22. Seite an Seite

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Wie erwartet war es mucks Mäuschen still. Gellert neben mir schien mehr als entspannt. Ich wusste nur das dem nicht so war, weil ich ihn bereits ewig kannte. Naja, eher länger und besser kannte als sonst jemand. Er schien immer gelassen, egal in welcher Situation. Eine Eigenschaft, welche ich schon immer an ihm bewunderte. Innerlich wusste ich jedoch, dass er aufmerksam war und auf jedes noch so kleinste Detail achtete. Wir wussten nicht was für Männer sich hier trafen, wie viele es waren und was genau der Anlass für das Treffen war, weswegen man immer auf der Hut sein musste. Egal wie mächtig oder talentiert ein Zauberer auch war, Nachlässigkeit hat schon viele den Kopf gekostet. Gellert wusste das und ich ebenfalls.  Die Stille konnte verschiedene Dinge bedeuten. Entweder der Treff hatte sich verändert, oder es wurden spezielle Vorsichtsmaßnahmen getroffen, was gegen das Prinzip von Gellert sprach, da so auch Muggel nichts von dem Geschehen ahnten. Neben mir blieb Gellert plötzlich stehen. Ich tat es ihm gleich und verstand den Grund für sein Zögern. Vor uns, in einer Nische brannte Licht und Stimmen waren zu hören. Das Licht wurde jedoch von etlichen Kisten, welche um die Männer herum gestapelt waren etwas gedämmt. Das mussten die Schmuggler sein. Jedoch verstand ich kein Wort. Das lag nicht an der Entfernung, so groß war diese nicht mal, sondern an der Sprache. Es war eine derbe Sprache. Ich wusste plötzlich genau um welche es sich handelte. Ich hörte es schon ein Mal, Jahre zuvor, als Gellert lautstark mit seiner Tante stritt. Nachdem er wütend auf sein Zimmer zu stapfte, erklärte sie mir, dass er mit ihr auf Deutsch redete, wenn niemand sonst etwas verstehen sollte. Natürlich sprach er auch Französisch, Spanisch und Bulgarisch, sowie Russisch, aber Deutsch war nun mal seine Muttersprache. "Sie lachen. Wahrscheinlich sind einige von denen hackedicht. Sowas abartiges. Durch Abschaum wie die kommen Deutsche und Zauberer im allgemeinen in Verruf", grummelte er. Dabei spannte sich sein Kiefer an , etwas das immer dann passierte, wenn er sauer war und innerlich brodelte. In solchen Momenten sollte man ihn besser nicht noch mehr reizen. "Denkst du denn die haben den Handel bereits abgeschlossen?" Überlegend betrachtete Gellert die Gestalten vor uns. "Nein. Sie sind noch dabei. Vor einem Handel wird sich immer erst über Gott und die Welt unterhalten." Schweigend nickte ich. Wollte ich wissen woher er sich so gut damit auskannte? "Draußen sind fünf Männer, demnach nehme ich an sind drinnen mindestens zehn und maximal 20" , sagte er, als wäre es das normalste der Welt.  Manchmal machte er mir wirklich Sorgen. "Was schlägst du vor? Observieren, oder verhaften und sicherstellen?", fragte ich, als ich meinen Blick von den Männern vor mir abwand. Gellert jedoch taxierte diese weiterhin mit seinem Blick. "Observieren, sicherstellen und eliminieren", kam seine Antwort mit einer Kälte, die mir einen Schauer über den Rücken jagte. Gellert war eiskalt und berechnend, schon damals. Jedoch habe ich nie gesehen wie er diese Eigenschaften anderen gegenüber zum Ausdruck brachte. Nur ein Mal, ein einziges Mal und sein Gesicht dabei machte mir Angst. Würde er wieder allerlei Emotionen und menschliche Gefühle abstellen, sobald er zur Tat schritt? Hatte er diese Art und Weise genutzt um die Auroren zu töten und Graves zu besiegen? Ich wollte es nicht wissen. Just in diesem Moment realisierte ich: Es gab viele Dinge über Gellert die ich nicht wissen wollte, die ich verharmloste oder sogar ganz übersah, nur damit mein Gewissen diesen Mann zu lieben rein blieb. Es war abartig. Ich war nicht besser als der Abschaum von welchem Gellert sprach. Und trotzdem gehört mein Herz ihm. Dem Monster, welches alle Welt fürchtete und am liebsten tot zu dessen Füßen liegen haben wollte, mit seinem Kopf als Trophäe. Ich liebte ihn. Wir waren beide Monster, Monster welche nie auf dieser Erde hätten wandeln sollen, aber wir taten es. 

Langsam schlichen wir uns näher an die Personengruppe heran. So leise wie möglich traten unsere Füße auf den Boden, um ja kein Geräusch zu machen. 

Dann ging plötzlich alles ganz schnell. Gellert, welcher noch immer das Aussehen von Graves trug, griff einen der fünf Männer, welche draußen standen um den Handel zu vereinbaren an und betäubte ihn. Dessen Landung war nicht gerade sanft. Die anderen Männer wurden daraufhin aufmerksam und begannen Zauber jeder Sorte auf uns zu schießen. Zugegeben, die Zauber waren nicht präzise. Im Augenwinkel sah ich, wie ein schwarzer Schatten an mir vorbei huschte und drei der vier verbliebenen Männer zu Boden vielen. Natürlich, Gellert diente einige Jahre als Soldat im ersten Weltkrieg. Dies zeigte sich in einem solchen Fall mehr als deutlich. Er wusste worauf es ankam, wie er sich zu bewegen hatte und worauf er bei den Gegnern achten musste. Es war beeindruckend und furchterregend zu gleich. Seine eiskalte Präzision, eine Präzision gemacht um bedingungslos zu töten. Soldaten fielen oft in alte Muster zurück, wenn sie in eine Kampfsituation gerieten. Dort zeigten sie, was der Krieg und das Militär aus ihnen gemacht hatte. Eine Maschine die auf Befehl tötete. 

Nachdem auch der letzte der fünf am Boden lag, kamen die restlichen Männer aus der Bootshalle nach draußen gerannt. Jeder von ihnen hatte den Ausdruck im Gesicht, für ihre Sache zu sterben wenn nötig. Schmerzlicher Weise hatte auch ich einst diese absolut lächerliche Vorstellung. Niemand wollte gern sterben, egal wie nobel das Ziel auch sein mag.  Geschickt wirbelte ich meinen Zauberstab durch die Luft, Gellert neben mir tat das selbe. Leider beachtete ich die von mir eigens erstelle Regel der Aufmerksamkeit nicht und bemerkte daher nicht, das einer der ersten fünf Männer zu sich gekommen war und einen Fluch in meinen Rücken schoss. Der Schrei blieb mir im Hals stecken. Aus Schmerz wurde Übelkeit und mein Mund schmeckte metallisch. Hustend versuchte ich Luft zu bekommen. Das einzige was jedoch aus meinem Mund kam war ein Schwall von Blut. Zeitgleich gaben mir die Beine nach und mir wurde das Licht ausgeknipst. Alles was ich noch hörte war, wie jemand meinen Namen rief. Dann war alles still. 

When History Is Rewritten.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt