S u l l i v a n

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Die vergangenen Wochen waren ein Segen gewesen. Tag für Tag schien Harry mir mehr zu vertrauen. Tag für Tag wuchsen wir enger zusammen. Mein Herz kam mit dem fröhlichen Klopfen gar nicht mehr hinterher.

Meine Füße trugen mich durch die Flure der Schule, während meine Finger auf mein Handy eintippen.

»Verspäte mich etwas. Treffen uns am Wagen.«

Und gesendet. Keine drei Sekunden kam ein Okay von Harry zurück.

Ich liebte es, wie normal es zwischen uns geworden war. Dass ich sie jeden Morgen zur Schule abholte und jeden Nachmittag wieder Zuhause absetzte. Dass wir einfach miteinander reden und rumalbern konnten. Dass wir einfach so Nachrichten schrieben und sie mich anrief, wenn sie schlecht geträumt hatte. Dass... Es fühlte sich einfach an, als hätte es schon immer so sein müssen.

Mit einem Lächeln auf den Lippen stopfte ich das Handy zurück in meine Jackentasche. Ich bog um die Ecke und stieß kurz darauf die Tür zum oberen Eingang der Eishalle auf. Während mein Herz aufgeregt klopfte, eilte ich die Treppe nach unten und verschwand in einer der engen Gänge, die geradewegs zum Büro des Coachs führten. Erst heute Morgen hatte er mich auf dem Flur angesprochen und mich gebeten nach meiner letzten Stunde in sein Büro zu kommen. Den Grund dafür hatte er ausgelassen. Aber ich hoffte einfach, dass es nichts Schlechtes war.

Als meine Füße vor der Bürotür zum Stehen kam, schoss mein Puls ruckartig in die Höhe. Bisher hatte ich mir eingeredet, dass es keinen Grund gab Angst davor zu haben, was der Coach mit mir besprechen wollte. Doch tief in mir breitete sich genau dieses Gefühl wie ein Lauffeuer aus.

Ich hob meine Hand, formte sie zur Faust und klopfte laut an die metallne Tür. Nur wenige Augenblicke später hörte ich ein grummeliges herein.

Ich schluckte, nahm einen letzten tiefen Atemzug und drückte die Türklinke hinunter, um einzutreten. Wie erwartet saß Coach Norris an seinem chaotischen Schreibtisch und schien beinah dahinter zu verschwinden.

Er blickte auf und sah mich an. »Sullivan. Setz dich.«

Wieder schluckte ich. Wenn er mich beim Vornamen nannte, war das hier mehr als eine läppische Unterhaltung.

Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend kam ich seiner Aufforderung nach und ließ mich auf einem der Stühle vor seinem Schreibtisch nieder. Den Gurt meines Rucksacks ließ ich über meine Schulter rutschten, bevor ich die Tasche auf den Boden stellte.

»Wie geht es deiner Hand?« Er deutete mit einem Nicken auf meine rechte Hand, die inzwischen nur noch von einem Verband geschützt wurde.

Überrumpelt blinzelte ich ein paar Mal, bevor ich zu einer Antwort ansetzte.

»Der Arzt hat gesagt, dass sie sehr gut verheilt.«

Und das war nicht mal gelogen. Erst Dienstag war ich beim Arzt gewesen, nachdem mir Harry über eine Woche damit in den Ohren gelegen hatte. Sie fand es noch immer nicht gut, dass ich mir den Gips einfach selbst abgemacht hatte.

»Tut sie noch weh?«

Ich verzog das Gesicht. »Ein bisschen hin und wieder.«

»Sind die Schmerzen erträglich?«

Ich nickte und runzelte zugleich die Stirn. Warum kam es mir so vor als würde er eine gedankliche Liste abhaken wollen?

»Denkst du, du bist bereit wieder ins Training einzusteigen?«

»Was?« Mir entgleisten alle Gesichtszüge. War das sein Ernst? Ich hatte niemals gedacht diese Saison noch mal einzusteigen.

»Kannst du wieder ins Training einsteigen?«, wiederholte der Coach seine Worte. Doch mehr Klarheit brachte das nicht in meinen Kopf.

Greatest PretendersWhere stories live. Discover now