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Die Tage in Nurmengard vergingen wie im Flug. Meine meiste Zeit verbrachte ich in der Bibliothek des Schlosses. Es gab hier viele Bücher, welche ich noch nie zuvor gelesen hatte. Ein wahres Paradies für jemanden wie mich. Die Ruhe, welche mich umgab war genauso faszinierend und angenehm wie die Bücher welche hier zu finden waren. Es kam oft vor, dass ich beinahe vergaß ein Gefangener zu sein, jedoch nur fast.
Gedankenverloren versuchte ich meine Konzentration zurück auf das Buch in meinen Händen zu lenken. Es handelt von den ersten Ursprüngen der Magie aus dem alten China. Ihre Magie beruhte auf dem Glauben an höhere Wesen, wie Götter und Dämonen, was es nicht weniger eindrucksvoll machte. Es gab Clans, welche alle eine andere Art der „Kultivierung" verwendeten. Ähnlich wie bei uns gab es je nach Clan andere Regeln, Bräuche, Zauber und Kampfkünste. Mir war nie bewusst wie tiefgründig die Geschichte der Magie ist und wie sehr sich diese im Laufe der Jahre verändert hat. Wer weiß, vielleicht verschwindet sie in weiteren hundert oder tausend Jahren komplett von der Welt? Seufzend schloss ich das Buch vor mir. Gellert müsste inzwischen auch wieder zurück sein. Seit einiger Zeit ist er oft außer Haus oder stundenlang mit Treffen beschäftigt. Ein weiterer Grund weswegen ich über die Bibliothek so erfreut bin. Ab und an begebe ich mich auch in den Schlossgarten. Er ist faszinierend schön und erinnert mich oft an Orte von Hogwarts.
Müde erhob ich mich von dem Lesestuhl. Dann wollen wir mal. Gähnend verließ ich die Bibliothek und machte mich auf die Suche nach dem Hausherrn. Er bestand darauf mich ein Mal am Tag zu sehen. Vermutlich um auf Nummer sicher zu gehen. Wie er es bereits vorhergesagt hatte, gab es keinerlei Chancen hier unbemerkt zu verduften. An Tagen an denen Gellert nicht da ist, wurden die Zauber und die Wachen sogar noch verstärkt. Natürlich nur ganz unauffällig. Manchmal fragte ich mich, ob er mich wirklich für so blöd hielt, oder ob er es einfach lustig fand so zu tun als ob. In seinen Kopf würde ich wirklich gern einen Blick werfen können. Da wären einige Fragen geklärt. Wahrscheinlich gäbe es dafür wieder haufenweise neue.
Nach weiteren 10 Minuten hatte ich den Aufenthaltsraum von Gellert endlich erreicht. Bereits vom Weiten waren Stimmen zu hören. Die Lage klang nicht so rosig. „Verflucht dann sorgen Sie dafür das die Wachen nicht mehr so nah an die Zelle gehen. Ich sagte das er nicht ohne ist!" Das war unverkennbar Gellert's zartes Stimmchen und er klang ziemlich sauer. Ich konnte mir das Unbehagen des anderen mehr als gut vorstellen. Für einen kurzen Moment herrschte Ruhe. Dann schoss die Tür auf und ein Mann rauschte an mir vorbei. Ich konnte nicht viel erkennen, jedoch sah ich das er sehr dünn war und nicht besonders stattlich. Ein Laufbursche wenn ich raten würde.
Behutsam schon ich meinen Kopf durch die Tür. Wenn Gellert wütend war, wusste man nie ob er einen verschont oder nicht. Schnell scannte ich den Raum. Die Stühle waren alle noch ganz, auch die Gemälde und Gläser schienen unbeschädigt. Gellert stand mit dem Rücken zu mir gedreht vor dem Kamin. Seine Rückseite ließ mich scharf die Luft einsaugen. Er hatte wundervolle Breite Schultern und sein Kreuz konnte sich auch zeigen lassen. Tja, wäre er nicht mein Entführer, könnte daraus wohl eine weitere Sommerromanze werden. C'est la vie.
