S u l l i v a n

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Die nächsten Tage verliefen ähnlich wie der Sonntag. Eddie kam vormittags vorbei, schaute nach dem Rechten und verschwand wieder. Harry kam nach der Schule, brachte mir neuen Nachschub an Comics und neue CDs mit, die wir uns zusammen ansahen. Sie ließ mir auch welche da, die ich nachts auf meinem eigenen Laptop anschauen konnte.

Mit Conall schickte ich ein paar Nachrichten hin und her, doch es beschränkte sich hauptsächlich darauf, wie es mir ging. Chester und Lionel schauten am Dienstag nochmal vorbei und berichtete mir vom Training und Coach Norris' Schimpftirade über die Dalefield Mannschaft, die ungeschoren davon gekommen war. Ich regte mich gleich mit ihm auf.

Am Donnerstag konnte ich dann endlich raus. Schon den ganzen Tag über wartete ich darauf, dass alles für meine Entlassung fertig war und ich diese weißen Wände verlassen durfte. Harry hatte es heute leider nicht geschafft, da sie lange Schule gehabt hatte. Aber dafür hatten wir miteinander geschrieben.

Ich zog mir gerade ein frisches T-Shirt über den Kopf, als Eddie, gefolgt von einer Schwester, zur Tür rein kam.

»Wieso erfahre ich erst jetzt, dass er kein Schmerzmittel bekommt?«, beschwerte sich Eddie und mir fuhr sofort der Schreck in die Knochen. Eine Unterhaltung mit Eddie über dieses Thema wollte ich mir unter allen Umständen ersparen.

»Weil ihr Neffe erwachsen ist und wir der Schweigepflicht unterliegen«, entgegnete die Schwester, die bereits ein wenig genervt von Eddie wirkte. Ich konnte es ihr nicht verübeln.

»Das kann doch nicht wahr sein!« Eddie stieß ein aufgebrachtes Schnauben aus und stemmte die Hände in die Hüfte.

»Eddie«, sprang ich dazwischen und bedachte Eddie mit einem eindringlichen Blick. Sie hatte in der Hinsicht kein Mitspracherecht. Ich konnte selbst bestimmen, ob ich mich unter Drogen setzen lassen wollte oder nicht.

Der Blick schien zu wirken, denn Eddie klappte den Mund zu und blieb bis zum Verschwinden der Schwester stumm. Nachdem sie die Kanüle und den Infusionsschlauch aus meinem Arm entfernt hatte, verließ die Schwester geradezu fluchtartig den Raum. Sofort schaute Eddie mich abwartend an.

»Ich hab ihr gesagt, dass ich kein Schmerzmittel haben will.« Ich setzte mich auf und schwang die Beine vorsichtig aus dem Bett. Mein linkes Knie steckte zwar in eine Schiene, doch vor jeder Bewegung war es dadurch noch lange nicht geschützt.

»Was? Warum, Sully?«

Ich schwieg und presste meinen Kiefer aufeinander, während ich nach den Krücken zu greifen versuchte, die am Stuhl lehnten. Eine bekam ich zu fassen, die andere rutschte mir aus den Fingern und fiel scheppernd zu Boden. Toll.

»Sully?« Eddie blieb hartnäckig und fixierte mich nach wie vor mit ihrem eisernen Blick. Ich seufzte.

Sie reichte mir die herabgefallene Krücke und zog fragend ihre Augenbrauen hoch.

»Ich will dieses Teufelszeug nicht nehmen«, meinte ich verbittert und wich absichtlich ihrem Blick aus. Aber als ich doch einen Blick wagte, konnte ich die Erkenntnis in ihren Augen aufflackern sehen. Sie öffnete den Mund und klappte ihn gleich wieder zu.

Damit hatte sich das Gespräch erledigt.

–––––

Ruhelos wälzte ich mich von einer Seite auf die andere ohne mich dabei viel zu bewegen. Ich hasste es auf dem Rücken zu schlafen, aber dank der pochenden Schmerzen in meinem Knie hatte ich kaum eine andere Wahl.

Zwar war es noch früh, aber da ich in dem Krankenhaus nicht viel Schlaf bekommen hatte, hatte ich mir vorgenommen heute besonders zeitig schlafen zu gehen. Der Arzt hatte mich eigentlich noch bis nächste Woche Montag krank geschrieben, aber ich hielt es keinen weiteren Tag im Bett aus. Morgen war Freitag und ich wollte um jeden Preis in die Schule.

Greatest PretendersWhere stories live. Discover now