H a r p e r

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Als ich am Samstagmorgen nach meiner alltäglichen Joggingrunde zurück nach Hause kam, war mein Dad verschwunden. Ich rief durchs ganze Haus doch eine Antwort seinerseits blieb aus. Mit gerunzelter Stirn schob ich mir die Schuhe von den Füßen und trat in die Küche, in welcher sich Dad an jedem anderen Tag aufgehalten hätte. Wo steckte er? Ich schnappte mir eine der Wasserflaschen auf der Theke, schraubte sie auf und setzte sie an meine Lippen an. Gierig schüttete ich mir das erfrischende Wasser die Speiseröhre hinunter und löschte damit endlich meinen Durst. Als ich sie jedoch absetzte, um nach Luft zu schnappen, fiel mein Blick hinüber auf den Küchentisch. Ein Zettel. Neugierig griff nach ihm und ließ mir die wenigen Zeilen, die darauf standen, durch.

›Morgen, Süße.

Bin Einkaufen,

Dad‹

Dad hatte definitiv keine Schriftsteller Qualitäten. Wann auch immer er etwas aufschrieb, er hielt sich stets so knapp wie es die Situation erlaubte. Es hätte mich nicht einmal verwundert, wenn er lediglich das Wort ›Einkaufen‹ auf den Zettel gekritzelt hätte. Schließlich wäre es nicht das erste Mal.

Ich ließ den Zettel zurück auf die Tischplatte wandern und widmete mich stattdessen wieder der Flasche in meiner Hand. Mit einer Bewegung hatte ich sie zurück an meine Lippen gesetzt und vollends geleert.

Nachdem ich die Flasche zurück an ihren Platz verbannt hatte, trugen mich meine Beine hinüber ins Wohnzimmer, wo ich niemand geringen als Buttons antraf. Er lag seitlich auf dem kuscheligen Teppichboden und hatte dabei seine Beine weit von sich gestreckt. Ein Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. Eigentlich hatte Buttons ein Körbchen. Allerdings nutzte er das nur in den seltensten Fällen. Ich hätte es Dad auch im Vorhinein sagen können, doch er hatte es sich nicht ausreden lassen. Er hatte dem Golden Retriever Rüden unbedingt sein eigenes Kettchen kaufen müssen. Tja, nun hatte er den Schlamassel. Hundert Pfund, die in der Ecke vergammelten.

Mein Blick ruhte noch immer auf dem gold-gelben Fellknäuel, als dieses seinen Kopf hob und seine Augen auf mich richtete. Sein Schwanz bewegte sich und er gab ein freudiges Fiepen von sich. Lächeln kniete ich mich zu ihm hinunter und machte es mir kurz entschlossen ebenfalls auf dem flauschigen Teppich bequem. Sofort drehte sich Buttons auf den Bauch, schob seine Pfoten an meine Seite und legte seinen Kopf auf meinem Bauch ab. Als ich meine Hand hob und begann ihm hinter dem Ohr zu kraulen, schloss er zufrieden die Augen. Sein Schwanz wippte freudig hin und her.

Meine Gedanken schweiften ab und landeten bei der Erinnerung, wie Buttons in unser Leben getreten war. Ich war damals neun gewesen, als Dad entschieden hatte endlich nachzugeben. Jahrelang hatte ich ihn angefleht mir einen Hund zu kaufen. Jahrelang hatte ich gebettelt und dann war mein Wunsch endlich in Erfüllung gegangen. Wobei ich bis heute nicht verstand, warum ausgerechnet dann. Ich hatte immer gefleht, gebettelt, Tobsuchtsanfälle bekommen und letztendlich den Kürzeren bei unseren Auseinandersetzungen gezogen. Immer. Egal wann. Ich hatte schon geglaubt, er würde auf Ewig ›nein‹ sagen. Doch dann an einem warmen Sommertag hatte er sich zu mir hinunter gekniet, tief in die Augen gesehen und gemeint: ›Ich glaub, du bist soweit.‹ Damals hatte ich die Bedeutung seiner Worte nicht verstanden, doch Jahre später hatte er mir erklärt warum ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt.

Erst kurz vorher war uns ein Igel zugelaufen. Immer wieder war er in unserem Garten aufgetaucht und hatte das Katzenfutter gefressen, welches Dad noch heute für die streunernden Katzen herausstellte. Und je öfter wir nachfüllten, desto öfter tauchte er natürlich auch auf. Irgendwann hatte er dann wohl den Entschluss gefasst bei uns einzuziehen. Zumindest sah ich ihn von da an jeden Tag zwischen den Bäumen und Büschen hin und her flitzen und in unserem Rasen nach Würmern graben. Er wurde zu einem Haustier, das eigentlich keines war. Doch das war meinem damaligen Ich egal gewesen. Ich hatte ihn dennoch tief in mein kleines Herz geschlossen. Umso trauriger war das darauffolgende Ereignis. Denn eines Tages kam er nicht mehr zum Fressen. Erst hatte ich gedacht, er würde eine kleine Wanderung unternehmen und daher das Essen verpassen. Doch dann tauchte er am nächsten Tag auch nicht auf. Und am Tag darauf auch nicht. Und danach auch nicht. Eine Woche lang machte ich mir Sorgen, mahlte mir die schlimmsten Szenarien aus und bekam sogar Albträume. Dad hatte damals gemeint, ich solle mir keine Sorgen machen, er würde schon wieder auftauchen. Vielleicht hatte einfach nur eine nette Igeldame gefunden und wollte nun ein wenig Zeit mit ihr alleine verbringen. Ich hatte ihm seine Worte damals abgekauft, ihm geglaubt und sehnlichst gehofft, dass es recht besaß.

Greatest PretendersWhere stories live. Discover now