Räuspernd kündigte ich meine Anwesenheit an. Der Mann in meinem Sichtfeld spannte sich sofort an und drehte sich flink zu mir um. Seine Augen sprühten nur so vor Kälte und.. Schmerz ? Ein unangenehmes Gefühl machte sich in mir breit. Als seine Augen mich erkannten, schien ein wärmeres Licht in ihnen und er entspannte sich etwas. „Tut mir leid, störe ich?" Langsam schob ich die Tür etwas mehr auf, sodass ich komplett in der Tür stand. „Nein, natürlich nicht. Komm rein." Gellert rieb sich gestresst die Nasenwurzel, bevor er sich auf einem der Sessel niederließ. So leise wie möglich betrat ich den Saal und schloss die Tür mit einem leisen Klicken hinter mir. Etwas fehl am Platz stand ich hinter Gellert's Sessel. „Setz dich, Albus." Zwei Gläser flogen auf den Tisch zu, gefolgt von einer Weinflasche. Zögerlich nahm ich auf dem Sessel zu seiner Linken platz. Die Gläser vor mir füllten sich automatisch mit Wein. „Was kann ich für dich tun?" Zwei ungleiche Augen richteten ihre Aufmerksamkeit auf mich. „Ich wollte einfach nach dir sehen. Du warst lange weg und der Streit von eben war auch nicht zu überhören." Bei meinen letzten Worten veränderte sich Gellert's Ausdruck für einen kurzen Moment. Es war beinahe kaum zu bemerken, aber ich kannte ihn gut genug. „Mach dir darüber keine Sorgen. Es war nur ein kleines Missgeschick, nichts weiter. Ich habe gehört du verbringst viel Zeit in der Bibliothek?" So konnte man das Gesprächsthema natürlich auch schnell wechseln. „Mh, die Bücher sind wirklich gut. Viele habe ich noch nicht gelesen und ich habe ja auch sonst nicht besonders viel zu tun. Wo warst du heute?" Der Mann zu meiner Rechten nahm einen großzügigen Schluck von seinem Wein. „Frankreich. Hab einige Leute treffen müssen um bestimmte Dinge zu klären. Was für Bücher liest du so?" Aha, wir spielten also Frage und Gegenfrage. Wie er will. „Über die alten Anfänge der Magie in China. Woher hast du diese Bücher?" Nun war es an mir einen kleinen Schluck zu trinken. „Meine Eltern hatten sie in einigen ihrer Residenzen. Dort wären sie eh verstaubt, also dachte ich mir: Warum nicht? Willst du sie haben?" „Was? Nein.. aber danke." Von seinen Eltern? Hat er sie nach unserem Abbruch besucht ? Er hasste se8ne Eltern... „Mh, kannst sie ruhig haben. Ich habe alle Bücher schon mindestens drei Mal gelesen."  Als ob das ein Grund wäre die Bücher einfach zu verschenken!
„Gellert, bedrückt dich etwas?" Völlig überrascht drehte er sich zu mir um. Für einen kurzen Moment schien seine Maske zu brechen, bevor er sie regenerierte. „Aber nein, wie kommst du denn darauf?" Ein falsches Lächeln umspielte seine Lippen. Leute die ihn nicht so gut kannten, hätten es ihm wohl abgekauft. Das dieser Mann nie sagen konnte was ihn bedrückte ! „Du bist nett. Du wirfst mit Sachen um dich die du unter normalen Umständen nie hergeben würdest. Davon abgesehen hast du deine Eltern erwähnt. Du springst sonst an die Decke wenn man nur daran denkt etwas in der Richtung zu erwähnen." Ertappt richtete er seinen Blick auf den Kamin vor sich. „Soll ich jetzt beleidigt sein?" „Mh? Warum.." „Du hast gesagt ich bin nett. Dabei bin ich immer nett und zuvorkommend." Ohne es zu wollen entkam mir ein herzhaftes Lachen. Gellert verzog daraufhin den Mund nur noch mehr. „Tut mir leid, aber war das ernst gemeint?" Mühsam versuchte ich meinen Atem zu regulieren. „Soll ich da jetzt drauf antworten ?" Ups, er war gekränkt. Dabei war es doch nur die Wahrheit. „Tut mir leid?" „Mh... Die Kernaussage habe ich jedenfalls verstanden. Du wolltest wissen woher ich die Bücher habe, also hab ich dir wahrheitsgemäß geantwortet." Frustriert ließ ich ein Seufzen aus. „Du bist anstrengend." „I beg your Pardon?" „Du lügst. Ich sehe es. Meinetwegen kannst du deine Lakaien verarschen, aber ich bin etwas heller als die meisten von denen, auch wenn du das in letzter Zeit zu vergessen scheinst!" Von meinem Tonfall sichtlich überrascht, blickte er wieder zu mir.
Wir saßen eine ganze Weile so da ohne etwas zu sagen. In den ungleichen Augen war ein Kampf zu erkennen. Merlin, ich würde ihn schon nicht fressen nur weil er Emotionen zeigt. Ich bin schließlich kein Dämon!

„Hältst du mich für ein Monster?"

When History Is Rewritten.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt