,,Ich habe es gerade zugelassen, Gina."

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Gerade ist alles perfekt und ich wünschte, die Zeit könnte jetzt anhalten. Doch das wird mir nicht gegönnt, denn Chris hört so abrupt auf, wie er auch angefangen hat.

Ich rutsche vom Tisch und sehe ihn verständnislos an. ,,Chris?", frage ich noch immer überwältigt von dem, was gerade passiert ist. Doch ich ahne schon an seinem Blick, dass es nicht lange anhält. Chris hält einen gesunden Abstand zwischen uns.

,,Es tut mir leid. Das hätte nicht passieren dürfen", spricht er nun in Floskeln. Was zum Teufel. Ist das sein Ernst gerade? Chris dreht sich um und geht im Zimmer auf und ab. Um sich vielleicht zu beruhigen?

,,Wie, das hätte nicht passieren dürfen? Chris, überlegst du denn auch, bevor du sowas zu mir sagst?", fahre ich ihn an. Das tut doch weh. Das Glücksgefühl in mir, reicht nur noch purer Enttäuschung über sein Verhalten gerade. Nun ist sein Gesicht wieder mir zugewandt.

,,Jetzt gerade bin ich bei klarem Verstand, Ja", entgegnet er hart. Was ist nur los mit ihm? Die Erkenntnis darüber, dass er den Kuss bereut und es wahrscheinlich nie wieder machen wird, bringt mir die Tränen ins Gesicht. Der Schmerz trifft mich noch viel härter, als vor dem Kuss. Ich dachte, wenn wir erstmal an diesem Punkt sind, dann fügt sich alles von alleine. Nun merke ich, dass Chris schon seine eigene Mauer um sich herum baut und immer wieder flicken wird. Egal wie es ihn anstrengt.

,,Du bist so ein Arschloch!", schreie ich ihn halbherzig an, denn die Tränen geben mir nicht die nötige härte. ,,Du sagst, du liebst mich, aber verletzt mich am laufenden Bande. Sowas macht kein Mann, der liebt. Du lügst mich einfach immer an und ich verstehe nicht warum. Gefällt es dir, mich so zu sehen? Mein Gott, wie kann man sich so in einem Menschen täuschen? Ich hasse dich!" Das war hart, musste aber sein. Ich verspüre so eine gewaltige Wut in mir. Hass und Liebe liegen so nah aneinander. Jemand, der mir scheiß egal wär, den würde ich nie hassen... Man hasst keine Menschen, die einem nichts bedeuten. Chris aber schon. Er tut mir immer nur weh.

Ich gehe an ihm vorbei, will einfach nur raus aus diesem Zimmer, aber Chris will wohl noch was sagen. Er schlingt seinen Arm um meinen Bauch und zieht mich zurück. Chris ist so viel stärker als ich, daher kann ich nichts dagegen machen. ,,Du verstehst es nicht?", fährt er nun mich an. Wir starren uns beide erbarmungslos an. Wo vorher Liebe um uns herum flatterte, bleibt nur noch Ärger und Enttäuschung. ,,Ich habe es dir immer gesagt. Ich habe kein Geheimnis daraus gemacht, wie ich zu dir stehe und du sagst, du verstehst nicht, wieso ich mich so verhalte? Schalte deinen Kopf ein und denk nach, Gina. Ich habe dir gesagt, dass ich nie mit dir zusammen sein werde. Trotzdem versuchst du mich jeden Tag aufs Neue davon zu überzeugen, meine Meinung zu ändern. Das werde ich aber nicht. Nie. Niemals. Das mache ich nicht, um dich zu verletzen. Ich wünschte, du würdest mich noch immer wie Luft behandeln, wie du es am Anfang getan hast. Nur, damit ich dir nicht wehtun kann. Natürlich weiß ich, wie du dich fühlst, denn mir tut es auch weh..."

,,Wieso lässt du es denn dann nicht zu", unterbreche ich ihn flehend. Chris schüttelt seinen Kopf.

,,Ich habe es gerade zugelassen, Gina. Doch es bringt nichts. Diesen Fehler mache ich nie wieder. Wir können niemals zusammen sein." Das sagt er in einem so ernsten Tonfall, dass ich einfach nicht mithalten kann. Seine Entscheidung steht so felsenfest.

,,Ich dachte...", fange ich leise an. ,,...du könntest dich bei mir entspannen. Der ganze Tag... ich dachte, der wär auch für dich schön gewesen." Da kommen wieder ein paar Tränen aus mir heraus. Ich kann die ganze Situation kaum greifen. Es fühlt sich wie ein Traum an und das wünschte ich mir auch. Es fühlt sich so schlimm an. Nicht einmal Jonas konnte mir so wehtun.

