Sentenced - The last day

By ChaosMary

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Vorwort
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
Epilog
Nachwort

30. Kapitel

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By ChaosMary

Am Ende des langen Ganges sehe ich die zwei nebeneinanderliegenden Türen.

Ich schlucke, weil ich genau weiß, was mich dahinter erwartet. Hinter der einen befindet sich die Liege, auf der ich gleich wieder festgeschnallt und umgebracht werde. Und hinter der anderen Tür sitzt meine Familie und kann mir durch eine Glasscheibe beim Sterben zusehen. 

Der Direktor des Gefängnisses steht vor der linken Tür, während meine Anwältin vor der rechten steht. Vor Aufregung beschleunigt sich mein Herzschlag. Vielleicht habe ich mir die ganzen Gedanken umsonst gemacht. Egal, ob Sadie etwas mit meiner Auferstehung zu tun hat oder nicht, vielleicht hat Marina mit den neuen Hinweisen eine Verschiebung der Hinrichtung bewirken können. 

Mit jedem weiteren Meter, den wir uns den beiden nähern, steigert sich meine Hoffnung. Sie hält einen Zettel in der Hand. Das muss der richterliche Beschluss sein, auf den wir beide so lange gewartet haben.

Ich habe mich zu sehr in alles hineingesteigert, die Lösung war so banal gewesen.

Es gibt keine Ärzte, die Wunder vollbringen können und gegen die Zeit arbeiten. Es gibt auch keine höhere Macht, die einen Menschen zurück ins Leben schickt. 
Es gab nur einen Traum, der sich ganz so wie dieser Tag angefühlt hat.

Und die Lösung ist einfach, dass der Richter zur Vernunft gekommen ist und diesen Fall erneut aufrollt und ordentlich aufklärt. Genau so muss es sein. 

Während ich mir euphorisch diese Gedanken zurechtlege, werde ich automatisch langsamer, als ich den Gesichtsausdruck von Marina bemerke. Sie hält den Zettel fest umklammert, aber ihre Augen sind abgestumpft, ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst. 

Sie hat keine guten Neuigkeiten für mich. 

Dieser Gedanke fühlt sich wie ein dumpfer Schlag in die Magengrube an. Kurz vor ihr angekommen, bleiben wir stehen und ich sehe sie fragend an. »Was hat ihm gefehlt?«, frage ich nach und ärgere mich darüber, dass meine Stimme noch immer so verwaschen und langsam klingt. Marina runzelt deswegen kurz ihre Stirn und überlegt wahrscheinlich, ob ich in ihrer Abwesenheit einen Schlaganfall hatte. Dabei war es nur eine beschissene Tablette gewesen, von der sie aber nichts weiß. 

Sie fängt sich schnell wieder und blickt mir fester in die Augen. »Eine Aussage deines Bruders. Er verweigert es, auszusagen. Und es hat ihn auch niemand am Tatort gesehen. Für den Richter sind es nur wilde Spekulationen von uns.« 

Entmutigt atme ich tief durch die Nase ein. »Und was ist mit der Aussage von Liv?« 

Traurig schüttelt Marina mit dem Kopf. »Das war ihm zu wenig. Immerhin war sie nur vor der eigentlichen Tat dort gewesen. Wenn sie etwas gesehen hätte, wäre es etwas anderes gewesen. Aber so...« Entschuldigend zuckt sie mit den Schultern, dann sammeln sich Tränen in ihren Augen. »Es tut mir so leid. Ich dachte wirklich, ich könnte dein Leben retten und deine Unschuld beweisen. Vielleicht...hättest du dir einen anderen Anwalt suchen sollen«, bricht es aus ihr heraus. 

Liebend gerne hätte ich sie in den Arm genommen und sie beruhigt, ihr gesagt, dass ich keine bessere Anwältin als sie hätte haben können. Aber daran hindern mich die Handschellen, welche meine Arme auf dem Rücken fixiert halten und der strenge Blick des Direktors auf seine Armbanduhr. 

Scheinbar muss er noch zu einer wichtigen Besprechung und diese Hinrichtung schnell hinter sich bringen. 

Ich presse meine Lippen zusammen und schüttle leicht mit dem Kopf. »Nein, du warst perfekt«, schaffe ich noch zu sagen, bevor ich in den Raum geschoben werde. Ich hasse diese ungeduldigen Wärter. Als ob sie nicht eine Minute mehr Zeit haben, um mir die Chance zu geben, dieses Gespräch ordentlich zu beenden. 

Ich weiß, dass sie die Zeit haben. Aber ich bin es ihnen nicht wert, sie auch zu bekommen. Sie wollen mich loswerden und nun sind sie endlich kurz davor, einen Mörder seiner gerechten Strafe zu überführen. 

Mit versteinerter Miene lasse ich es über mich ergehen, wie sie mich auf die Liege legen. Geschickt binden sie meine Gliedmaßen fest und schlingen mir einen Gurt um den Bauch, damit ich mich auch auf jeden Fall nicht mehr bewegen kann. 

Die graue Betondecke blickt trostlos auf mich herunter, während mein Herz in meiner Brust anfängt sich zu überschlagen. Adrenalin rauscht durch meine Körper, welches mir nun aber nicht mehr helfen kann. Aber es führt dazu, dass dieses Gefühl der Benommenheit langsam verschwindet. Was schade ist, da ich es gerade in dieser Situation besser gebrauchen könnte. 

Ich brauche einige Momente, bis ich mich traue, meinen Kopf zu der Glasscheibe zu drehen. Erstaunt blicke ich in die geschockten Gesichter meiner Familie. Verblüfft atme ich auf, als ich in die verweinten Augen meiner Tochter blicke. 

Sie ist gekommen. 

Das ist anders als beim letzten Mal. Da waren nur Claire und Luke anwesend gewesen, abgesehen natürlich von Marina. Nun sitzt Liv auch hier und klammert sich mit einer Hand an Claire fest. 

Sie sitzt zwischen Luke und meiner Frau und blickt mich aus weit aufgerissenen Augen traurig, fast schon entschuldigend an. Sie hat alles versucht, was in ihrer Macht stand, um mich zu retten. Aber es hat nicht gereicht. 

Ich blinzle ihr zu und hoffe, dadurch ausdrücken zu können, dass es in Ordnung ist. Ich weiß, was sie getan hat und bin ihr dankbar dafür. 

Liv erwidert meinen Blick und nickt zaghaft. Ich reiße meinen Blick von ihr los und sehe zu Claire, die mich mit bebenden Lippen ansieht und versucht, ein beruhigendes Lächeln darauf erscheinen zu lassen, um mir Mut zu machen. Es endet aber eher in einer Grimasse, was sie selbst bemerkt und deswegen seufzend sein lässt. 

Es fällt mir schwer, meinen Blick von den beiden Menschen abzuwenden, die das Wichtigste in meinem Leben sind. Aber aus Neugierde sehe ich dann doch zu Luke. Nebenbei höre ich, wie der Direktor die Anklage und das Urteil für das Protokoll vorliest.

Luke blickt mich genau an und ich kann in seinen Augen nicht die geringste Emotion erkennen. Kalte Wut rauscht durch meine Adern. Er weiß ganz genau, dass er hier liegen müsste. Warum verdammt nochmal, hat mir niemand geglaubt? Oder auch Marina nicht?

Er war es gewesen. Er ist der Mörder. Und er sieht mir beim Sterben zu. 

Ein gequälter Laut verlässt meine Lippen und ich balle meine Hände zu Fäusten. Das ist einfach nur ungerecht. Ich muss mich hier foltern lassen und er sieht als Zuschauer dabei zu. Eigentlich sollten die toxischen Substanzen durch seine Venen fließen und nicht durch meine. 

Aber es ist zu spät. Ich kann es nicht mehr ändern, ich habe keine Beweise, die Luke belasten. Er hat dieses verflixte Spiel gewonnen. Er kann weiterleben, während ich sterbe. 

Ich bin mir sicher, dass ich nun wirklich sterben werde. Dieses Gespräch mit Sadie war zu riskant gewesen, zu dumm und naiv von mir. Sie wird nichts damit zu tun haben, dass ich diese erneute Chance bekommen habe. Wenn es überhaupt eine war und nicht wirklich nur die Realität nach einem Traum. Ich weiß es nicht und ich werde es nie erfahren. Gleich ist es vorbei. 

Für den anwesenden Direktor bestätige ich, dass ich Steve Hampton heiße. Dann kommt Sadie in den Raum und legt mir mit kalten Fingern einen venösen Zugang. 

Anscheinend habe ich noch eine beachtliche Menge des Beruhigungsmittels in meinem Körper, denn all diese Geschehnisse gehen an mir vorbei, als würde ich einen Film sehen. Ich blicke auf mich selbst herunter, auf meinen abgemagerten Körper, der seine letzten Atemzüge tut.

Oder aber, ich möchte es nicht wahrhaben, sondern kapsle mich so gut es geht, von all den Geschehnissen ab. Ich spüre, wie die erste kalte Flüssigkeit durch meine Vene gejagt wird. Verbissen beiße ich meine Zähne zusammen, halte verzweifelt Blickkontakt zu meiner Familie. 

Immer wieder fallen mir vor Erschöpfung die Augen zu, aber ich reiße sie immer wieder auf. Ich will noch nicht gehen. 

Es muss doch noch eine Lösung geben. Irgendeine Möglichkeit, dank der ich nicht sterben muss. 

Aber es gibt sie nicht. Ich spüre, wie Sadie die nächste Spritze an meinem Arm platziert. »Höher dosiertes Schmerzmittel.« Ihre Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern.

Irritiert drehe ich meinen Kopf und sehe sie direkt an. Konzentriert drückt sie den Kolben der Spritze herunter, dann erst sieht sie mir direkt an die Augen. Sie erwidert meinen hilfesuchenden, verzweifelten Blick und nickt zaghaft. »Ich weiß.« Ihre Lippen formen diese zwei Worte, die so viel auf einmal bedeuten. 

Sie sind die Bestätigung für mich, dass sie an meine Unschuld glaubt. Gleichzeitig sagt sie mir, dass sie weiß, was sie getan hat. Und sie gibt mir durch einen intensiven, langen Blick die Gewissheit, dass sie es erneut versucht.

Erschöpft fallen mir die Augen zu. 

Egal, wie wirr dieser Tag war, auf wie vielen falschen Fährten ich mich bewegt habe, am Ende war es doch nicht umsonst gewesen. 

Immerhin weiß ich nun, wer der wahre Mörder ist. Luke, mein Bruder. Es fehlen nur Beweise, um diese Vermutung vor dem Richter glaubhaft zu machen. 

Und ich weiß, dass ich Sadie auf meiner Seite habe. Vielleicht hat sie übernatürliche Kräfte, oder aber eine bestimmte Mischung an Medikamenten gefunden. Aber sie versucht, mir eine erneute Chance zu geben. Anders kann es nicht sein, so muss es sein. 

Es bleibt nur weiterhin die Gefahr, ob es ausreicht. Und ob es nochmal funktioniert. 

Ich spüre die letzte, kalte Flüssigkeit durch meinen Arm rauschen. Kurz darauf fängt mein Herz an, unkontrolliert und taktlos in meiner Brust zu schlagen. Keuchend verziehe ich mein Gesicht, weil es mich so unvorbereitet trifft.

Noch immer hänge ich mit meinen Gedanken am Leben, versuche eine logische Erklärung für das zu finden, was mir passiert ist. Aber rational betrachtet, hat Sadie mit keinem einzigen Wort erwähnt, dass sie mich gerettet hat. Oder, dass sie es wieder tun wird. Es ist nur meine eigene Interpretation ihres Verhaltens. 

Mein unnachgiebiger Wunsch zu leben. Ich kann einfach nicht akzeptieren, dass ich sterben muss, auch wenn ich in diesem Moment nur noch nach Luft schnappen kann. Meine Lunge fällt langsam in sich zusammen und ich kann nichts dagegen tun.

Ich verspüre keine Schmerzen, aber die Angst ist dennoch da. Ich spüre alles, was in meinem Körper vor sich geht und was eigentlich nicht so sein sollte. Hier sollte nicht ich liegen. 

Kraftlos fällt mein Kopf zur Seite. Meine Muskeln zittern und ich schaffe es unter einer gewaltigen Kraftanstrengung, meine Augen noch einmal zu öffnen. Ich möchte nicht, dass Sadie die letzte Person ist, die ich in meinem Leben angesehen habe. 

Stattdessen halte ich den Blick von meiner Tochter fest, die bitterlich in den Armen von Claire weint. Diese streicht mechanisch mit ihrer zitternden Hand über Livs Rücken und kann mich nicht aus den Augen lassen. 

Luke ist leichenblass, er krallt sich mit den Fingern in den Stoff seiner Hose. Dieser eiskalte, distanzierte Ausdruck aus seinem Gesicht ist verschwunden.

Scheinbar trifft es ihn härter, mich wirklich sterben zu sehen, als es sich vorher nur vorzustellen. Er kann es noch ändern. Vielleicht kann er es noch aufhalten. Er muss einfach nur aufspringen und die Wahrheit sagen.

Aber er tut es nicht. 

Stocksteif bleibt er sitzen, während mir langsam die Augen zufallen. Kurz bevor alles verschwimmt, sehe ich, wie er beschämt den Blick senkt. 

Dunkelheit umgibt mich und da ist sie wieder. Die Stimme meines Sohnes, die mich aus weiter Ferne zu rufen scheint. 

Verzweifelt versuche ich ein letztes Mal, mich gegen den Tod aufzubäumen, aber ich schaffe es nicht. Mein Körper ist zu geschwächt, mein Herz hört auf zu schlagen. 

Das Rauschen in meinen Ohren ebbt ab, ich spüre die Fesseln nicht mehr, welche in meine Haut schneiden. Auch die unbequeme Liege ist verschwunden. 

Ich fühle mich frei, ich nähere mich der zaghaften Stimme meines Sohnes und fühle mich gut dabei. 

Es ist ein angenehmes Gefühl, endgültig mit dem Kämpfen aufzuhören. Denn ich kann sowieso nichts ändern.

Mir bleibt nur, meine Lage zu akzeptieren. Denn jeder weitere Kampf wäre umsonst. 

Ich weiß, wem ich meinen Tod zu verdanken habe, das ist mehr als beim letzten Mal. Mehr kann ich nicht erwarten, mehr wollte ich nie. 

Mein Ziel war es, den wahren Mörder zu finden. Ich habe ihn gefunden.

Nun ist meine Reise vorbei. 

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