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Zwei Wochen sind seit unserer Rückkehr und dem Vorfall vergangen. Dank Gellerts Heiler ging es mir schon viel besser. Ich konnte sprechen, laufen und mich normal betätigen. Zwar kam ich vergleichsweise schnell an meine Grenzen, aber das gibt sich wieder. Gellert benahm sich seitdem komisch. Er ging mir aus dem Weg, saß in seinem Arbeitszimmer oder ging Aufträge erledigen. Fleißig war er schon immer, nur die letzten Tage übertrieb er das Spiel maßlos.
Auch ich fühlte mich anders. Die letzten Tage hatte ich bis auf die regelmäßigen Besuche des Heilers meine Ruhe und damit genug Zeit nachzudenken. Der MACUSA hatte ein gutes Wort für mich eingelegt, weswegen ich wieder arbeiten gehen dürfte.

Durch den ganzen Trubel der letzten Monate hatte ich vergessen, was mir Freude bereitete. Ich vermisste Hogwarts, meine Kollegen, die Schüler. Zu Unterrichten war meine größte Freude. So konnte ich jungen Hexen und Zauberern helfen und ihnen den richtigen Weg zeigen, sodass keiner den selben Fehler begann wie Gellert oder ich. Alleine der Gedanke an mein zu Hause löste ein Brennen in meinem Herzen aus. Ich hatte Heimweh. Nurmengard war wunderschön und mir fehlte es an nichts, aber es war nicht dasselbe. So wirklich geborgen fühlte man sich eben einfach nur dort, wo man zuhause war. Seufzend ließ ich meinen Blick über die Weiten um Nurmengard gleiten. Die Aktion von Gellerts Vater hatte mich zurück auf den Boden geholt und mir die Augen geöffnet. Diese Welt war verkorkst, ja. Genau aus diesem Grund musste sich etwas ändern, aber nicht durch noch mehr Blutvergießen. Ich weiß das ich Gellert sagte, ich bleibe bei ihm, aber ich wollte auch etwas zu einer besseren Welt beitragen. Auf meine Weise. In Hogwarts.

Würde Gellert mich überhaupt gehen lassen? Wahrscheinlich würde ihm das wieder wie ein Verrat aussehen... „Was seufzt du so wehleidig? Tut dir etwas weh?" Wenn man vom Teufel sprach. An der Tür gelehnt stand Gellert, seine Arme vor der Brust verschränkt und mich genau musternd. „Nein, nein, keine Sorge. Dein Heiler ist wirklich gut." Zu beruhigen schien ihn das nicht. Seine Augen bohrten sich förmlich durch meinen Kopf. „Albus, ich muss mit dir reden. Ich habe lange nachgedacht..." Tatsächlich wollte ich genauso beginnen. Erschöpft setzte ich mich auf das weiche Bett. „Okay, ich höre?" Freundschaftlich klopfte ich auf die freie Stelle neben mir, doch Gellert schien es zu bevorzugen zu stehen. So ernst war es also? Bauchschmerzen machten sich in mir breit. Bis jetzt hat er sich noch nie so verhalten. „Es geht um dich. Um uns."

Mein Herz blieb kurz stehen. „Albus mir ist etwas klar geworden. Ich liebe dich, ich hoffe das weißt du? Nach der letzten Sache jedoch... Ich habe dich zu oft in schwierige Situationen gebracht, zu oft habe ich dich verletzt. Als du dort am Boden gelegen hast wurde mir klar, dass es so nicht weiter gehen kann. Du fühlst dich hier nicht wohl, du kannst dich mit meinen Methoden nicht identifizieren, das wirst du nie. Alles was dich hier hält ist der Gedanke mich vor noch mehr Unheil zu bewahren. Diesen Gedanken schätze ich zwar sehr, aber es ist meine Entscheidung." Ertappt. Scheinbar hatte er von vornherein gemerkt, weswegen ich hier blieb. Die Richtung in welche das Gespräch ging gefiel mir nicht. „Liebling, ich habe erkannt, dass ich dich gehen lassen muss wenn ich dich wirklich liebe. Ich werde dich nicht mehr hier festhalten oder unter Druck setzen. Wenn du gehen willst, dann lasse ich dich gehen."