,,Entspannen? Gina, in deiner Nähe war ich noch nie entspannt." Aua. ,,Ich arbeite. Es ist mein Job, dich zu beschützen. Dabei kann ich mich nicht einfach entspannt zurücklehnen. Wenn dir etwas passiert..."

,,Dann was? Dann kann es dir scheiß egal sein..."

,,Du weißt ganz genau, dass es nicht so ist. Wieso sagst du sowas?", unterbricht mich nun auch Chris und scheint sauer zu sein. Ich bin es auch. Da stehen wir uns in nichts nach.

,,Ich dachte auch, du liebst mich, aber es war wohl nicht so. Du hättest den Tag doch nie mit mir verbracht, wenn du nicht für meinen Vater arbeiten würdest. Jede Sekunde, dir wir miteinander verbringen ist ne Lüge. Dass Alex weg war, war für dich wohl eher ein Fluch, statt ne Freude. Du hättest mich auch einfach wieder ins Hotel bringen können. Man Chris, du hast es heute geschafft. Ich gratuliere dir. Wenn du gewusst hättest, dass du mich nur durch diesen Abend verlieren kannst, hättest du es sicher schon eher gemacht." Es ist einfach vorbei. Ich kann nicht mehr. 

,,Gina, was sagst du da?", fragt mich Chris, als ich mich zur Tür umdrehe. Er kommt ein paar Schritte zu mir und dreht mich um, damit ich ihn ansehe. Jetzt sieht er meine feuchten Augen, die nassen Wangen und den Schmerz, die der ganze Abend mir gebracht haben. ,,Gina?"

,,Du sagtest, Jonas hätte mich nicht verdient. Das gleiche gilt auch für dich. Ich bin kein Sadist. Mehr Leid muss ich mir selber nicht mehr antun. Manchmal reicht es auch. Viel Spaß mit deiner neu gewonnenen Ruhe. Ich belästige dich nicht mehr", beende ich ruhig und fast schon heiser unseren Abend. Es kommt alles hoch. Es tut so weh zu wissen, dass alles was ich getan habe umsonst war. Keine Liebe sollte so schwer sein. Chris ist einfach nicht der Richtige.

Chris Augen glänzen in dem schwach beleuchteten Zimmer. ,,Du hast wohl Recht", stimmt er mir zu. Wenn ich dachte, der Schmerz von eben war schlimm, dann habe ich das nicht kommen sehen. Bevor ich noch anfange zu weinen, verlasse ich schnell das Zimmer und klopfe an meine Zimmertür. Alex macht schnell auf. Ich renne an ihr vorbei und schmeiße mich für den Weltuntergang aufs Bett.

-

Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Es ist wie ein Fluch, wenn der Mann, den du so liebst, dich einfach immer wieder wegstößt. Das kann ich mir nicht mehr antun, deshalb habe ich jetzt einen Schlussstrich gezogen. 

Alex war nicht sonderlich begeistert, aber akzeptiert meine Entscheidung. Über den Vorfall in der Bar haben wir nicht mehr geredet. Das wär auch echt nicht so richtig gewesen. Ich mache mich wie gewohnt fertig. Der Look ist wie immer ähnlich. Hoodie, Leggings und Sneaker. Heute fühle ich mich auch danach, mich mit allem was ich habe zurückzuziehen. ,,Fertig?", fragt mich Alex, als sie aus dem Bad kommt. Ich schaue sie an, während ich mir meine Schuhe anziehe. 

,,Ja", antworte ich schlicht. Mehr braucht diese Frage auch nicht. Damit ist sie zufrieden und wir gehen los. An Chris Tür gehe ich schnell vorbei, denn ihm möchte ich wirklich nicht begegnen. Am Frühstückssaal angekommen, gehen wir direkt zum Buffet. Da wir immer früh hier sind, bleiben uns viele freie Plätze, sodass wir uns erstmal ausgiebig um das belegen unserer Teller kümmern können. Ich entscheide mich für Rührei und einen Self-Made Salat mit Salat, Tomate, Gurke und Essig Öl. Eine richtig neue Kreation. 

Alex und ich setzten uns an einen Tisch. Der steht relativ weit in der Mitte. Den hätte ich mir selber nie ausgesucht. Alex mag es allerdings gesehen zu werden. Wir sind nicht lange am Essen. Ich würde sagen, ich habe nur ein wenig an meinem Rührei geknabbert, als mir etwas ins Auge fällt. Ob mir meine Ruhe nicht gegönnt wird? Ich denke nicht.

Ich sehe Chris, wie er in den Saal reinkommt. Die Zeit bleibt gefühlt stehen. Trotz meiner Entschlossenheit kribbelt alles in mir und am Liebsten, würde ich zu ihm rennen und alles zurücknehmen, was ich gestern gesagt habe.

Chris Blick findet meinen und ich spüre auch in ihm die Zerrissenheit. Seine Beine bewegen sich in meine Richtung. Jaa!

Ich will Dich!Where stories live. Discover now