S u l l i v a n

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Ich wachte auf und war so entspannt wie schon lange nicht mehr. Keine verkrampften Schultern, keine Kopfschmerzen oder ein schlechtes Gewissen, das von innen gegen die Schädeldecke klopfte. Es war herrlich befreiend und zugleich monströs angsteinflößend. Conall und Harry wussten Bescheid. Sie wussten von den grauenhaften Menschen, die sich meine Eltern nannten. Sie wussten zu was für einem Menschen ich bestimmt war.

Aber keinen von beiden schien es groß zu interessieren.

Ich lächelte und wollte mich noch tiefer in das Kissen kuscheln, als mein Kinn unsanft gegen etwas Hartes stieß. Ich stockte und ein leises Stöhnen war neben mir zu hören.

Verschlafen öffnete ich die Augen, blinzelte ein paar Mal und konnte mich mit einem Schlag wieder erinnern. Die Schmetterlinge kehrten zurück und schickten mir ein herrliches Prickeln durch den Körper.

Es war Harrys Kopf gewesen, mit dem mein Kinn so unsanft in Berührung gekommen war. Sie lag neben mir, ihr Gesicht an meiner Brust vergraben, während ihre Beine in meinen verschlungen waren und ihre Hände in der Bauchtasche meines Pullovers steckten. Ich musste grinsen.

Gestern Abend, bevor wir eingeschlafen waren, hatte sie mich mit ihren zierlichen Armen umschlungen und fest an sich gedrückt. So als wollte sie mir allen Trost der Welt spenden. Während der Nacht hatte sie es dann irgendwie geschafft mich bis zur Bettkante zu verjagen. Denn als ich meinen Kopf drehte und über meine Schulter linste, sah ich nichts weiter als den Zimmerboden. Und Conalls Beine.

Während Harry neben mir im Bett geschlafen hatte, hatte er es sich genauso wie früher auf der Luftmatratze bequem gemacht. Da er ohnehin überall schlafen konnte, egal wie hart der Untergrund war, reichte ihm auch die dünne Matratze aus. Ich würde darauf nur fürchterliche Rückenschmerzen bekommen.

»Morgen«, hörte ich Harry neben mir murmeln. Das Grinsen erschien wieder auf meinem Gesicht.

»Morgen«, erwiderte ich und drückte ihr einen sanften Kuss auf den Kopf. Wenn ich mit ihr in meinem Armen aufwachte, verschwand selbst der Morgenmuffeln in mir.

Sie kicherte und ich hatte das Gefühl, dass sie gerade das Gleiche gedacht hatte. Ihr Körper schmiegten sich noch enger an meinen und ich schloss zufrieden die Augen.

–––––

Conall und Harry blieben bis zum Nachmittag. Dann mussten sie sich wieder Zuhause blicken lassen. Harry versprach mir jedoch morgen zum Training mitzugehen und mir auf der Bank Gesellschaft zu leisten. Auch wenn ich zur Zeit nicht spielen konnte, wollte ich mein Team beim Training unterstützen. Außerdem wurde die Sehnsucht nach Eishockey durchs Zusehen ein Stück weit gelindert.

Pünktlich wie immer stand Harry vor meiner Tür, drückte mir im Vorbeigehen einen Kuss auf die Wange und grüßte Eddie mit einem schüchternen Lächeln. Sie fuhr mich zur Schule, parkte den Truck vor der Halle und reichte mir die Krücken, damit ich mich wieder aus dem Auto hieven konnte.

Keine Ahnung wie, aber sie hatte es geschafft, mich davon zu überzeugen, dass sie zwischendurch fahren sollte, solang mein Knie verletzt war. Ich fand keine passenden Argumente dagegen und irgendwie war es auch süß von ihr.

»Was würde ich nur ohne dich«, meinte ich und drückte ihr einen Kuss auf die Schläfe, bevor sie die Wagentür schloss. Sie lächelte und folgte mir zum Eingang der Eishalle.

Kaum hatte Harry die Tür aufgezogen, kam uns die eisige Luft der Eisbahn entgegen und versetzte mir ein Lächeln auf die Lippen. Ich fühlte mich gleich ein Stück Zuhause.

Während die anderen sich bereits auf dem Eis aufwärmten, hüpfte ich auf meinen Krücken an der Bande entlang. Mir fegte eine Gänsehaut über den Rücken und ließ meine Füße ganz zappelig werden. Was würde ich nur dafür tun, mit den anderen übers Eis rasen zu können. Doch mein Knie würde einige Monate Heilung brauchen bis ich es wieder voll belasten konnte und dann kamen noch Wochen an Reha dazu.

Greatest PretendersWhere stories live. Discover now