Schweigen. Alles was ich hörte war mein Herzschlag. Er ließ mich gehen. Diese Wendung der Entwicklung sickerte langsam in meinen Verstand. „Ich schätze also wir haben beide über dasselbe nachgedacht." Ihm die Wahrheit zu verschleiern war sinnlos. Dafür kannte er mich zu gut und ich ihn. „Die Welt muss verändert werden. Dieser Meinung bin ich nach wie vor und daran wird sich nie etwas ändern. Jedoch will ich es auf meine Weise erreichen. Ich vermisse meine Schüler, Gellert, ich vermisse meine Zeit in Hogwarts. Nurmengard ist toll, aber..." „Es ist nicht dasselbe, ich weiß. Du hast diese Schule schon immer geliebt." Ein kurzes Lächeln huschte über meine Lippen. „Richtig. Ich halte es nicht länger ohne diese Schule und die Leute dort aus. Das heißt jedoch nicht, dass ich mich öffentlich gegen dich stelle."

Mein Herz schmerzte, Gellerts wahrscheinlich auch, denn sein Gesichtsausdruck war alles andere als begeistert. In diesem Moment zeigte er aufrichte Gefühle. „Ich weiß. Das habe ich auch nicht geglaubt. Scheinbar trennen sich unsere Wege wieder." Richtig, diese Entscheidung war ein auf Wiedersehen. Behutsam nahm ich seine Hand und drückte einen sanften Kuss auf seine Handfläche. Merlin, einen Menschen so sehr zu lieben war ein Geschenk und ein Fluch zugleich, besonders wenn man nicht bei dieser Person sein konnte. Gellert ließ mich gehen und ich musste ihn gehen lassen. Nur auf diese Weise hatten wir eine Chance unsere Liebe aufrecht zu erhalten. Eine Zukunft zu haben, auch wenn wir in dieser nicht beieinander sein konnten. „Ich liebe dich Gellert. Ich werde dich immer lieben." Damit ließ ich seine Hand los.

Nicht mal eine Stunde später hatte ich meinen kleinen Koffer gepackt. Ein letztes Mal sah ich mich in dem Zimmer um, welches mir all die Zeit zur Verfügung stand. Jetzt zu gehen fühlte sich merkwürdig an. Nach allem was passiert war, nach allem was Gellert und ich zusammen erlebt und getan haben. Dieses Zimmer, in diesem Schloss, würde immer ein Teil meines Herzens sein. Nervös drückte ich diese besondere Halskette an mich. Kaum zu glauben das ich einst nichts sehnlicher wollte, als sie zu zerstören. Jetzt war sie alles was mir zeigte, dass es Gellert gut ging und er lebte. Die Kette war meine Gewissheit, der Teil, der mich immer mit ihm verband. Im Herzen und im Handeln.
Seufzend sammelte ich all meinen Mut zusammen und ging ein letztes Mal die eleganten Treppen des Schlosses nach unten, bevor ich in der Eingangshalle stand. Von Gellert war nichts zu sehen. Das war wahrscheinlich auch gut so, sonst hätte ich es mir doch noch anders überlegt.

Nur eine kleine Elfe, welche mir täglich meine Medizin oder Essen brachte, stand vor mir. Sie hielt einen Anhänger in der Hand, einen Portkey.
Schweren Herzens verabschiedete ich mich von ihr und blickte noch ein Mal die Treppe hinauf. Noch immer war nichts und niemand zu sehen oder zu hören. Nurmengard war ein wundervolles Schloss und ein toller Ort zu leben. Nurmengard war der Ort, an dem ich mit der Liebe meines Lebens sein konnte. Hogwarts jedoch war mein Zuhause. Bliebe ich hier, würde ich Hogwarts und meinen Traum verlieren, würde ich gehen wäre ich zwar bei allem was ich wollte, nur könnte ich nicht bei dem Mann sein den ich liebe. Alles kam mit einem Preis.

Kurz darauf spürte ich bereits das unangenehme Quetschen und Ziehen und alles um mich herum wurde für einen kurzen Moment schwarz.

When History Is Rewritten.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt