14. Januar 2019

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Tagebucheintrag, 14. Januar 2019, 12.12 Uhr, Uni


Gesund sein ist doch wirklich schön. Ich kann atmen. Ich spüre die kalte Winterluft und will nicht sterben und ich kann in der Uni sitzen und mich theoretisch konzentrieren. Praktisch kritzel ich in mein Tagebuch, weil das hier jetzt echt nicht spannend ist, aber ich könnte mich konzentrieren, wenn ich denn wollen würde. Das ist es was zählt. Überhaupt kann ich wieder Dinge machen. Was nicht heißt, dass ich Dinge mache, eigentlich ist alles wie immer Winter. Im Winter kann man echt nicht viel machen. Außer Sport. Ich hab so wenig Lust darauf, im Winter dick zu werden, nur weil ich nie spazieren oder baden gehe, dass ich komplett eskaliert bin und in den letzten drei Tagen jeden einzelnen davon im Fitnessstudio war. Und einmal mit François schwimmen und einmal mit Tamara Squash spielen. Ich bin unfassbar sportlich.


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Tagebucheintrag, 14. Januar 2019, 22.57 Uhr, WG


Es stellt sich heraus, dass Isaac kein Creep ist, sondern nur wen braucht, der deutsch kann und der sich vorstellen könnte, gegen sehr geringe Bezahlung zu dolmetschen. Und er wollte halt nett fragen, weil seine Manieren frisch geputzt aus dem 18. Jahrhundert kommen. Aber ich habe Wein bekommen, konnte ihn ein bisschen darauf festnageln, dass ich mehr über den Zweiten Weltkrieg weiß als er (dafür war ich beim 1. Weltkrieg haushoch unterlegen, ich wusste nur noch, dass Deutschland Schuld ist und das Attentat von Sarajevo existiert, aber jetzt bin ich wieder auf dem neuesten Stand – warum ist es eigentlich das Attentat, aber die Tat?).


Also eigentlich wirklich ein nettes Kerlchen. Ich übersetze irgendeine kleine Autorin bei einer noch kleineren Lesung und muss jetzt ihr Buch lesen, aber ich kriege halt auch Geld. Und ich glaube, Isaac war wirklich ein bisschen verzweifelt, um mich um Hilfe zu bitten. Ich dachte immer, Deutsche sind im internationalen Vergleich super engagiert, aber das scheint ja Schmarrn zu sein.


Oh, und der Junge hat sich entschuldigt, falls er seinen alten grumpy weißen Mann raushängen lassen hat (also das ist kein Zitat, aber er hat sich auf jeden Fall entschuldigt), weil er halt ein bisschen im Stress war, weil der liebe Jonathan, der das eigentlich übersetzen sollte, ihm abgesprungen ist. Und dann ruft er mich an und ich witzel nur rum. Würde er seinen Geist ein bisschen öffnen, könnte mein Humor ihm Aufwind geben, anstatt ihn zu nerven („Aufwind geben", ich muss wirklich weniger buffen), aber bis dahin wird die Zusammenarbeit mit mir ihn einfach nur richtig ficken. Das wird lustig, ich glaube, wir beide können echt gut streiten.

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