Kapitel 18 - Meine erste Nahtoderfahrung :D

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,,Knochen werden brechen, Hälse umgedreht! Es wird alles zertrümmert, zerschlagen und gequält", trällerte der Großork schief, während sein Gefolge Peitschen und andere Foltergeräte über die Brücken her schleppten, die ich wirklich nicht beschreiben möchte.
Wie wilde Tiere, die es zu unterdrücken galt, wurden wir ununterbrochen zu Boden geworfen, geschubst, geschlagen und ausgepeitscht.
Hierfür hatte mich mein Fechttraining wohl kaum vorbereitet, und ich hatte es längst aufgegeben, mich zu wehren.
Zwischen schweren Zwergenstiefeln und spitzen Klauen lag ich neben dem Haufen unserer Sachen und krümmte mich vor Schmerz, sodass ich nach keiner Waffe greifen konnte. Den Mantel hatten sie mir weggenommen, und das Korsett achtlos von meinem Körper gerissen. Nur das dünne Hemd war noch zwischen Haut und eiserner Peitsche, aber bald zerrissen die brennenden Hiebe auch das. 
Ich spürte, wie warmes Blut über meinen Rücken rann und die weißen Leinen rot färbte. Ich dachte, mein Körper müsste bald taub werden, und ich würde keinen Schmerz mehr spüren, aber jeder Peitschenhieb grub sich nur noch tiefer in mein Fleisch, und ich hätte genauso gut in einem Bett aus Lava liegen können.
Ich winselte unter unerträglichen Schmerzen und schrie um Hilfe, aber keiner konnte mich jetzt noch retten. Schließlich verfiel ich in ein Delirium, schloss meine Augen und spannte jeden Muskel an. Ähnlich wie beim Meditieren konzentrierte ich mich nur noch auf den Schmerz. Ich blendete jede Stimme, jedes Orkgrunzen, jeden Schrei aus, und plötzlich wurde alles leicht und friedlich.
Grelles Weiß trat durch meine geschlossenen Augen in meine Wahrnehmung, und es dauerte einen Moment, bis ich realisierte, dass das nicht zum Delirium gehörte.
Ich konzentrierte mich wieder auf meine Außenwelt, aber noch immer war alles still. Langsam öffnete ich meine Augen, und das Licht verflog wie Nebel. Dort stand Gandalf, Schwert und Stab erhoben, und mit seinem Lichtzauber hatte er nicht nur die Orks, sondern auch die Zwerge geblendet und zu Boden geworfen.
„Nehmt eure Waffen. Kämpft! Kämpft!"

Ich bekam kaum mit, wie alle um mich herum aufstanden und dem Befehl des Zauberers folgten. Mein Sichtfeld war sehr beschränkt, und außen herum war alles dunkel und verschwommen. Weiterhin im Delirium tastete ich nach meinen Besitztümern und versuchte, mich aufzurappeln. Wie in Zeitlupe setzte ich mich auf, mein Kopf dröhnte und Blut floss weiterhin meinen Rücken hinunter. Mit zittrigen Händen schaffte ich es irgendwie, Dagnir zumindest zurück in meinen Gürtel zu stecken, und meine Tasche zu packen.
Wie im Halbschlaf bekam ich gerade so mit, wie Kíli vor mir auf die Knie fiel und auf mich einredete, eine Hand am Schwert, die andere an meiner Schulter. Seine Stimme klang weit entfernt, als würde sie von den Bergen widerhallen.
Mir wurde unendlich schwindelig, meine Sicht wurde endgültig schwarz und ich verlor jedes Gefühl im Körper.

*

Erst durch ein plötzliches Fallgefühl wurde ich wieder wach. Sofort merkte ich den unerträglichen Schmerz, der sich von meinem Rücken durch meinen ganzen Körper zog. Da war Bewusstlosigkeit definitiv die bessere Option.
Erst beim genaueren Inspizieren meiner Umgebung fiel mir auf, dass ich tatsächlich mitten im Fall war, und endlich bemerkte ich das Kribbeln in meinem Magen.
Viele Meter unter mir erkannte ich Dori, Nori und Ori auf ein paar Holzplanken liegend. Verwirrt sah ich weiter um mich, und erkannte, dass sämtliche anderen Zwerge um mich herum mit mir stürzten.
Als wir endlich auf den Boden krachten, trennten die Holzplanken des zerbrochenen Gerüsts uns von Dori, Nori und Ori. Ich war mal wieder weich auf Bomburs Rücken gelandet, purzelte aber direkt von ihm runter auf den harten Steinboden, wo Gandalf schon aufrecht stand.
„Naja, hätte auch schlimmer kommen können", meinte Bofur, der zwischen den Überresten des Gerüsts hervor lugte.
Kaum hatte er ausgesprochen, krachte der Körper des Großorks auf sie, sodass es vielleicht doch noch bald Zwergensülze gab.
„Das soll wohl n Scherz sein", quetschte Dwalin heraus.

Um nicht wieder in Ohnmacht zu fallen, versuchte ich meine Atmung unter Kontrolle zu bringen. Dabei klang ich, als würde ich langsam ersticken, und mein stetiges Winseln half da auch nicht weiter.
Langsam kletterten die Zwerge von unter den Planken hervor, und Kíli rannte sofort zu mir. Mir fiel auf, dass er seinen Mantel wieder trug, aber für mehr reichte mein Sichtfeld nicht aus.
Er fiel vor mir auf die Knie und die Sorge in seinen Augen brach mir beinahe das Herz. Ich wollte meinen Daumen hochhalten, und ihm sagen, dass alles okay war, aber das wäre die größte Lüge meines Lebens.
Kíli nahm meine Hände, und mit seiner Stütze konnte ich mich endlich vernünftig aufsetzen. Er wagte einen Blick auf meinen Rücken, und seiner Reaktion nach zu urteilen, sah es genauso schlimm aus, wie es sich anfühlte.
Er rief Gandalf zu sich, und verlangte Arznei für meine Wunden, aber dafür war kaum Zeit; Fíli zeigte panisch hinter mich, und ich musste mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass dort eine ganze Armee von Orks den Berg herunter auf uns zugerannt kam.
Gandalf sah besorgt auf mich herab, schüttelte aber den Kopf und widmete sich der Allgemeinheit:
„Nur eins kann uns noch retten: Tageslicht! Kommt!"
Verzweifelt sah ich hoch zu Kíli, der schnell denken musste. Kurzerhand streifte er seinen Mantel ab und legte ihn vorsichtig um meine Schultern, was ich mit lauterem Winseln kommentierte.
Dann packte er meine Taille und schwang meinen Körper mühelos über seine Schultern.

Auf dem Weg hinaus schloss ich wieder meine Augen und konzentrierte mich auf das Geräusch der schweren Schritte, den Laufwind und das Schaukeln von Kílis Bewegungen.
Endlich wurde es heller, und ich roch wieder frische Luft. Ich spürte, wie wir einen Abhang herunter kamen, noch immer in vollem Sprint, und hier und da bemerkte ich aus geschlossenen Augen die Schatten einiger Bäume.
Endlich wurden wir langsamer und hielten an. Meine Augen konnte ich nur halb öffnen, aber es reichte, um zu erkennen, wie Fíli half, mich vorsichtig auf den Boden abzusetzen. Dort lag ich in den Armen der Brüder, den Blick starr in den Himmel gerichtet, um mich irgendwie von all dem Schmerz abzulenken.
Ich konzentrierte mich auf die dunkler werdenden Wolken und die Äste, die in meinem Zustand fast aussahen wie Krallen, die mich in die Dunkelheit zerrten.
Im Hintergrund hörte ich, wie Gandalf alle durchzählte, und sich schließlich wunderte, wo denn Bilbo sei.
„Wo ist unser Hobbit?", wiederholte er lauter.
„Verfluchter Halbling! Jetzt ist er weg", kam es von Dwalin.
„Ich hab gedacht, er wär bei Dori", warf Nori ein.
„Schieb's jetzt nicht auf mich!", brüllte Dori zurück.

