09. November 2018

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9. November 2018, 19 Uhr, WG-Küche


"That's stupid!", deklarierte Alexa wenig eloquent. Sie war sowieso sauer, seit François und ich gestern sehr, sehr, sehr viel Spaß daran gehabt hatten "Alexa, turn up the music" zu rufen, während wir unser sehr enthusiastisch geplantes Drei-Gänge-Menü zubereiteten. Um fair zu sein: Niemand in der WG würde die nächsten Tage kochen müssen. Wir hatten viel zu viel Essen gemacht. Andererseits würde auch niemand kochen können, bis ich die Küche aufräumte. Und das sah ich in näherer Zukunft nicht so wirklich.


"Come on, guys", jammerte ich. Deutschland schien krasser Vorreiter zu sein, was Mülltrennung anging. Amerika, Spanien und Ukraine (wenn ich mich richtig erinnere, eher nicht so). Niemand war meiner Meinung, dabei hatte ich sogar den Mülleimer mit den drei Möglichkeiten gekauft. Ich. Die Person, die immer noch in ihrer Übergangsjacke herumlief und im Zweifelsfall einfach drei Pullover verschiedenster Exfreunde übereinander zog, weil sie es nicht einsah, Geld für Kleidung zu verschwenden. Die Person, die sich Peeling aus Zucker oder Kaffeepulver macht, weil Kosmetik oftmals Geldverschwendung ist (ich habe immer noch zehn Dosen von dem einem Mal, als ich mir selber stinkendes Lippenbalsam gemacht habe).

Ich hatte extra einen Mülleimer mit drei Fächern gekauft und jetzt wurde der nicht benutzt. Stattdessen stand ein gut gefüllter Müllbeutel unter der Spüle, neben meinem traumhaft übersichtlichen Mülleimer, an den ich jetzt noch Zettel kleben würde. Das Ding war meine größte materielle Investition seit meinem Campingkocher (den Connor noch haben müsste). Ich bin übrigens nicht arm, ich investiere nur in andere Dinge. Henni hat mir schon mehrmals vorgehalten, wie ungünstig meine Prioritäten gelegt sind.

"Listen, Tara. We do like the environment and stuff, but that's a bit much." Empört schnaubte ich. Dafür, dass Carla aussah, wie so eine Hippie-Spanierin aus einem Surfer-Film, interessierte sie sich sehr wenig für diesen blauen Planeten.


"That's literally the easiest way to do something. I'm not even asking you to buy your noodles and rice and shit at the unpackaged store. Just seperate the garbage." Alexa sah aus, als würde sie mich korrigieren wollen, weil es in diesem Zusammenhang eine passendere Vokabel als "Garbage" gab (was ich nicht anzweifele, es klingt irgendwie komisch), aber sie riss sich zusammen. Vermutlich weil sie mich noch nie wütend gesehen hat. Beziehungsweise verärgert. Ich war selten wirklich wütend auf Leute, die nicht ich waren.


"So. Bottles go to...?", fragte ich und starrte meine vier genervten Mitbewohner so lange in Grund und Boden, bis sich Jesús dazu genötigt fühlte, zu antworten. Dann überlegte ich, ob Elliott sich für die Umwelt interessierte. Ja, ne? Ich wusste nichts über ihn. Bestimmt interessiert er sich für die Umwelt. Es wäre ja auch eine unfassbar dumme Aktion, sich in jemanden zu verlieben, der gegen die eigenen Grundprinzipien handelt.


Aber gut. Vielleicht ging ihm unser schöner, blauer Planet auch am Arsch vorbei. Wer weiß. Offenbar braucht es keinen guten Charakter mehr, um mich zu bezirzen (schönes Wort). Offenbar braucht es einfach nur ein nettes Lächeln.


26 Tage. Alter.

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