafen. Die Aktion mit der Gitarre kann doch auch keine völlig normale Handlung seinerseits gewesen sein, zumindest versuche ich mir das einzureden. Versuche irgendwelche Anhaltspunkte zu finden, die mir sagen, dass er kein komplettes Arschloch ist und dass er es verdient, dass ich ihm nachtrauere. Dabei ist mir klar, wie unwahrscheinlich es ist, dass er auch etwas für mich empfindet, wenn er mich so beschissen behandelt. Niemals hätte ich mit einem Mann ins Bett gehen können, für den ich nichts empfinde, während es für ihn Alltag ist. Okay, er hat Gefühle, die gehen allerdings alle nur von seiner Hose anstatt von seinem Herzen aus. Das ist wahrscheinlich der einzige Trost, den ich gerade kriegen kann: Sara wird den festen Platz an seiner Seite genauso wenig einnehmen wie ich, vielleicht wird das nie eine können. Sara, die für ihn angeblich wie eine Schwester ist. Das war vermutlich nur eine Lüge, um zu verhindern, dass ich eifersüchtig werde und ihn ständig über seine Beziehung zu Sara ausfrage. Ich habe ihm einfach so geglaubt, weil ich immer darauf fixiert war, etwas Positives an seinem Charakter auszumachen. Tief in seinem Inneren ist er auch kein schlechter Kerl, das kann Nik allerdings bestens verstecken. Mein gesunder Menschenverstand hat sich in seiner Nähe jedes Mal in Luft aufgelöst. Aus Fehlern soll man ja angeblich lernen, dann kann ich nur darauf vertrauen, dass mir so ein gewaltiger Fehler nie wieder unterläuft.
In meiner Decke eingekuschelt-das Bett habe ich heute noch nicht verlassen-mache ich mir Gedanken über das, was hätte sein können. Wäre alles normal weiterverlaufen, hätte ich keinen Schritt in den Club gesetzt, würde Max mit mir in meinem Zimmer sitzen, zwischen uns gäbe es unausgesprochene Probleme, deren Existenz wir gekonnt ignorieren, aber wir halten uns weiterhin gegenseitig. Wäre Nik kein gefühlskaltes Arschloch, hätte ich mich zu Gunsten einer Zukunft mit ihm von Max getrennt, schonend hätte ich meinen Eltern beigebracht, dass ich mit Nik zusammen bin und wir hätten gemeinsam unter dieser Decke gelegen. Wie ich meiner Mutter wohl den Schock ihres Lebens vermittelt hätte? Ihren Gesichtsausdruck kann ich mir gut vorstellen, sie hätte erstmal kein Wort herausbringen können. Ich sollte mich glücklich schätzen, dass ich ihr nur irgendwie beibringen muss, dass ich nicht mehr mit Max, ihrem Traum eines Schwiegersohnes, zusammen bin, das wird schon hart genug. Ich habe mir noch keine Gedanken darüber gemacht, wie ich das hinter mich bringen soll. Wenn sie daraufhin Nik treffen müsste, dürfte ich meine Beerdigung planen.

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