„Hallo? Sterbende Charly hier!", wimmerte ich, und trotz eingeschränktem Sichtfeld spürte ich alle Blicke auf mir.
Thorin kam zuerst näher, und er fragte seine Neffen, was denn passiert sei.
„Wurde nur fast zu Tode gepeitscht- danke der Nachfrage", quetschte ich selbst heraus.
Endlich trat der Zwerg in mein Sichtfeld, und er blickte besorgt auf mich herab.
„Ah. Das wird kein großes Problem sein." Gandalf trat näher und scheuchte Thorin zur Seite. Der Alte kniete sich neben mich und legte eine Hand auf meine Stirn. Er murmelte unverständliche Worte in einer alten Sprache, und mit einem Mal machte sich eine wohlige Wärme in meinem Körper breit. Erleichtert schloss ich die Augen und spürte, wie sich sämtliche Muskeln entspannten. Mein Rücken kribbelte, und der Schmerz wurde zu einem eigenartigen Gefühl der Taubheit; wie die Reste einer Narkose kurz nach der OP.
Als ich meine Augen wieder aufschlug, verspürte ich eine ganz neue Kraft, als könne ich es sofort mit einer ganze Armee aufnehmen.
„Wie fühlst du dich?", fragte Gandalf sanft.
Als wäre nie etwas gewesen, setzte ich mich mit Schwung auf und gab Fíli und Kíli dabei fast eine Kopfnuss.
„Ich bin bereit, ein Rennen zu laufen!"
„Nein, bist du nicht", lächelte der Zauberer trocken. Er erhob sich und richtete das Wort wieder an die Zwerge: „Also, Bilbo. Wo habt ihr ihn zuletzt gesehen?"
Thorin stellte mit einem einfachen Blick sicher, dass es mir wieder gut ging, dann erhob er sich, majestätisch wie immer.
„Ich glaub, als sie uns gefangen haben, konnte er sich davon stehlen", sagte Nori.
„Was ist genau passiert? Sprecht!" Gandalf schien leicht aufgebracht, und das war nur allzu verständlich. Ich würde mich auch aufregen, wenn die Gang, denen ich einen meiner besten Freunde verkauft hatte, ihn in meiner Abwesenheit einfach verlieren würde.

Fíli und Kíli klopften mir aufmunternd auf die Schultern, dann reichten sie mir ihre Hände und zogen mich mit Schwung wieder auf die Beine. Während Thorin hervor trat und sich bereit machte für eine kleine Tirade, drückte Kíli mir mein Korsett in die Hand. Außer ein paar Spritzer Blut sah es noch völlig okay aus, und er half mir, es überzuziehen und zu schnüren. Mein Hemd war am Rücken zwar noch immer zerrissen und blutig, aber das ließ sich durch Korsett und Mantel einfach abdecken.

„Ich sag dir, was passiert ist", begann Thorin. „Meister Beutlin hat die Gelegenheit erkannt und sie ergriffen! Seit er aus seiner Tür getreten ist, hat er nur an sein weiches Bett und seinen warmen Ofen gedacht. Wir werden unseren Hobbit nicht wiedersehen. Er ist fort, schon längst."
„Nein, ist er nicht." Wie aus dem Nichts trat der Hobbit hinter einem Baum hervor, und überrascht drehten sich alle zu ihm.
„Bilbo Beutlin!", rief Gandalf aus. „In meinem ganzen Leben war ich noch nie so froh, jemanden zu sehen."
„Bilbo! Wir hatten dich schon aufgegeben", freute sich Kíli, und ich nickte dem Kleinen anerkennend zu.
„Wie bist du an den Orks vorbei gekommen?", hakte Fíli nach.
„Gute Frage", murmelte Dwalin.
„Hahaha", machte Bilbo verschmitzt.
„Was spielt das für eine Rolle? Er ist wieder hier", warf Gandalf ein.
„Es spielt eine Rolle. Ich will es wissen. Wieso bist du wieder hier?", brummte Thorin.
„Ich weiß, dass du an mir zweifelst. Und das- und das schon von Anfang an. Und du hast Recht; ich denk oft an Beutelsend; ich vermiss meine Bücher. Und meinen Sessel, meinen Garten. Da gehör ich nämlich hin. Das ist Heimat. Und deshalb bin ich zurückgekommen. Weil ihr keine habt; eine Heimat. Sie wurde euch genommen. Aber ich will euch helfen, sie zurückzuholen."
Darauf fehlten Thorin die Worte, aber von den Seiten erhielt Bilbo immer wieder Zuspruch.
Die gute Stimmung wurde von fernem Warggeheul zerrissen, begleitet von Fetzen der Dunklen Sprache Mordors.
„Aus der Pfanne...", murmelte Thorin.
„...Ins Feuer. Lauft! Lauft!", brüllte Gandalf.


*


ich guck gleich black widow hehe 👀

~💀👑

(Bearbeitet: 07./08.11.2020/02.10.2023)

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