24. Dezember 2018

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24. Dezember 2018, 00.24 Uhr, Coburg


Zwei Stunden später.


Alles wie früher. Marius auf auf dem Bett, ich auf seinem Schoß. Er in Boxern, ich in Shirt und Slip. Seine Arme um mich geschlungen, meine Hände auf seinen. Die Augen kurz vor dem Zufallen, die Nähe greifbar.

Seine Bartstoppeln an meinem Hals – nichts wie immer.


Ich und mein Kopf sind hoffnungslos überfordert. In einem Moment sitze ich hier und grinse und auf einmal fallen drei lange Jahre in meinen Kopf ein.


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Tagebucheintrag, 24. Dezember 2018, 19.59 Uhr, Coburg


Meine Familie hat inzwischen größere Schwierigkeiten damit, mir Geschenke zu kaufen, als ich, ihnen. Das liegt auch daran, dass ich mit Geschenken nicht schlecht bin.


Selbstgemachter Lippenbalsam (da hab ich sowieso noch knappe vier Kilo von) für Mama und Oma, für Opa, Stefan und Tobi ein bisschen englisches Bier (es leben die Geschlechterstereotypen). Dann für Oma einen angeblich selbstgemachten Schal (das war alles spontan, ich hätte den machen können und er ist schön, für mehr als liebevoll das Etikett abmachen hat es dieses Jahr aber nicht gereicht), Mama will jetzt auch einen, ich hoffe, sie gibt sich mit einem Stirnband zufrieden, das geht schneller, für Opa eine tatsächlich selbstbestickte Weihnachtsmannmütze (weil er früher immer den Weihnachtsmann machen musste, Papa war ja nicht da und findet mal eine akkurat bestickte Weihnachtsmannmütze, da muss man schon selbst sticken), für Mama natürlich einen selbstgemachten London-Besuchs-Gutschein (sie wird die Reise vermutlich selber bezahlen und entgegen meiner Empfehlung fliegen, aber zumindest den CO2-Begleich draufzahlen), für Stefan einen Hut von Bates Gentleman's hatter, die machen gute Hüte und Herr Dipsens Gesichtsausdruck war mir das wert (und Stefan ist genau die Art Mensch, die sich im Urlaub so nen Hut aufsetzen), für Tobi auf Empfehlung von Mama hin irgendwelche Zigarren (vielleicht rauchen wir noch eine zusammen und bändeln dann endlich mal an, aber ehrlich gesagt, gehört Tobi zu den wenigen Menschen, mit denen ich nicht mal über eine Zigarre eine Verbindung finden könnte) und für Annette neben irgendeinem Mascara (auch Mamas Empfehlung) noch die (erstaunlich günstige) Pfeife aus dem Sherlock Holmes Museum, dass Francois und ich zerrissen haben (ich meine, mega gut, Sherlock Holmes ist der Hammer, aber das Museum ist ja einfach nur voll, Museen sollten keine Schlange haben, die Pfeife hab ich mir aber auch gekauft), weil Sherlock Holmes eine der einzigen Sachen ist, in der Annette und ich einer Meinung sind. Ja, und ich hab jetzt Pflanzen und praktische Sachen und eine Winterjacke und Schlittschuhe und werde wohl morgen Schlittschuhfahren gehen, weil, wie soll ich denn eine Pflanze und Schlittschuhe bis nach Nürnberg, geschweige denn Berlin oder London kriegen?


Eigentlich ist die Stimmung gut, ich bin nur nervös (obwohl ich angenehm betrunken bin, das war mir in Familie früher peinlich, aber verglichen mit jeder anderen Droge ist Alkohol in meiner Familie ja der absolute Renner). Es liegt Schnee, es gibt Gans (und Klöße mit Rotkohl für mich), wir haben einen Weihnachtsspaziergang gemacht, es steht ein Baum, den wir gestern noch zusammen geschmückt haben und ich verstehe mich mit allen außer Annette bedeutend besser als die letzten Jahre (vielleicht bin ich wirklich zugänglicher geworden) und jetzt muss ich langsam wieder rein und dafür beten, dass niemand den Rauch riecht oder zumindest von einem Drama absieht. Wie motiviert ich in letzter Zeit beim Rauchen schreibe... das wird noch zu einer Suchtkombination, wenn ich rauche, will ich schreiben und vice versa.


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Tagebucheintrag, 24. Dezember 2018, 23.07 Uhr, Coburg


Ich hab gar kein kitschigen Weihnachtseintrag. Ich halt auch nicht viel von Weihnachten.

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