21. Unerwartete Küsse

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ANGI

Sobald ich den kleinen Vorsprung vor der Tür erreichte, ließ ich das Seil los und machte die Tür auf.
Ich erblickte nur Dunkelheit, also kramte ich mach einer Taschenlampe. Als ich diese endlich gefunden hatte, beleuchtete ich den Innenraum und erkannte einen schmalen Tunnel.
Ich krabbelte hinein, wenn ich mich zu sehr aufrichtete, würde ich gegen die Decke stoßen. Kurz darauf weitete sich die Höhle und ich konnte ganz normal aufstehen.

Ben kam als Zweiter durch die Tür.
"Weißt du, wo wir lang müssen?", fragte er.
"Hier gibt es einen Tunnel." Mit einer Bewegung meinerseits schwankte der Lichtkegel hin und her.
"Na dann, lass uns gehen." Ben drängte sich an mir vorbei, bereit ins nächste Abenteuer zu stürzen.
"Warte Ben!", rief ich, bevor er aus meinen Sichtfeld verschwinden konnte. "Erstens, du hast keine Taschenlampe hier. Zweitens, sollten wir nicht auf die anderen warten?"
Ben seufzte hörbar, besann sich dann aber.
"Okay."
Kurze Zeit später verdeckte eine Gestalt den Eingang durch die offene Tür, durch die vorher Licht nach innen gedrungen war.
"Ah, da seid ihr, Bros", hörten wir Alex sagen.

Er schritt auf mich zu und ehe ich es mir versah, hatten seine Lippen meine gefunden.
Ich erwiderte seinen Kuss und genoss ihn in vollen Zügen.
Ich hatte das Gefühl, wir hätten uns ewig nicht geküsst.
Diese Gefühle, sie waren so berauschend, so schön. Ich könnte meinen Freund den ganzen Tag küssen.
Leider hatte ich bis gerade eben noch andere Dinge im Kopf, zum Beispiel wie wir lebend aus diesem Haus gelangen könnten.
Ich schlang meine Arme um ihn. Meine rechte Hand fand den Weg zu seinem kurzen Haar und ich strich darüber. Manchmal wünschte ich, er ließe sich sein Haar länger wachsen, damit ich es ihm durcheinanderwirbeln konnte, doch das würde seine jetzige Perfektheit zerstören.
Kurze Haare passten zu ihm und deshalb gefielen sie mir auch.

Als wir uns lösten, murmelte ich: "Ich wusste nicht, dass du mir den ganzen Abend gefehlt hast. Ich liebe dich."
"Ich liebe dich auch, mein Angischatzipatzi."
Ich grinste bei dem lustigen Spitznamen.
"Komm, lass uns weitergehen. Ich glaube, die anderen sind schon vorgegangen."
Ich nahm seine Hand und wollte ihn vorwärtsbringen, doch mit seiner Kraft zog Alex mich zu ihm zurück und gab mir noch einen kurzen Kuss auf die Lippen. Dann drückte er meine Hand und wir liefen nebeneinander los. Der Raum schloss sich an eine Höhle an, die wir betraten. Alex nahm die Taschenlampe aus meiner anderen Hand.

Ben und Maja konnten wir nicht ausmachen, also nahmen wir an, dass sie allein vorgegangen waren.
Unsere Schritte hallten in der Höhle wieder.
Die Wände neben, über und unter uns bestanden aus kaltem Stein. Als ich darüberfuhr, ertastete ich kleine Einkerbungen und Hügel.

"Aua!", schrie Alex und hielt sich den Kopf fest.
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und küsste die Stelle, an der Alex sich den Kopf an der Decke gestoßen hatte.
"Tut es sehr weh?"
"Geht so." Alex spielte Verletzungen oft herunter. Er meinte, Verletzungen zuzugeben, bedeutete, Schwäche zu zeigen.
Ich jedoch empfand es als Stärke, wenn man zu Verletzungen stand und sie nicht herunterspielte.

"Okay, wie sehr tut es wirklich weh? Bitte, sei ehrlich."
Er senkte leicht den Kopf und murmelte dann etwas. Nur mit Mühe verstand ich die gesprochenen Worte.
"Es tut relativ doll weh. Ich meine, ich hab mir den Kopf volle Kanne gestoßen. Aber wenn du da bist und mich ablenkst, sind die Schmerzen auszuhalten. Aber verdammt, es tut schon weh."
Für den vorletzten Satz erhielt er einen kurzen Kuss auf die Lippen.
"Du bist so süß!"
"Ich bin nicht süß. Ich bin ein starker Mann, der keine Schwächen zeigt."
Ich verdrehte die Augen und entschied, dass wir uns seinen Kopf im nächsten Raum anschauen konnten. Hier fühlte ich mich ein wenig beengt und das Licht reichte nicht aus.

"Komm, lass uns weitergehen. Wir hängen schon mächtig hinterher."
"Gut. Aber wir müssen uns bücken. Die Decke ist hier tiefer und geht immer steiler hinab."
Mit der Taschenlampe, die er mir vorhin aus der Hand genommen hatte, umkreiste er den weiteren Weg, um mir die Neigung der Decke zu demonstrieren.

Wir bückten uns und setzten Schritt für Schritt vorwärts. Als die Decke Alex' Rücken berührte, gingen wir auf alle Viere und krabbelten so weiter.
Durch meine dünne Hose spürte ich den unebenen Boden unter mir und Wasser, welches von der Decke tropfte, bildete kleine Rinnsalen.

Wenig später erreichten wir eine Stelle, in der meiner Hand durch die Luft dem Boden suchte, aber nichts fand.
Ich verlor mein Gleichgewicht und fiel nach vorne. Alex wollte meinen Fallprozess aufhalten, doch ich zog ihn mit mir.
Die Taschenlampe, mit der Alex zuvor unseren Weg beleuchtet hatte, löste sich aus seiner Hand und rollte nach unten.

Jetzt erkannte ich, dass der Weg sich so stark auf einmal geneigt hatte, dass ich ihn mit meiner tastenden Hand nicht gefunden hatte.
Das Wasser von der Decke floss die Neigung entlang und auch ich sowie Alex mussten uns unserem Schicksal fügen und rutschten im Wasser die Höhle hinab.
Blaue Flecken waren vorprogrammiert.

Ich schrie und suchte nach Alex' Körper, doch ohne die Taschenlampe sah ich nichts.
Ich hätte versucht, aufzustehen, aber die Rutsche beschleunigte meinen Körper zu stark, so dass ich an den Wänden vorbeiblitzte.
Plötzlich hörte ich Alex schreien. Direkt vor mir.
Mit meinen Händen versuchte ich, mich weiteranzutreiben, sodass ich einige Momente später neben Alex herrutschte.
Er bemerkte meine Anwesenheit und erspürte in der Dunkelheit meine Hand. Gemeinsam rutschten wir diese Rutsche hinab.
Alex' Hand gab mir ein Gefühl der Sicherheit.

Ich schloss meine Augen und stellte mir vor, wir wären in einem Schwimmbad auf einer dieser Höhlenrutschen.
Meistens leuchteten diese noch von innen.
Ich konnte schreien, ohne dass es die Leute störte, denn sie kreischten auch.
Ich stellte mir die Geräusche vor, überall hörte man rauschendes Wasser und Geplapper der Menschen.
Wenn es nur nicht so kalt wäre.

Als wir das Ende der Rutsche erreichten, fielen wir in ein Wasserbecken und tauchten unter.

Das alte HausWhere stories live. Discover now