S u l l i v a n

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Suchend ließ ich meinen Blick durch die Mensa schweifen.

In den vergangenen drei Wochen hatte ich immer wieder versucht, Harper davon zu überzeugen, dass ich keine Bedrohung für sie darstellte. Oder wie auch immer sie mich in ihren Augen sah.

Immer und immer wieder zielte ich auf gemeinsame Begegnungen ab und versuchte ein Gespräch aufzubauen. Allerdings liefen diese meist sehr eintönig ab. Ich erzählte... und sie hörte zu – oder auch nicht. Um ehrlich zu sein, war ich mir nicht sicher, ob sie mir überhaupt Beachtung schenkte, doch ich wollte auch nicht so einfach kampflos aufgeben.

Erst gestern hatte sie mir einen Funken Hoffnung geschenkt, als sie tatsächlich gelächelt hatte, während ich ihr von meinem Nachbar Mr. Carter erzählt hatte und wie dieser die ältere Frau von gegenüber in den Wahnsinn getrieben hatte. Er hatte seine Mülltonne vor die Straße gestellt, obwohl diese gar nicht abgeholt wurde. Da er aber sonst stets pünktlich wie ein Uhrwerk seine Mülltonnen zum Abholen bereitstellte, hatten es ihm daraufhin alle panisch gleich getan und ziemlich blöd geguckt, als Mr. Carter die Mülltonne nach einer Stunde einfach wieder zurück in den Garten geschoben hatte.

Ich wäre beinahe an meinem Lachen erstickt, als er mir stolz von seinem Zeitvertreib erzählt hatte. Die alte Mrs. Kuller fand es allerdings ganz und gar nicht zum Schießen. Sie hatte ihn zur Rechenschaft gezogen und sogar gemeint, dass sie den Nachbarschaftsrat einberufen würde.

Was für ein Humbug.

Mr. Carter hatte sich jedoch nicht beirren lassen und stattdessen behauptet, dass seine Mülltonne einfach mal etwas anderes hatte sehen wollen als den langweiligen Garten. Dass die alte Schrulle daraufhin eingeschnappt davon gewackelt war, war nicht verwunderlich.

Meine Augen blieben an haselnussbraunen Haaren hängen. Ich legte meinen Kopf schräg und musterte sie für einen Moment, ehe sich meine Mundwinkel nach oben bogen und ein Lächeln auf meinem Gesicht seinen Patz fand.

Sie saß alleine, etwas abseits von den anderen und schien vertieft in ihr Essen.

Ich rückte die Tasche auf meiner Schulter zurecht und schlängelte mich zwischen den Massen an Schülern hindurch, die auf Tischen und Stühlen lungerten und sich gerade die neusten Tratschnachrichten berichteten. Meiner Meinung nach völlig überbewertet.

Ich entschuldigte mich als ich unabsichtlich gegen einen breiten Rücken stolperte. Geradeso konnte ich mich noch fangen und dem finsterem Blick des Riesen ausweichen.

Mir war bewusst, dass ich nicht der Größte war und auch nicht unbedingt die eindrucksvolle Statur eines Türstehers besaß, weshalb ich genauestens wusste, dass ich mich gar nicht erst auf eine Auseinandersetzung einlassen sollte.

Endlich an meinem Ziel angekommen ließ ich mich auf den Sitz neben Harper plumpsen und grinste sie breit an.

»Heeeey.«

Ohne aufzublicken stopfte sie sich eine weitere Pommes in den Mund.

»Hi«, erwiderte Harper. Sie war nicht in der Stimmung Small Talk zu halten, stattdessen war sie wohl vielmehr genervt, dass ich sie schon wieder ›belästigte‹. Doch um ehrlich zu sein, interessierte mich das nicht besonders. Denn wenn ich danach ginge, müsste ich Monate im Voraus einen Termin mit ihr vereinbaren und vermutlich würde sie diesen noch kurz vorher absagen. Fazit: ich machte einfach weiter wie bisher und hoffte darauf, dass sich ihre Meinung doch noch änderte.

Mein Blick sprang hinunter zu den labbrigen Pommes und den halb aufgegessen Burger in ihrer Hand. Ich legte den Kopf schräg und runzelte die Stirn. Wenn ich mich recht entsann verkauften die dieses ungesunde Fast Food Zeug hier in der Mensa nicht.

Greatest PretendersWhere stories live. Discover now