Kapitel 35 - An der Türschwelle

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„Der letzte Strahl am Durins Tag wird herabfallen auf das Schlüsselloch", murmelte Thorin vor sich hin, während Dwalin den kalten Stein abtastete.
Wir standen alle einfach daneben, etwas planlos und warteten auf irgendwelche Befehle.
Gespannt blickten wir von der untergehenden Sonne zur Tür hin und her, bis die Spannung wieder zu Anspannung wurde, als die Sonne nur noch halb zu sehen war.
Jetzt schickte Thorin auch Nori zur Tür, der die Wand mit einem Löffel abklopfte und lauschte. Was genau das bringen sollte, war auch ne gute Frage.
„Das Licht schwindet. Macht schon!", befahl unser König. Dwalin wurde aggressiver und schlug gegen die Wand, wobei er sich wahrscheinlich die Finger blutig boxte. Nori beschwerte sich über den Lärm.
Da ich auf noch mehr Spannung in der Luft gerade echt kein Bock hatte, meldete ich mich mal zu Wort:
„Das macht doch keinen Sinn! Da steht, der letzte Strahl wird herabfallen auf das Schlüsselloch. Ich glaube, das Schlüsselloch würde klar beschienen werden, oder so."
„Das tut es aber nicht, wie soll uns das jetzt helfen?", fuhr Thorin herum, der mich lange nicht mehr angemeckert hatte. Es hatte einen gewissen Effekt auf mich, aber ich redete mir ein, dass es das Gold war, dass ihn langsam mürrisch werden ließ, selbst der Familie gegenüber.
„Lass mich doch ausreden!", beschwerte ich mich, und aller Augen legten sich auf mich. „Der letzte Strahl des Tages ist niemals die Sonne. Das letzte Licht, das um Mitternacht scheint, ist immer der Mond, sofern kein Neumond ist, was nicht mehr der Fall ist."
„Ich glaube, du hast recht!", rief Bilbo aufgeregt. „Das Mondlicht wird das Schlüsselloch enthüllen, ich bin mir sicher."
„Wir können keine Fehleinschätzung riskieren", sagte Thorin ernst.
„Wann lag ich je falsch?" Herausfordernd verschränkte ich meine Arme. Wir hatten unseren Spaß zusammen gehabt, aber durch Thorins Verhalten kamen meine alten Rebellische-Tochter-Instinkte wieder durch, die ich von meinem leiblichen Vater gelernt hatte.
„Es macht wirklich Sinn", stimmte Kíli mit ein, der mich natürlich immer unterstützte. Auch Fíli nickte, gefolgt von Balin, der sich ja gut auskennen musste.
„Also schön. Warten wir auf das Mondlicht. Rastet ein wenig, esst eine Kleinigkeit. Es wird nicht lang dauern."

Der Großteil der Zwerge machte es sich an der Bergwand bequem und sie mampften friedlich ihre kalten Würstchen und Brote.
Kíli und ich hatten uns an die Klippe gepflanzt, die Beine hinunter in den Abgrund baumelnd und mit dem besten Blick auf die letzten Momente des Sonnenuntergangs.
Da fiel mir ein Gedicht wieder ein, was ich mal über meinen fictional Crush Kíli geschrieben hatte. Es kam mir vor, als wäre es eine Ewigkeit her, aber hier war meine perfekte Chance, es zu zitieren:

Du bist meine Sonne,
denn nur du gibst mir Licht.
Du bist meine Sonne,
wenn meine Welt zusammen bricht.

Deine Wärme gibt mir Kraft,
nur dank dir bin ich noch wach.
Nur dein Lachen gibt mir Mut,
nur du kannst zügeln meine Wut.

Solltest du jemals untergehen,
werd ich die Welt nie mehr verstehen.
Heller und wärmer als alles andre,
gehe niemals unter oder ich wandre
weit fort von hier in tote Lande.

Du bist meine Sonne,
ohne dich gibt es kein Licht.
Du bist meine Sonne,
ohne dich mein Wille bricht."

Kurz schwiegen wir und ehrten den letzten Sonnenstrahl, der sich von uns verabschiedete.
Dann, als es dunkel wurde, sah Kíli mich wieder an und gab mir einen längeren sanften Kuss.
„Und du bist mein Stern, mein Lebenssinn, nur du bist mein Zuhause."
Ekelhaft verliebt musste ich lächeln und legte meinen Kopf auf Kílis Schulter.
Schon immer hatte ich den Mond bevorzugt und gedacht, ich hätte der Mond in einer Sonne-Mond-Beziehung sein können. Aber dafür war ich noch nicht traumatisiert genug. Noch riss ich Witze, ohne innerlich tot zu sein. Noch war ich Kílis Stern, potenziell die Sonne einer weit entfernten Galaxie. Denn Sonnen waren auch nur Sterne. Noch.

Mittelerde... Ernsthaft?! //Hobbit ff Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt