38. Ich liebe dich, Maja

11 1 0
                                    

SEBASTIAN

Natürlich war ich eifersüchtig auf Ben. Er konnte Maja direkt ins Gesicht schauen, während wir reglos verharrten. Ihre schönen Augen betrachten. Ihre natürlichen Rötungen sehen. Ihre rotblonden Haare zu bewundern. Ihre Sommersprossen auf den Wangen fixieren, falls man diese im Dunkeln überhaupt sah. Was gäbe ich nicht dafür, jetzt in Bens Körper zu schleichen.

Ich linste zu der Frau, die sich wieder der Umgebung widmete. Sie griff nach ein paar Blättern aus einem Regal und beschäftigte sich damit.

"Genau jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, das Tagebuch rauszuholen", wisperte ich.

Vorsichtig, um möglichst wenige Geräusche zu verursachen, nahm Maja den Rucksack von ihren Schultern. Ich machte die Augen zu, das sah nicht gut aus.

Dann legte sie den Rucksack zwischen sich und Ben und kramte das Buch heraus. Wie gerne ich in diesem Buch lesen würde. Ihre Augen flogen über die Seiten. „Ich glaube, die Frau könnte Annastasia sein. Die Beschreibung passt zumindest. Dunkle Hautfarbe, braune Haare, sieht stark und mutig aus. Für Jacko war sie eine Heldin. Er fand sie wunderhübsch, schreibt er. Außerdem benahm sie sich wie eine tolle Anführerin und hatte alles, so gut es ging, unter Kontrolle."

„Okay, jetzt wissen wir, wer das ist. Sie könnte gefährlich sein. Wir dürfen also nicht den Fehler machen, sie zu unterschätzen." Ich nickte, ein Zeichen, dass ich Ben zustimmte. „Wir sollten nach dem Fenster schauen. Vielleicht können wir ja wirklich fliehen."

„Ja, warte. Das müsste dann weiter hinten stehen."

Bevor Maja auch nur eine Seite umgeblättert hatte, hörte ich es. Ben kam mir zuvor, Maja zu warnen. „Da kommt jemand. Da waren gerade Stimmen." „Wow, ich hätte echt gedacht, Jacko und ich wären allein im Haus", gab ich zu.

„Nein, Angelina, meine beste Freundin, und ihr Freund Alex sind auch hier", gab Maja zur Antwort, während sie das Buch langsam einpackte und den Rucksack schulterte.

Die Spannung war deutlich spürbar. Wir konnten nicht in die Richtung der Falltür sehen. Ich presste mein Gesicht auf den Balken, umklammerte das Holz und hoffte, dass ich mir keinen Splitter einfing, so wie es Ben ergangen war. Allerdings war ein Splitter ja gar nicht so schlimm, wenn man bedachte, dass man jeden Moment sterben könnte. 

Ich vernahm ein komisches Geräusch. Es hörte sich an, als würde ein großer Vogel, Jacko hatte mir von diesen fliegenden Wesen erzählt, mit einem Flügelschlag die Luft zerteilen.

Dann, ich konnte nicht verhindern, dass ich doch nach unten spähte, krachte ein riesiges Ding durch die Decke. Ich erschreckte mich so sehr, dass ich nach unten gefallen wäre, wenn ich mich nicht festgehalten hätte. Mein Schrei ging zum Glück in dem Lärm unter, den das Ding, welches ich jetzt als Tier identifizierte, verursachte. Nachdem auch ein zweites Tier auf dem Dachboden auftauchte, regenerierte sich der Boden wie von Zauberhand. Alles sah aus wie vorher. Nachdem, was ich heute erlebt hatte, sollte mich das nicht mehr wundern.

Erst jetzt registrierte ich die Menschen, die auf den Rücken dieser prächtigen Tiere saßen. Rasch duckte ich mich. Staub kroch in meine Nase, mit aller Kraft unterdrückte ich ein Niesen.
Ich hörte verschiedene Stimmen miteinander sprechen. Ein Junge, vermutlich dieser Alex, ein Mädchen, wahrscheinlich Angelina, eine Frau namens Annastasia und Jacko, mein Vater. Bei der Bemerkung, die er über mich machte, überwältigte mich eine tiefe Trauer. Er würde mich ohne Bedenken hierlassen. So unwichtig war ich ihm also.

Ich hatte noch nie das perfekte Verhältnis zu ihm gehabt, allerdings auch nicht das schlechteste. Bedeutete ich überhaupt jemanden etwas?

Die Trauer verwandelte sich in Wut, als ich begriff, dass Annastasia meine Mutter war und dass Jacko sich ab und zu aus dem Haus schlich. Er hatte kein Vertrauen zu mir. Anderseits, hatte ich genug Vertrauen zu ihm, wenn ich ihm nicht davon erzählte, dass ich das Haus erkundete? Aber dies hat er sowieso herausgefunden.

Das alte HausWhere stories live. Discover now