H a r p e r

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In der Nacht von Sonntag auf Montag schlief ich besonders unruhig. Ich hatte zwar keine Albträume, aber mir schwirrten noch immer Tausende von Gedanken im Kopf herum. Egal wie oft ich sie bat, sie schwiegen einfach nicht.

Am Montagmorgen quälte ich mich also geradezu aus meinem Bett. Dennoch schnappte ich mir Buttons und verließ das Haus zu seiner morgendlichen Runde. Zum Joggen war ich zu müde, aber ein kleiner Spaziergang würde mir mit Sicherheit gut tun.

Als ich wieder zurückkam, saß Dad bereits mit seinem Tee in der Küche und wartete darauf, dass er abkühlte. Ich befreite mich von meiner Jacke und den Schuhen und gesellte mich mit einer Schüssel Müsli und einer großen Tasse Kakao zu ihm.

»Gehst du heute wieder zur Schule?«, fragte Dad, bevor er einen vorsichtigen Schluck aus seiner Tasse nahm.

Ich nagte einen Moment unschlüssig auf meiner Unterlippe, bevor ich zu nicken begann und einen meiner Mundwinkel zu einem Lächeln zwang.

»Sehr schön«, erwiderte Dad und nickte zustimmend. Er hatte zwar noch immer seine skeptische Falte auf der Stirn, wohl aus Sorge, ob es mir wirklich wieder gut genug ging, aber er versuchte es mit einem ehrlichen Lächeln auf den Lippen zu kaschieren.

Ich konnte gar nicht sagen, wie oft wir diese Art von Unterhaltung bereits geführt hatten. Wie oft sich Dads Sorge bewahrheitet hatte und er mich doch wieder von der Schule hatte abholen müssen oder ich in meiner Verzweiflung einfach nach Hause gelaufen war. Wir beide wussten, wie es enden konnte, und gerade deswegen wollte ich, dass heute alles glatt lief. Ich wollte nicht, dass er sich wieder wegen mir Sorgen machen musste. Ich wollte ihn nicht noch mehr belasten.

Dad warf einen Blick auf seine Armbanduhr und im nächsten Moment sprangen seine Augenbrauen erschrocken nach oben.

»Mist, ich muss los«, murmelte er und schüttete sich in der nächsten Sekunde seine gesamte Tasse Tee in den Rachen. Verdutzt sah ich ihm dabei zu, wie er förmlich von seinem Platz aufsprang und die Tasse in die Spüle stellte. Als er stand, verstand ich auch warum er so in Eile war. Er musste in zwanzig Minuten los und war noch immer in seiner Pyjamahose.

Kopfschüttelnd und mit einem Grinsen auf den Lippen blickte ich ihm hinterher.

Nachdem Dad nach oben verschwunden war, meldete sich Buttons zu Wort. Er drückte seine Schnauze gegen mein Schienbein und bettelte mit dem besten Hundeaugen um ein paar Streicheleinheiten. Natürlich konnte ich ihm nichts abschlagen und so frühstückte ich einhändig, während Buttons Kopf auf meinem Bein lag und ich ihm hinter den Ohren kraulte.

Sobald ich fertig war, stellte ich das Geschirr zusammen mit Dads Tasse in die Spülmaschine und kehrte dicht gefolgt von Buttons zurück in mein Zimmer. Ich schnappte mir meinen Rucksack, packte alles Wichtige hinein und griff letztendlich noch nach meiner Wollmütze.

Aber gerade als ich wieder nach unten gehen wollte, vibrierte mein Handy. Verdattert zog ich es aus meiner Hosentasche und war bereits in der nächsten Sekunden völlig überfordert. Ich hatte eine Nachricht. Von Sullivan.

›Schau aus dem Fenster.‹

Irritiert kräuselte sich meine Stirn. War die Nachricht wirklich an mich gerichtet?

Ich sah eine Weile unsicher zwischen dem Handy in meiner Hand und dem Fenster hin und her bis meine Neugier letztendlich siegte. Zögerlich trat ich vors Fenster und warf einen Blick nach draußen. Als ich dort jedoch Sullys Wagen sah, drohte mein Herz stehenzubleiben.

Oh, mein Gott.

Mir wurde heiß und kalt zugleich.

Was tat er hier? Und vor allem warum?

Greatest PretendersWhere stories live. Discover now