S u l l i v a n

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Hastig packte ich meine Tasche ein und verfluchte mich im nächsten Moment selbst. Mir glitt mein Buch durch die Finger und kam mit einem lauten Knall auf dem Boden auf. F*ck. Verärgert murmelte ich vor mich hin, bückte mich und hob es auf, um es kurz darauf energisch in meinen Rucksack zu stopfen. Seitdem meine rechte Hand praktisch zu nichts mehr zu gebrauchen war, gestalteten sich solche simplen Sachen als reinster Kampf.

Schnaubend schob ich den Stuhl an den Tisch, schwang mir meine Tasche über die Schulter und lief nach vorne, um endlich aus dem Raum fliehen zu können. Geschichte bei Mr. Harris war alles andere als ein Zuckerschlecken. Er hatte mich auf dem Kieker und das bereits seit letztem Jahr.

»Roalstad.« Ich hielt in meiner Bewegung inne und schloss die Augen. Bitte nicht. Mein rechter Fuß war bereits aus der Tür, als Mr. Harris mich beim Namen rief. »Ich möchte noch kurz mit dir reden.«

Ich unterdrückte ein Seufzen, atmete stattdessen nur tief durch und drehte mich zu Mr. Harris um. Er packte gerade sein Notizbuch in die Tasche, bevor er ums Pult herumging und sich dagegen lehnte. Ich schluckte und blickte ihn abwartend an.

»Ich möchte nicht lange um den heißen Brei herumreden.« Super. Ich hatte so im Gefühl, dass dieses Gespräch mehr als unangenehm werden würde. »Deine Leistung hat in letzter Zeit erheblich nachgelassen.« Er verschränkte die Arme und blickte mir eindringlich in die Augen. »Wenn du daran nichts änderst...« Mr. Harris seufzte und ließ den Satz ins Nichts laufen. Wir beide wussten wohin das führen würde. Ich würde meinen Abschluss nicht bekommen. Ich würde die Examen nicht schreiben und eine Ehrenrunde drehen können. Und damit würde mir wieder ein Jahr verloren gehen.

»Du musst dich nun wirklich anstrengen.« Ich nickte verhalten. »Ich kann dir anbieten, dass du ein Referat hältst... aber du musst es wollen.« Wieder nickte ich nur. Mr. Harris stieß die Luft aus. »Was hältst du von der Geschichte Spaniens? Soweit ich informiert bin, ist auch die spanische Sprache eins deiner Abschlussfächer, oder?« Ich nickte stumm. »Gut, dann machen wir das so.«

Er schenkte mir ein Lächeln, löste seine Arme aus der Verschränkung und stieß sich vom Tisch ab. Er lief wieder um das Pult herum, wühlte in seiner Tasche und zog sein Notizbuch hervor. »Wie würde es dir in zwei Wochen passen?«, fragte er und blätterte durch die Seiten. Als ich nichts erwiderte blickte er auf und sah mich abwartend an.

»Ist okay.« Ich bemühte mich nicht allzu desinteressiert zu klingen, doch anhand von Mr. Harris Augenbraue, die nach meinen Worten abfällig nach oben wanderte, hatte ich das nicht besonders gut hinbekommen.

»Gut, dann sehen wir uns in der nächsten Stunde.« Ich nickte, rückte meine Tasche auf der Schulter zurecht und flüchtete so schnell ich konnte aus dem Klassenraum. Ein Referat über die spanische Geschichte – das würde mit Sicherheit ein Heidenspaß werden.

Ich schnaubte und eilte mit großen Schritten den Flur zur Mensa entlang. Klar, hatte ich mir den Kurs bei Mr. Harris eigenständig ausgesucht, doch besonderen Wert auf die Inhalte des Kurses hatte ich nicht gelegt. Es interessierte mich schlichtweg nicht. Keins meiner Fächer. Die meisten hatte ich eigentlich nur belegt, weil Eddie sie für notwendig hielt und ich sie nicht enttäuschen wollte. Für mich jedoch war keiner der Kurse von Interesse. Ich wollte nur Eishockey spielen. So war es schon immer gewesen und so würde es auch immer bleiben.

Mein Blick fuhr die Flurwände entlang und blieb für den Bruchteil einer Sekunde an dem riesigen Plakat hängen.

›Valentinstag! Schenkt euren Liebsten eine Rose!‹

Mir entfuhr ein amüsiertes Schnauben. Schon den ganzen Tag liefen die Leute mit diesen dämlichen Rosen herum. Ich wusste selbst nicht, warum ich dabei so verbittert klang, da es doch eigentlich etwas Schönes war seinem Partner etwas zu schenken und ihm damit seine Gefühle klar zu machen. Vielleicht war es aber auch nur deswegen, weil ich es langsam satt hatte alleine zu sein. Ich wollte auch endlich diese Momente erleben. Aber wenn mein Masterplan aufging, würde ich mit Harper vielleicht irgendwann in diese Richtung fahren. Denn nur eine Freundschaft wollte ich mit ihr in keinem Fall.

Greatest PretendersWhere stories live. Discover now