S u l l i v a n

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»Roalstad.« Verdattert blieb ich stehen und drehte mich zu unserem Coach. Normalerweise ließ er uns nach einem Spiel immer ohne ein Wort in die Umkleide, damit wir duschen und nach Hause konnten. Die Bilanz des Spiels folgte ohnehin erst beim nächsten Training.

»Was ist mit dir los?« Überrascht sprangen meine Augenbrauen nach oben. Mir war mulmig zumute. Er durfte auf keinen Fall von der kaputten Hand erfahren.

»Was meinen sie, Coach?«

Er sah mich unverändert an. »Das weißt du genau.«

Unsicher legte ich meine Stirn in Falten.

»Roalstad?«, hakte er noch einmal nach und blickte mir dabei fragend in die Augen. Doch ich sagte kein Wort. Ich schwieg und sah ihm mit einem Hauch von Trotz entgegen. Er durfte den Grund nicht erfahren.

Keine Ahnung, wie lange wir einfach nur dastanden und uns gegenseitig anstarrten. Irgendwann stieß er jedoch ein Seufzen aus und nahm seinen Blick von mir. Er nickte in Richtung Umkleide und ich kam seiner unausgesprochenen Aufforderung nur zu gerne nach. Hauptsache, ich musste ihn nicht länger wortlos gegenüberstehen.

Als ich in der Kabine ankam, waren die meisten meiner Teamkollegen bereits verschwunden. Nur noch zwei packten ihre letzten Sachen zusammen. Viele von ihnen hatten genauso wie ich nur wenige Minuten Fahrt bis nach Hause. Daher fuhr praktisch jeder nach Hause zum Duschen, als es hier zu tun.

Seufzend ließ ich meinen Helm auf die Sitzbank fallen, pfefferte meine Handschuhe in die Tasche, zog das Trikot aus und hievte mir die Schulterposter über den Kopf. Alles einhändig. Denn meine rechte Hand schmerzte inzwischen wieder fürchterlich. Sie pochte und ließ mir zeitweise ein wenig schwarz vor Augen werden.

Ich ging in die anliegenden Waschräume und begann vorsichtig den Verband von meiner Hand zu wickeln. Dass sie darunter fürchterlich zitterte, verhieß nichts Gutes. Als ich sie zu bewegen versuchte, wurde meine Ahnung bestätigt. Denn ein unfassbarer Schmerz durchfuhr meinen Körper. Er kroch in jede einzelne Pore und ließ mich gänzlich zusammenzucken.

F*ck. F*ck. F*ck. F*ck. F*ck.

»Ich wusste es.«

Erschrocken fuhr ich herum und blickte augenblicklich in Coach Norris' Gesicht.

F*ck.

»Wie schlimm ist es?«

Wie erstarrt blickte ich ihn an. Ich konnte mich nicht bewegen. Zu sehr war ich damit beschäftigt zu verstehen, was hier gerade ablief. Zu verarbeiten, dass mein Geheimnis aufgeflogen war. Ich war am Arsch.

Ich schüttelte all diese Gedanken aus meinem Kopf, wandte meinen Blick vom Coach ab und begann den Verband wieder schweigend um meine Hand zu wickeln. Im Augenwinkel sah ich wie Coach Norris den Posten am Türrahmen aufgab und stattdessen näher an mich herantrat.

»Sullivan.« Ich stutzte und hielt in meiner Bewegung inne. Der Coach nannten nie einen von uns beim Vornamen. Niemals.

Mir entfuhr ein tiefes Seufzen. »Ich weiß es nicht«, gab ich zu. Und das war die Wahrheit. Ich wusste wirklich nicht wie schlimm es um meine Hand stand. Schließlich war ich nicht beim Arzt gewesen. Meine Worte sorgten für Irritation beim Coach. »Ich war nicht beim Arzt. Er hätte mich nur krank geschrieben und dann hätten wir das Spiel verloren.«

Ich drehte mich zur Seite und blickte dem Coach geradewegs in die Augen. Verständnis blitzte in ihnen auf.

»Nimmst du Schmerzmittel?«

Sofort spannte sich mein Kiefer an. Mein Blick verdunkelte sich und meine gesunde Hand formte sich zur Faust.

»Nein«, entgegnete ich grob und richtete meine Augen zurück auf meine zitternde Hand. Man müsste mich schon fesseln und knebeln, damit ich so ein Teufelszeug nahm.

Greatest PretendersWhere stories live. Discover now