Hotel Carmilla

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Es war kurz vor Sonnenaufgang als wir Dallas endlich erreichten. James gähnte herzhaft vom Beifahrersitz, was ihm einen wütenden Blick und einen schnippischen Kommentar von mir einbrachte. "Na. Ausgeschlafen?!"

Er drehte sich verschlafen zu mir, grinste dämlich und kratzte sich den Bauch.

"Ja, das Nickerchen war nett."

Ich grummelte. Natürlich hatte er die ganze Nacht geschlafen. Schließlich hatte ich nach meiner "Entführung" fahren müssen. Ich hatte nicht gegessen, ich hatte nicht geschlafen und ich war mir relativ sicher irgendwann demnächst meine Tage zu bekommen - Und dementsprechend war auch meine Stimmung.

"Fick dich!"

James lachte.

"Bitte was?"

"Fick. Dich!"

James lachte erneut.

"Okay, okay, ich habs verstanden. Du brauchst auch ein bisschen Schlaf."

Mein Magen knurrte.

"Und was zu essen. Ich erinnere mich noch gut wie bitchig du werden kannst, wenn du Hunger hast." James stieß ihr in die Seite als seien sie gute Freunde "Dabei habe ich die bitchige Seite von dir immer lieber gemocht. Mit Tommilein warst du manchmal so eine Schlaftablette..."

Da war es wieder. Das Stechen. Schon zwei Mal hatte ich das merkwürdige Stechen eines Phantomschmerzes in der Nacht durch meine Brust ziehen spüren - nur das ich damals keinen Grund erkennen konnte, warum mich die plötzliche Trauer überfallen hatte. Jetzt erkannte ich den Schmerz als die Trauer um Tom, die sie war. Ich atmete scharf ein. Und James, der mein Zusammenzucken bei der Erwähnung seines Bruders mitbekommen hatte, lachte wieder.

"Du hast ihn echt geliebt, was?"

Was für eine Frage. Natürlich hatte ich das. Was war mit ihm? So wie er sich verhielt, war ich mir da nicht so sicher.  Ich antwortete ihm nicht, sondern warf ihm nur einen kalten Blick zu. James gluckste erneut. Wieso um alles in der Welt war der Psychopath den so guter Stimmung? Ein gut gelaunter James war fast noch gruseliger als ein schlecht gelaunter oder normaler James. Was auch immer normal für einen Psychopathen war natürlich.

"Lass uns ne Matratze suchen!", befahl James mir mit den Augenbrauen wackelnd und ich gab mich angesäuert geschlagen. Ich hasste es mit ihm übereinzustimmen, aber ich war fix und fertig und wollte meinerseits auch nur noch ins Bett. Doch gerade als ich zum nächsten nahegelegenem Motel abbiegen wollte, griff mir der Idiot ins Lenkrad. "Wir gehen ins Hotel Carmilla!"

Ach, der feine Herr wollte in einem Hotel übernachten. Kein Wunder das er so schnell durch seine Vorräte gebrannt war. Ich unterdrückte jegliche Kommentare die sich an die Oberfläche arbeiteten wollten und fuhr schweigend weiter. Stattdessen riss ich mich zusammen, bis wir tatsächlich vor dem Hotel hielten. Ich lass das Eingangsschild extra zweimal und überprüfte die Adresse mit meinem NAVI als wir vor dem eindrucksvollen Gebäude hielten.

"DA willst du rein?"

James war bereits dabei auszusteigen und überging meinen Einwurf. Dabei gab es mehrere Gründe für meine Verwirrung. Zum einen war das Hotel riiiiiesig. Als New Yorkerin kannte ich natürlich hohe Gebäude, und dennoch musste ich ziemlich meinen Kopf in den Nacken legen um bis nach ganz oben schauen zu können. Aber vielleicht hatte meine Zeit in Bon Temps die letzten Monate mich da auch ein wenig beeinflusst. Da war das höchste Drei-Stöckige Haus die alte Plantage des Bürgermeisters. Auch das wir allem Anschein nach vor einem durchaus sehr noblen Hotel gehalten hatten, war zwar durchaus ungewöhnlich und entsprach nicht unbedingt meinem oder aber James Stil. Doch auch das war nicht der Grund warum ich zögernd aus dem Autofenster auf die schwarze Vertäfelung der Außenfassade sah. Es war der Schriftzug der Hotels über dem Torbogen ähnlichen Eingang.

The Guilty Ones // 2Where stories live. Discover now